Denkmal in Wingolfs Halle

[80] Sanft fließe mein Lied, wie die schimmernde Zähre,

Wenn des bessern Lebens Ahnung

Durch die Seele mir bebt. Ich weihe der Freundschaft

Dies dankbare Lied. Nicht geschaffen, um stablos

Durch des Lebens Wüste zu wallen;

Gab mir Gott Freunde. Wie preis' ich den göttlichen Geber![80]

Gottesfreuden fühlst du, Bilder des Herzens,

Wenn der Bruder vor dem Bruder steht;

Wenn Herzblut seine Wange tuscht;

Wenn zarter Liebe Flamm' im Auge zuckt;

Wenn Freunde am Halse sich weinen,

Und im unnennbaren Wonnegefühl verstummen.

Auch mir gabst du dies Wonnegefühl;

Wie preis' ich dich, göttlicher Geber!


Als goldgelockter Knabe schon

Lag' ich den Brüdern am Busen, und horchte,

Wenn der Busen hörbar aufschlug

In den Sympathieen der Freundschaft;

Konnt' aber nicht sagen, wie so selig ich war.


Der Jugend Strahl verklärte mein Antlitz;

Da fand ich in Rhätiens Gauen

Unter den Jünglingen, Donauer, dich!

Mit der Siriusglut im Aug' und mit der Goldharf'.

Aber weh' mir, du Lieber, ich sah im Sarge dich liegen

Mit der blonden Lock' und der schweigenden Lippe.

Dich weinte Thilo, dein Lehrer. (Auch meiner war er!

Himmlischer Hüter, der um mich schwebt,

Eile und sag' es dem redlichen Lehrer,

Daß ich weinend ihm danke in des Kerkers Kluft.)

Nun irrt' ich Verlaßner, ein Schatten, umher

Und wies dem Himmel meine Wunde.


Am Strande der Pegniz kam Frieß, der Treue,

Träuft' in die offne Wunde Balsam und schwur mir

Auf meiner Väter Leichensteine

Der Freundschaft ewigen Bund!


Wer ist der Mann, der mit dem Lämmlein im Thal weidet?

Wie er so ruhig vom Antlitz

Der schönen Natur gen Himmel schaut!

Ihm horcht die Nachtigall, ihm lauscht die Lerche,

Wenn sein Lied voll Unschuld auf den Lippen ihm lächelt.

Ist's nicht mein Krauseneck, der mit dem Lämmlein weidet?[81]

Ja, ja, er ist's! Wie fromm ist seine Muse!

Dem betenden Mädchen gleicht sie,

Vom purpurnen Morgen geröthet;

Du schwurst mir, Edler, Freundschaft vor dem Himmel;

Gehalten hast du deinen großen Schwur.

Fern hörtest du des Freundes Fessel rasseln,

Da weintest du und deine Dafne mit.

Ich aber betete für dich

Auf meines Kerkers nachtbeströmtem Boden.


Böckh, der mit goldenem Stabe die Jugend

Durchs Labyrinth des Lebens leitet,

Und ihr zeigt der Wandrung Ziel,

Des Himmels goldne Pforte;

Nicht durchs Blut allein, – zerrinnt nicht Blut im Grabsand?

Durch des daurenden Geistes Züge gelockt,

Nenn' ich dich Freund! Es hör' es der Himmel!


Von eines Felsen Rücken sah Schülen, der Weise,

Gen Himmel, um unter den Sternen

Groß zu ziehen seinen Geist.

An seiner Seite staunt' ich; da nannt' er mich Freund.

Von der Leidenschaften Wuth,

Wie von der Windsbraut gewirbelt,

Verkannt' ich oft den Freund, der neben mir stand,

Und die Rechte mir bot.

Doch, als des Herzens Stürme sich legten,

Hob Miller mich aus dem schwankenden Kahne

Und umarmte mich träufelnd am Ufer.


O lohnt' es dem Sanften, dem Stillen,

Den des Seelenfriedens Maiennacht umsäuselt,

Lohn' ihm der Freundschaft Treue, Bilder des Herzens!


Kann ich schweigen von dir, Kazner,

Mann von schönem Geiste und schönerem Herzen,

Dem so manche That, im Sinne Christus' gethan,

Voran in die Ewigkeit flog, um Gestein

In deiner Krone zu werden?[82]


Auch Er, Müller, der Maler mit Flammen;

Er nehme die Feder, oder den Pinsel,

Streckt' aus der Ferne seinen Arm

Und schwur mir Freundschaft

Mit der Treue rauhem Handschlag.


Soll ich dich nennen, Fühler des Schönen,

Harmonischer Junker? – Und dich,

Groß, mit dem Bruderherzen,

Draus dir wie Goldthau

Des himmlischen Mitleids Zähre quillt? Dich,

Afsprung, Plato's Vertrauter,

Mit der Brutusseele, voll zürnender Wahrheit?

Und dich, Stäudlin, dem das Schlänglein Spott

Um die Lippe sich windet?

Ach, könnt' ich euch vergessen,

Harmonia's hohe Vertraute!

Dich, Saitenstürmer Lolli,

Und dich, Tonlenker Cannabich, dich!

(Vor Voglers Geiste beugt sich mein Genius,

Er belauschte der Natur allgebührenden Einklang.)

Schwebt nicht vor mir, Schwarz, deine Seele vorüber?

O du, der den murrenden Fagot

Zur Würde des Menschensangs hob?

Euch allen drückt' ich weinend die Hand

Und nannt' euch Brüder; o seid es mir ewig!


Auch in des Kerkers Schauernacht

Trat die Freundschaft, vom Himmel gesandt,

Und hellte meine Zährengrotte auf.

Hahn, o du mein Lehrer und Freund,

Kamst du nicht mit der Brudermiene zu mir,

Und zeigtest mir die Herrlichkeit Christus'?

Und unsrer Bestimmung Seraphsflug?

Von deines Geistes Blitz geleitet

Sah ich's in mancher Tiefe dämmern;

Hahn, o du mein Lehrer und Freund,

Sei mir gesegnet! Sei mir mit Thränen gesegnet! –


Unter dem Eisenharnisch des Krieges

Schlägt manches Herz lauter und heißer,[83]

Als unter der friedlichen Kutte.

Auch mir bot mancher Krieger die Hand:

Sein rauher Handschlag war mir theurer,

Als des Weichlings sammtner Händedruck.

Des Todes Gestalt ist gräulich;

Aber sich trennen von seinen Geliebten

Ohne des Wiedersehens Trost,

Wäre Gehenna's Fluch.


Doch ich werd' euch alle wieder finden!

Des ewigen Geistes geheimerer Lispel

Weissagt es mir; ich werd' euch alle

An der Lebensbäche duftenden Ufern

Wieder finden! Und auf ewig! Wonne,

Wo verjährter Sitte Zwang uns nimmer fesselt;

Wo das eiskalte Sie den Bruder nicht scheucht;

Wo im geselligen Du verschwisterte Seelen

Wie Thautropfen zusammenrinnen:

Ja, ich werd' euch, meines Herzens Erkorne,

Einst am Halse hangen; werde weinen

Des ewigen Bundes Zähre,

Der innigsten Freundschaft glühende Zähre.


So häng' denn hier, mein Saitenspiel,

An dieser braunen Wand!

Verstummt mit dem letzten bebenden Laute:

Freundschaft und Liebe!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 80-84.
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