Am 27sten Oktober 1814

[79] Ertönet, ihr Saiten,

In nächtlicher Ruh'

Und führet von weiten

Die Träume mir zu!

Schon hör' ich sie schallen

Im schwellenden Klang;

Sie füllen die Hallen

Mit Liebesgesang

Und wiegen und tragen

Den sinkenden Muth

Durch stürmisches Zagen

Auf tönender Fluth.


Die nimmer erklangen

Für Fürsten und Gold,

Jetzt sind sie gefangen

Um bitteren Sold

Und geben mit Freuden

Um kargen Gewinn[80]

Und reichliche Leiden

Ihr Köstlichstes hin.

Doch trifft auch die Lieder

Manch finsterer Blick,

Stets kehren sie wieder

Zur Herrin zurück.


O könnt' ich's ersingen,

Das goldene Ziel!

O könnt' ich's erringen

Im Schlachtengewühl!

Vergebens begegnen

Sich Leyer und Schwert;

Sie hält den Verwegnen,

Den Milden nicht werth.

Und gäb' ich für Liebe

Das Leben auch gern,

Stets bleibt er mir trübe,

Der freundliche Stern.


Gewagt und gewonnen!

Schrieb Mancher auf's Schwert;

Gewagt und zerronnen

Ist mir nur bescheert.

Doch laß' ich es wallen,

Das edle Panier,

Und soll es auch fallen,

So fall' es mit mir!

Denn würdig der Beute

Ist nimmer der Mann,

Der fliehend im Streite

Sein Leben gewann.
[81]

Mag schnell sich in Gluthen

Verzehren das Herz,

Und mag es verbluten

Im zaudernden Schmerz;

Ich nähre die Wunde,

Ich liebe mein Leid

Und lasse die Kunde

Der kommenden Zeit:

Die immer auf's neue

Das Herz ihm betrübt,

Die hat der Getreue

Noch sterbend geliebt.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 3, Leipzig 1819–1820, S. 79-82.
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