Fünfter Auftritt.


[248] Die Vorigen. Fiekchen.


SYLVESTERINN. Komm doch, Fiekchen. Wir reden von der Ordnung.

FIEKCHEN. So, Mamachen. Je, seyn sie doch beyderseits schön willkommen. Ist Fortunat noch nicht wieder da?

RICHARDINN. Ihre Dienerinn, Jungfer Fiekchen.

LIESCHEN. Ich glaube, daß die Jungfer Tochter uns Regeln von der Ordnung geben könnte.

SYLVESTERINN. Wenigstens Exempel, wenn man sagen wollte, was die Ordnung nicht wäre.

LIESCHEN. Ach! mein liebes Jungfer Fiekchen. Nehmen sie mir es nicht ungütig: sie haben ihr Halstuch ein kleines, kleines Bißchen schief gestecket.

FIEKCHEN. Ein kleines, kleines Bißchen wird so viel ja nicht bedeuten.

LIESCHEN. Erlauben sie, daß ich es ihnen zurechte mache.

SYLVESTERINN. Sehen sie, liebstes Jungfer Lieschen. Wenn sie einer Unordnung bey den Meinigen abhelfen, die sie nicht gestiftet haben: wie vielmehr werden sie nicht einer abhelfen, die sie gestiftet haben.

LIESCHEN. Habe ich Unordnung gestiftet? Ach! vergeben sie. Wollen sie so gütig seyn, und mir es sagen? Ach! verzeihen sie. Gewiß nun sehe ichs: ich habe einen Fleck ins Caffeetuch gemacht Oder Mama, sie sind es gewesen?

RICHARDINN. Lieschen, du wirst es nicht auf mich schieben.

LIESCHEN. Nein, gewiß, ich kann es nur noch nicht über mich nehmen: ich müßte mich gar zu sehr schämen.

SYLVESTERINN. Nein! nein! eine solche Unordnung meyne ich ganz und gar nicht. Das ist eine Unordnung, die in wenig Augenblicken verschwinden wird.

LIESCHEN. Vergeben sie. Wenn bey mir ein solcher Fleck gemachet wird: so wasche ich sie alle mit Mandelseife wieder aus; und jeglicher Fleck kostet mich zwanzig Minuten.

SYLVESTERINN. Zwanzig Minuten? Sie rechnen die Zeit auch sehr genau.

RICHARDINN. Das weis ich gewiß, daß keine Minute vorbey geht, die meine Tochter nicht gezählet hat.

FIEKCHEN. Mein Bruder zählt die Zeit gewiß auch sehr genau. Er zählt sie zwar nicht nach Minuten: er hat mir aber gesagt, daß er im Tanzen nach Sechzentheilen rechnete, in welcher Stellung die Füsse stehen sollten.[249]

SYLVESTERINN. Und gewiß! Er ist im Tanzen niemals aus der Cadanz gekommen. Denn wenn eine Unordnung vorgegangen ist: so hat er allezeit gesagt, daß die Musikanten Ursache daran gewesen wären.

RICHARDINN. Meine Tochter quält mich immer, daß sie eine Uhr mit Secunden haben will.

SYLVESTERINN. Mein Sohn martert mich fast zu tode, daß er zween große Spiegel haben will, damit er sich hinten und forne besehen kann, und damit er recht davor tanzen kann.

RICHARDINN. Meine Tochter weis in der ganzen Stadt am besten, um welche Zeit es ist.

SYLVESTERINN. Mein Sohn weis in der ganzen Stadt am besten, welches die neuesten Arien sind.

RICHARDINN. Meine Tochter hat nachgerechnet, daß sie zwanzig Stiche mit der Nähnadel in einer Minute thut.

SYLVESTERINN. Ich glaube, daß mein Sohn in einer Minute viel hundert Noten auf der Laute spielt.

RICHARDINN. Meine Tochter läßt in allen meinen Stuben kein Fleckchen auf den Dielen.

SYLVESTERINN. Meines Sohns sein Kleid sieht allezeit so neu, als wenn es vom Schneider käme.

RICHARDINN. Die Magd muß allezeit dreymal nach einander auskehren, ehe ihr die Stuben rein genug vorkommen.

SYLVESTERINN. Seine Kleider müssen allezeit sechsmal ausgeklopfet seyn, ehe sie ihm recht sind.

RICHARDINN. Und hernach muß die Magd den Staub noch mit dem Munde von den Dielen wegblasen.

SYLVESTERINN. Und hernach liest er selbst das geringste Fäschen, das darauf ist, mit den Händen herunter.

RICHARDINN. Meiner Tochter ihr Kopfputz kostet sie nicht viel Zeit, und ist doch schön.

SYLVESTERINN. Meines Sohnes Haare kosten viel Zeit. Aber sie sind auch außerordentlich.

RICHARDINN. Die Locken liegen alle so gerade, als wenn man Leinwand zusammen rollte.

SYLVESTERINN. Die Frisur ist auf beyden Seiten so überein, als wenn sie mit dem Zirkel abgezeichnet wäre.

RICHARDINN. Meine Tochter nähet Blumen, man möchte flugs dran riechen.

SYLVESTERINN. Mein Sohn malt alles, als wenn es da stünde.

RICHARDINN. Sie will mir einen Rock und auch eine Adrienne nähen.

SYLVESTERINN. Er will mir alle Stuben mit Bildern von seiner Hand aussetzen.[250]

RICHARDINN. Meine Tochter führt die Rechnung über alle Pfennige.

SYLVESTERINN. Mein Sohn – – mein Sohn – – mein Sohn hat einen Calender, da er alle Termine hinein schreiben soll.

RICHARDINN. Je! Meine Tochter schreibt alle Visiten in den Calender besser, als die Advocaten die Termine.

SYLVESTERINN. Mein Sohn merkt im Kopfe sehr genau, wen er von seinen Freunden besuchen soll.

RICHARDINN. Meine Tochter weis sehr schönes Essen zu machen. Und sie rührte nichts mit den Fingern an, und wenn es verderben sollte; alles mit der Gabel!

SYLVESTERINN. Mein Sohn kann Torten backen, die unvergleichlich sind.

RICHARDINN. Meine Tochter schreibt alle meine Briefe, und da darf kein Pünctchen unrecht seyn.

SYLVESTERINN. Mein Sohn macht wohl für dreyßig Leute Verse, und da darf kein Wort unrecht stehen.

RICHARDINN. Meine Tochter nimmt alle meine Sachen in acht, und ich darf für gar nichts sorgen.

FIEKCHEN. Und die Mama sorgt für alle meines Bruders Sachen: so gar die Bücher hebt sie ihm auf. Und für meine Sachen sorgt sie noch dazu!

RICHARDINN. Ich habe geglaubt, daß ich ordentlich bin. Aber die Frau Sylvesterinn sind noch ordentlicher. Denn ich lasse jemanden anders für meine Sachen sorgen, und sie sorgen selber für andrer ihre.

LIESCHEN. Mama, ich weis, daß ich in meinem Leben so roth nicht gesehen habe, als itzo. Daß Gott! loben sie mich doch nicht so. Was wird denn die Frau Sylvesterinn denken, wenn sie hört, daß mich meine eigene Mama so heraus streicht?

SYLVESTERINN. Sie wird denken, daß es andrer Leute ihre Schuldigkeit ist, es noch vielmehr zu thun.

RICHARDINN. Die Frau Sylvesterinn kann, ihres Herrn Sohnes wegen, den Zeugnissen nicht zuwider seyn, die man von seinen Kindern ableget.

SYLVESTERINN. Wie? gefällt ihnen denn mein Sohn, Jungfer Lieschen?

RICHARDINN. Daran ist nicht zu zweifeln. Sie erzählen so viel Gutes von ihm.

LIESCHEN. Es ist mir nicht erlaubt, daß mir die Mannspersonen gefallen. Aber wenn in seinem Kopfe so viel Ordnung ist, als an seinem Kopfe: so wird man sich schwerlich enthalten können, ihn zu loben.

SYLVESTERINN. Von seinem Kopfe will ich nicht reden. Was aber sein[251] Herz betrifft: so muß ich ihnen von einer Unordnung sagen, die eben diejenige ist, von der ich vorhin gesagt habe, daß sie sie gestiftet haben.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 248-252.
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