Kampf und Sieg

[236] Epilog zur Feier des 18ten Febr. 1814 im Familienkreise des königl. großbritt. hannöverschen Generals und Oberforstmeisters von Beaulieu.


Diana.


Schon wandl' ich lang verirrt auf rauhem Wege,

Im Hain, den sonst mein Fuß so gern betrat;

Verödet steht der Wald und ohne Pflege,

Die Pflanzung stirbt, der Dorn umstrickt den Pfad.

Kein Horn erschallt im dunkeln Jagd-Gehege,

Das sichre Wild vernichtet Wies' und Saat,

Und kaum erkenn' ich in der öden Wüste

Das Reich, das sonst so freundlich mich begrüßte.


Wohl hab ich längst dies Mißgeschick empfunden

Und weiß es wohl, wer meine Lust gestört;

Der theure Freund, er ist hinweg geschwunden,

Der sonst so treu die Herrscherin geehrt.

Er, der sich früh zu meinem Dienst verbunden,

Und dem ich selbst die heitre Kunst gelehrt. –

Ach! er verließ Dianen's muntre Spiele

Und zog hinweg zum rauhen Kampfgewühle!


Bellona ist's, die Trotzige, die Wilde,

Sie sammelte mit ihm die muth'ge Schaar,

Sie riß ihn fort zum blut'gen Kampfgefilde,

Zum Pfad des Ruhms, zum Pfade der Gefahr.[236]

Den Eichenkranz verschmäht der sonst so Milde,

Und windet kühn den Lorbeer in sein Haar, –

Sein eigen Glück, er hat es hingegeben,

Um sorgenvoll das Fremde zu erstreben.


O kehr zurück zu Deinen alten Eichen,

Wo nur zur Lust das helle Horn ertönt,

Wo freud'gem Spiel die kurzen Kämpfe gleichen,

Und Beute stets die leichte Mühe krönt.

Süß ist's zu ruh'n in schattigen Gesträuchen,

Am weichen Rand der Quellen hingelehnt,

Sich reulos dann des Sieges zu erfreuen

Den Brüder-Blut und Thränen nicht entweihen.


Bellona (tritt auf).


Du rufst umsonst! ich hab ihn mir erkoren,

Den tapfern Freund, und geb' ihn nicht zurück.

Der feige Mann wird besser nie geboren,

Der kühne nur erhascht das flücht'ge Glück,

Und naht bekränzt des Ruhmes goldnen Thoren,

Und ordnet selbst als Herrscher sein Geschick –

Wer Kraft empfing, zur Schlacht das Schwerdt zu heben,

Verschmäht die Ruh' und kämpft sich durch das Leben.


Wo laut im Streit die blut'gen Waffen klirren,

Da herrscht er kühn mit muthigem Gebot;

Wo rasch umher des Todes Pfeile schwirren,

Da steht er fest' und mächt'ger als der Tod.

Die Taube mag im dunkeln Haine girren,

Hoch schwebt der Aar im hellen Morgenroth,

Und schießt auf den, der ihn erzürnt hernieder,

Und kämpft, und siegt, und hebt sich prangend wieder.


[237] Diana.


Hab' ich nicht früh den Knaben schon erzogen

Und heitern Sinn in seiner Brust genährt?


Bellona.


Dir war der Jüngling, – mir war der Mann gewogen,

Die spätre Wahl beruht auf höherm Werth.


Diana.


Ich gab ihm Kraft, und lieh' ihm Pfeil und Bogen. –


Bellona.


Drum schwinge jetzt der Kräftige das Schwerdt!


Diana.


Du raubst den Schatz den ich so treu bewahrte –


Bellona.


Der Starke nimmt, was sich der Schwache sparte.


Diana.


So muß ich selbst, Geliebter, Dich beschwören,

O komm zurück', o flieh den wilden Streit!


Bellona.


Sey stark, mein Freund und laß Dich nicht bethören,

Wenn feige Ruh' die weiche Hand Dir beut.


Diana.


Auf, auf! zur Jagd! schon läßt das Horn sich hören,

Die Meute bellt, schon steht das Roß bereit.


Bellona.


Siehst Du, wie hell im Kampf die Waffen blinken?

Mir nach zum Sieg, wohin die Fahnen winken.


[238] Liebe tritt zwischen sie.


Was streitet ihr den Edlen zu gewinnen,

Der immer nur sich meinem Wink geschmiegt?

Ich darf nicht lang auf eit'le Künste sinnen,

Wo Tugend herrscht, da hab' ich schnell gesiegt.

Was Ihr gewährt, das schwindet bald von hinnen.

Mein Werk besteht, auch wenn der Staub verfliegt,

Und was Natur begann mit milden Händen,

Kann Liebe nur, die Göttliche, vollenden.


Schon früh hat er zu mir sich aufgeschwungen

Als ich sein Herz zur Prüfung mir erwählt,

Und hat mit sich und mit der Welt gerungen,

Und seine Brust zum wilden Kampf gestählt;

Und meine Gunst dem Schicksal abgezwungen,

Und seine Kraft mit meiner Huld vermählt, –

Drum schmückt' ich ihn, den edlen Sieg zu krönen,

Mit jedem Kranz des Hohen und des Schönen.


Am stillen Heerd hab ich ihn sanft umwaltet,

Im duft'gen Hain sein müdes Haupt gekühlt –

Manch holdes Bild der Zukunft ihm gestaltet,

Ihn tief erweicht und scherzend ihn umspielt. –

Durch mich nur hat sein Herz sich ganz entfaltet,

Durch mich allein gehandelt und gefühlt,

Trennt auch der Geist das Schön' in manchem Triebe,

Des Herz erkennt im Schönen nur die Liebe.


Sie kränzt ihr Haupt mit zarten Myrtenblättern,

Wenn kein Gewölk am blauen Himmel droht;

Sie rafft sich auf, und trotzt den wilden Wettern

Zum Tode stark, und treu bis in den Tod.[239]

Ist mächtig zum Erschaffen, zum Zerschmettern,

Ein Freund im Glück, ein Engel in der Noth –

Drum ward nur ihr von allen Himmelsmächten

Die Huth vertraut des Guten, des Gerechten.


So folge denn zum Streit mir jetzt der Kühne,

Mit mächt'gem Schild bedeck' ich meinen Freund;

Nicht ziemt es sich, daß er dem Frieden diene,

Wenn nur im Kampf mein schönes Ziel erscheint;

Wohl wiegt sich in dem Blüthenkelch die Biene,

Doch zückt sie auch den Stachel auf den Feind, –

Und Kraft und Milde muß das Herz verkünden,

Den sichern Weg zu meinem Thron zu finden.


Doch – wenn am Pol die Wolken sich zerstreuten,

Und hell empor des Friedens Glanz sich hebt, –

Dann will ich sanft zur Heimath ihn geleiten,

Wo süße Ruh sein friedlich Haus umschwebt;

Und heiter soll die Zukunft ihm entgleiten

Von süßem Thau aus meinem Kranz belebt, –

Und Unsern Zwist im Frieden auszusöhnen

Soll Lieb', und Ruhm, und Lust zugleich ihn krönen.

Quelle:
Ernst Schulze: Sämmtliche poetische Schriften, Band 4, Leipzig 1819–1820, S. 236-240.
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