7. Liebe

[448] Ganz früh, wann sich entzündet

Der silberweiße Tag,

Und uns die Sonn' verkündet,

Was nachts verborgen lag,

Die Lieb' in meinem Herzen

Ein Flämmlein zündet an,

Das brennt gleich einer Kerzen,

So niemand löschen kann.[448]


Wann schon ich's trag im Winde

Nach Ost und Norden draus,

Noch Ruh noch Rast ich finde,

Es löschet nimmer aus.

O weh der Qual und Peinen,

Wo soll mich wenden hin?

Ich immerdar muß weinen,

Stets ich in Schmerzen bin.


Wann wieder dann entflogen

Der Tag zur Nacht hinein,

Und unter sich gebogen

Die Sonn' und Sonnenschein;

Das Flämmlein so mich quälet

Noch bleibt in voller Glut,

All' Stund', so viel man zählet,

Es mich noch brennen tut.


Das Flämmlein, so ich meine,

Ist Jesus süßer Nam';

Es zehret Mark und Beine,

Frißt ein gar wundersam.

O Süßigkeit in Schmerzen,

O Schmerz in Süßigkeit;

Ach! bleibe noch im Herzen,

Bleib noch in Einigkeit.


O Flämmlein süß ohn' Maßen,

Auch bitter ohne Ziel;

Um dich muß ich verlassen

All' andre Freud' und Spiel.

Du zündest mein Gemüte,

Bringst mir groß Herzenleid,

Du kühlest dann mit Güte,

Bringst mir des Herzens Freud'.


Ade zu tausend Jahren,

Ade zu guter Nacht,

O Welt laß mich nun fahren,

Weil ich dich nur veracht.

In Jesu Lieb' ich lebe

Bin sein von Herzens Grund,

In lauter Lust ich schwebe

Bin ich gleich sehr verwund't.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 448-449.
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