Das 41. Capitel.
Wenn im Mertzen Nebel fallen / so kommt den hunderten Tag hernach eine grosse Wasserfluth.

[342] Dieses ist eine von der Bauer-Physica ausgeheckte Geburt. Weil aber die Bauer-Physica und die Rocken-Philosophie zwey leibliche Schwestern sind, so mögen sich die Geschwister-Kinder gar wohl mit einander vertragen, und dahero habe ich dieses Gesippe auch immer zusammen oder unter einander gesetzt. Auf diesen iezt vorhabenden Punct halten theils Leute hier zu Lande so viel, daß sie auch wohl solten Wetten[342] anstellen / daß gewiß den hunderten Tag nach eingefallenem Mertzen-Nebel eine grosse Wasserfluth kommen werde. Allein es verhält sich in Wahrheit nicht so / sintemahl ich etliche Jahre mit allem Fleiß darauf gemercket habe. Der gantze Irrthum aber mag wohl meines Erachtens daher kommen, wenn offtmahls am Ende des Junii und die erste Helffte des Julii Regen-Wetter, wie auch starcke Gewitter kommen, und Wasserfluthen machen, da sichs denn ein und ander-mahl mag befunden haben, daß es eben am hunderten Tage, nachdem ein Nebel im Mertzen gewesen / geschehen ist, wiewohl die meisten, welche dieser Bauer-Physica nachhängen, es auf etliche wenige Tage nicht ankommen lassen. Wenn denn nun aber, derer leichtgläubigen Thoren ihrer Meynung nach, die Mertzen-Nebel gewiß gegen den hunderten Tag sollen grosse Wasser bedeuten, so müssen ohnfehlbar alle solche vorher bedeuteten Fluthen im Junio oder Julio kommen / dieweil zu solcher Zeit die hundert Tage nach dem Mertz-Monat eintreten. So frage ich demnach / woher denn diejenigen grossen Wasserfluthen sind bedeutet worden, welche im April, Majo, Augusto, September etc. zuweilen entstehen, weil doch diese keinesveges (ratione des hunderten Tages) von Mertzen-Nebeln können bedeutet seyn? Derohalben mache ich mir die unbetrüglichen Gedancken / daß sowohl die eingefallenen Nebel, als auch die andere Witterung im gantzen Jahre, ein jedes seine eigene Ursach aus der Constellation derer Planeten und andern[343] Würckungen des Himmels habe. Wenn ein Ungewitter vorbey ist, so geschicht es offt, daß die Sonne gantz helle hernach scheinet; iedoch zweifele ich, ob iemand so alber seyn und glauben wird, daß alle mahl ein Gewitter werde Sonnenschein bedeuten, weil man ja auch ohnzehlige Exempel weiß, daß es nach einem entstandenen Ungewitter oder Donner-Wetter wohl etliche Tage nach einander geregnet hat. Also auch, ob man gleich etliche mahl in Acht genommen hätte, daß hundert Tage nach eingefallenen Mertzen-Nebel eine Wasserfluth entstanden sey; so ist eben deswegen nicht gewiß zu vermuthen, daß es sich alle mahl also zutragen müsse. Ich weiß es aus der Erfahrung, daß dieser Punct nicht zutrifft.

Quelle:
Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken- Philosophie. 2 Bände, Chemnitz 1718 (Bd. 1), 1722 (Bd. 2), [Nachdruck Weinheim; Deerfield Beach, Florida 1987]., S. 342-344.
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