Sechster Auftritt


[538] Gordon. Buttler anfangs hinter der Szene.


BUTTLER.

Hier stehet still, bis ich das Zeichen gebe.

GORDON fährt auf.

Er ists, er bringt die Mörder schon.

BUTTLER.

Die Lichter

Sind aus. In tiefem Schlafe liegt schon alles.

GORDON.

Was soll ich tun? Versuch ichs, ihn zu retten?

Bring ich das Haus, die Wachen in Bewegung?[538]

BUTTLER erscheint hinten.

Vom Korridor her schimmert Licht. Das führt

Zum Schlafgemach des Fürsten.

GORDON.

Aber brech ich

Nicht meinen Eid dem Kaiser? Und entkommt er,

Des Feindes Macht verstärkend, lad ich nicht

Auf mein Haupt alle fürchterlichen Folgen?

BUTTLER etwas näherkommend.

Still! Horch! Wer spricht da?

GORDON.

Ach, es ist doch besser,

Ich stells dem Himmel heim. Denn was bin ich,

Daß ich so großer Tat mich unterfinge?

Ich hab ihn nicht ermordet, wenn er umkommt,

Doch seine Rettung wäre meine Tat,

Und jede schwere Folge müßt ich tragen.

BUTTLER herzutretend.

Die Stimme kenn ich.

GORDON.

Buttler!

BUTTLER.

Es ist Gordon.

Was sucht Ihr hier? Entließ der Herzog Euch

So spät?

GORDON.

Ihr tragt die Hand in einer Binde?

BUTTLER.

Sie ist verwundet. Dieser Illo focht

Wie ein Verzweifelter, bis wir ihn endlich

Zu Boden streckten –

GORDON schauert zusammen.

Sie sind tot!

BUTTLER.

Es ist geschehn.

– Ist er zu Bett?

GORDON.

Ach Buttler!

BUTTLER dringend.

Ist er? Sprecht!

Nicht lange kann die Tat verborgen bleiben.

GORDON.

Er soll nicht sterben. Nicht durch Euch! Der Himmel

Will Euren Arm nicht. Seht, er ist verwundet.

BUTTLER.

Nicht meines Armes brauchts.

GORDON.

Die Schuldigen[539]

Sind tot; genug ist der Gerechtigkeit

Geschehn! Laßt dieses Opfer sie versöhnen!


Kammerdiener kommt den Gang her, mit dem Finger auf dem Mund Stillschweigen gebietend.


Er schläft! O mordet nicht den heilgen Schlaf!

BUTTLER.

Nein, er soll wachend sterben.


Will gehen.


GORDON.

Ach, sein Herz ist noch

Den irdschen Dingen zugewendet, nicht

Gefaßt ist er, vor seinen Gott zu treten.

BUTTLER.

Gott ist barmherzig!


Will gehen.


GORDON hält ihn.

Nur die Nacht noch gönnt ihm.

BUTTLER.

Der nächste Augenblick kann uns verraten.


Will fort.


GORDON hält ihn.

Nur eine Stunde!

BUTTLER.

Laßt mich los. Was kann

Die kurze Frist ihm helfen?

GORDON.

O die Zeit ist

Ein wundertätger Gott. In einer Stunde rinnen

Viel tausend Körner Sandes, schnell wie sie

Bewegen sich im Menschen die Gedanken.

Nur eine Stunde! Euer Herz kann sich,

Das seinige sich wenden – Eine Nachricht

Kann kommen – ein beglückendes Ereignis

Entscheidend, rettend, schnell vom Himmel fallen –

O was vermag nicht eine Stunde!

BUTTLER.

Ihr erinnert mich,

Wie kostbar die Minuten sind.


Er stampft auf den Boden.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 538-540.
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