Bild des Lebens

[171] Krank, matt, gebückt, sah ich den Alten schleichen,

Den Blinden muß die Hand des Mitleids führen.

Weh! die der Augen süßes Licht verlieren;

Das könnte wohl den härt'sten Sinn erweichen!


Ob bald die Nebel vor der Sonne weichen,

Fragt er, die Strahlen schon die Berge zieren.

Es hörend, hebt er an zu triumphieren;

Froh, durch Gesang den Himmel zu erreichen.


Das war es, was mich mehr als Tränen rührte;

Ein rechtes Bild des armen Menschenlebens,

Wie Blind' auch uns in Nacht das Mitleid führte.


Die Sonne sucht der dumpfe Blick vergebens;

Selig, wenn nur das Herz den Strahl noch spürte,

In Nacht das Licht begrüßend unsres Strebens!


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 171.
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