4. Loblied im Frühling

[443] Jetzt wickelt sich der Himmel auf,

Jetzt wegen sich die Räder,

Der Frühling rüstet sich zum Lauf,

Umgürt' mit Rosenfeder.


O reines Jahr! O schöner Tag!

O spiegelklare Zeiten!

Zur Sommerlust nach Winterklag'

Der Frühling uns wird leiten.


In Luft hör' ich die Musik schon,

Wie sich's mit Ernst bereite,

Daß uns empfang' ein süßer Ton

Und lieblich hin begleite.


Für uns die schöne Nachtigall

Den Sommer neu begrüßet,

Ihr Stimmlein über Berg und Tal

Die ganze Luft versüßet.


Wer legt nun ihr den Ton in Mund

Dann laut und dann so leise?

Wer zirkelt ihn so rein und rund

In mannigfacher Weise?


Jetzt kalte Luft und herber Wind

Uns wieder sei versöhnet,

Der Tau mit weißen Perlen lind

Die Felder lieblich krönet.[443]


Jetzt öffnet sich der Erdenschoß,

Die Brünnlein fröhlich springen,

Jetzt Laub und Gras sich geben bloß,

Die Pflänzlein aufwärts dringen.


Die Blümlein scheu sie treten an

Und wunderschön sich arten,

Violen, Rosen, Tulipan,

All' Kleinod stolz im Garten.


Ach saget an, ihr Blümlein zart,

Und laßt es mich doch wissen,

Weil ihr an euch kein' Farb' gespart,

Wer hat euch vorgerissen?


Wo nehmet ihr das Muster her,

Davon ihr euch copeiet?

Das Vorbild wollt' ich schauen gern,

Das ihr habt conterfeiet.


Wer mag nun je geboren sein

So reich von scharfen Sinnen,

Der auch das kleinste Pflänzelein

Ganz schlecht nur durft' beginnen?


Die Wahrheit sag' ich rund und glatt.

Dem würd' all' Sinn zerrinnen,

Wer nur auch dächt' ein einzig Blatt

Aus Menschenkunst zu spinnen.


Es wundert sich der Himmel selb,

Wie zierlich unterstrahlet

Mit Gras und Früchten grün und gelb

Das Erdreich sich gemalet.


Die reine Flüss', kristallen klar,

Verbrämt mit grünen Weiden,

Von Schatten schier bedecket gar

Die Sonnenhitz' vermeiden.


Sich üben dort im Schwimmen viel

Die schneegefärbten Schwanen,

Da halten sie ihr Freudenspiel

Auf glatten Wasserplanen.


Die Tier' auf grünen Felden breit

Sich frisch und freudig zeigen,[444]

Das Wild in dunkeln Wälden weit,

Noch keinem Jäger eigen.


Die Vögel auch im freien Zug

In Lüften freudig spielen,

Mit hin und hergewendtem Flug

Zum Ehrenkränzlein zielen.


Wo nur den Blick man wendet hin

Wird er mit Lust ergötzet;

Ergötzet wird fast jeder Sinn

Und alles Wunder schätzet.


Ohn' Maß ist alle Welt geschmückt,

Wer Künstler möcht's erdenken?

Wer's recht bedenkt, wird gar verzückt,

Das Haupt tut niedersenken.


Drum lobet ihn ihr Menschenkind

Bei nun so schönen Zeiten,

All' Traurigkeit nur schütt' in Wind.

Spannt auf die kühnsten Saiten.


Auf Harf' und Laute tastet frei,

Schlagt Orgel an und Geigen,

Daß Gott der Herr gelobet sei,

Tut ihm all' Ehr' bezeigen.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 443-445.
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