[252] Sylvester. Die Vorigen.
RICHARDINN. Je! da ist ja Herr Sylvester. Gehorsame Dienerinn.
LIESCHEN. Unterthänige Dienerinn, Herr Sylvester.
SYLVESTER. Bleiben sie doch sitzen, Frau Richardinn, Jungfer Lieschen. Wozu dient denn das Aufstehen, als daß man sich hernach einmal zu viel wieder niedersetzet? Gott grüße sie allerseits. Lieber Schatz, ist denn der Sohn nicht da?
SYLVESTERINN. Der Minister muß doch recht viel mit ihm reden, weil er so lange bleibt.
SYLVESTER. Seit welcher Zeit ist er denn bey ihm?
SYLVESTERINN. Seit welcher Zeit er bey ihm ist, weis ich nicht. Denn ich weis nicht, wie lange er hat warten müssen.
SYLVESTER. Was zupfest du mich denn, mein Schatz? Sind mir etwan Haare von Pelzen am Kleide hängen geblieben? Ich habe gleich Pelze verkauft.
SYLVESTERINN. Ja wohl, mein Kind.
SYLVESTER. Aber sage mir noch einmal. Wer hat warten müssen? Er auf den Minister, oder der Minister auf ihn?
SYLVESTERINN. Der Minister wird auf ihn nicht warten.
SYLVESTER. Zupfst du mich denn immer noch? Ich denke, ich bin recht gut daran, daß ich nicht mehr, als einerley vorhabe. Aber es hat doch seine Ungelegenheit. Wie muß es nicht seyn, wenn man vielerley vorhat? Bin ich denn immer noch voller Haare?
SYLVESTERINN. Ja wohl, mein Kind.
SYLVESTER. Aber ist er auch gewiß um zwey Uhr hingegangen? Du zupfest auch gar zu sehr. Die verzweifelten Haare!
SYLVESTERINN. Was hast du denn für Pelze verkauft?
SYLVESTER. Zu einem Pelzmantel.
FIEKCHEN. Doch zu keinem solchen, Papa, wovor ich mich fürchte?
SYLVESTER. Was meynst du, Fiekchen? Die sind die besten. Die Mode ist ganz hübsch, die Pelze haussen zu tragen, wie sie es itzo machen. Ich wollte nur, daß man anfienge, die alte und neue Mode zusammen zu schmelzen, und inwendig und auswendig Pelz trüge. Das würde warm seyn, und da wäre auch was zu lösen. Nun! was machen sie denn Gutes, Frau Richardinn und Jungfer Lieschen? Wollen sie denn keinen Caffee mehr trinken? Schenke doch ein, Schatz. Oder, ich will nur selber einschenken.[252]
LIESCHEN. Machen sie sich keine Mühe. Ich habe zwey Schälchen getrunken, und trinke nicht einen Löffel mehr.
SYLVESTER. Je, Jungfer Lieschen, trinken sie doch; trinken sie doch: es ist ja da!
LIESCHEN. Ich will sterben, wenn ich noch einen Tropfen trinke.
SYLVESTER. Es ist ja schon eingeschenkt. Lassen sie doch das liebe Gut nicht verderben!
LIESCHEN. Wenn ich es tränke: so würde ich mich verderben.
SYLVESTER. Was hat denn das arme Schälchen gethan, daß es so verachtet wird?
LIESCHEN. Herr Sylvester, wollen sie haben, daß ich schwören soll, daß ich nicht mehr trinke.
SYLVESTER. Behüte Gott! nein. Wenn sie schwören wollen, so will ich sie gerne verschonen. Fiekchen, trink du. Du schwörst nicht, daß du nicht trinken willst.
SYLVESTERINN. Sie wird nicht nein sagen: geschweige denn schwören.
FIEKCHEN. Mamachen, ich soll ja nicht immer nein sagen.
SYLVESTER. Spricht denn Jungfer Lieschen auch fleißig: Nein?
SYLVESTERINN. Ich wollte wünschen, daß Jungfer Lieschen gar nicht nein sprechen könnte.
SYLVESTER. Jungfer Lieschen, ich will ihnen doch was sagen. Sie werden doch auch einmal einen Mann nehmen wollen? Ich habe allezeit recht viel auf sie gehalten. Sie sind ein feines, hübsches, ordentliches Mädchen. Ich wollte ihnen gern einen Mann zuführen. Freylich, so ordentlich ist er nicht, wie sie. Er ist auch wohl, wie ich es heiße, ein Bißchen unordentlich. Je, mein Schatz, habe ich denn schon wieder Haare am Kleide? Aber man kriegt doch auch die Männer nicht allezeit gemalt.
FIEKCHEN. Papa, Jungfer Lieschen darf es nur meinem Bruder sagen. Der malt Männer.
SYLVESTER. Du sollst itzo nicht reden. Ja, Jungfer Lieschen, so dächte ich nun, sie nähmen meinen Stiefsohn. Wollen sie ihn haben? Sagen sie mir es aufrichtig. Schwören sie aber nicht etwan, wie sie vorhin beym Caffee thun wollen. Antworten sie doch. Sagen sie ja, oder nein!
LIESCHEN. Herr Sylvester, können sie denn die Leute auch zum besten haben?
SYLVESTER. Behüte Gott! nein. Antworten sie doch: ja? oder nein?
RICHARDINN. Das ist eine Sache, auf die man bey der ersten Frage nicht gleich eine Antwort kriegt.
SYLVESTERINN. Mein Sohn ist gewiß auch nicht unordentlich.
SYLVESTER. Wenn ich die Hasenfelle für Fuchspelze verkaufte: so[253] sprächen die Leute, ich wäre ein Betrüger. Und wenn ich sagte, mein Stiefsohn wäre so ordentlich, als Jungfer Lieschen: so sollten sie sprechen, ich wäre ein Lügner.
SYLVESTERINN. Jungfer Lieschen hat meinen Sohn ja schon mehr als einmal gesehen. Er geht ja beständig knapp gekleidet. Es ist ein ordentlicher Mensch: ein recht sehr ordentlicher Mensch ist er!
SYLVESTER. Höre, mein Schatz, ich will dir was sagen; es mag dir so wunderlich klingen als es will. Wenn er nicht so ordentlich wäre, wäre er vielleicht nicht so unordentlich. Verstehst du das?
SYLVESTERINN. Ist denn ein Mensch unordentlich, wenn er ordentlich in Kleidern ist?
SYLVESTER. Höre nur an. Wenn ich von einem Menschen rede: so rede ich ja nicht von seinen Kleidern. Wenn du mich nicht hättest, und hättest nur meine Kleider: so hättest du keinen Mann, der Sylvester hieße. Ist es nicht wahr, Jungfer Lieschen? Ordentliche Kleider sind kein ordentlicher Mann.
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