Hans Koch von Ebingen

[287] Hans Koch, der veste Bürger sitzt

Zu Stuttgart in der Landschaft,

Ein guter Sinn und Seckel schützt

Die Ehre seiner Standschaft.

Er weiß, er hat ein eignes Haus,

Drum macht er sich so viel nicht draus,

Weg von der Brust zu sprechen.


Ein milder Herr der Ludwig ist,

Liebt seine Unterthanen,

Doch auch den Wein zu jeder Frist,

Und zecht, wie seine Ahnen.

Und weil er will des Volkes Heil,

So nehmen auch die Stände Theil

An manchem guten Mahle.


Einst sitzen sie bei ihm zu Tisch,

Hans Koch an seiner Seite;

Es ruft der Fürst: »Getrunken frisch!

Kraft braucht's zu neuem Streite!«

Da wehret sich ein jeder Stand,

Prälaten und das ganze Land

Zur Eintracht stimmt der Becher.


Herrn Hans verschwimmet Stand und Rang

Im weiten Meer des Weines;

»O Herre!« spricht er, gar nicht bang,

»Versprechet mir ein Kleines!

Wie mir's bei Euch gefallen hat,

Führt Euch der Weg durch meine Stadt,

Laßt's Euch bei mir gefallen!«


O weh, das kecke Wort verstört

Und schlägt die Zecher nieder,

Und ein Gehorsamsfieber fährt

Den Herrn durch alle Glieder.

Da tröstet sie des Herzogs Blick,

Er winkt mit gnädigem Genick:

»Wie sollt' ich's Euch versagen!«
[288]

Und friedlich nach dem frohen Schmaus

(Der Herr gab seinen Segen)

War bald der heiße Landtag aus,

Ging Jeder seiner Wegen,

Nach Ebingen der alte Hans,

Er mästet Schwein', er stoppt die Gans,

Er eichet alle Fässer.


Nach kaum zween Monden führt die Fahrt

Auf Hohentwiel den Fürsten;

Bei Ebingen im Tannenhart

Fängt es ihn an zu dürsten;

Da klopft es an des Hansen Thür:

»Lieb- und Getreuer, komm herfür,

Jetzt sollst du Wort mir halten!«


Und wie sich thun die Thüren auf,

Ist schon der Tisch gedecket,

Dem Fürsten und dem Dienerhauf,

Das Festmahl weidlich schmecket,

Der Herzog lehrt's den ganzen Hof,

Der Ritter trank, der Knappe sof,

Der Jagdhund kaut' am Troge.


»Ei Koch, ei Koch! Ihr seid ein Koch!

Ihr backet gute Krapfen!

Und wächst ein feines Weinlein doch

An euren Tannenzapfen.

Heil eurem Haus und ewig Ehr!

Nur Eines fehlt: was ist er leer

Der Platz zu meiner Rechten?«


»Das Beste kommt, o Herr, zuletzt!«

Spricht Hans mit tiefem Neigen.

»Mit bessrem Wein den Tisch besetzt!

Ihr Geiger, spielt den Reigen!«

Da thut sich auf ein Seitenthor,

Ein rosig Mägdlein tritt hervor,

Den Brautschmuck in den Haaren.
[289]

»Ei schauet,« ruft Herr Ludwig, »schaut!«

Er ruft's mit Wohlgefallen.

»So lang bargst du die schöne Braut,

Die Tochter in den Hallen?«

Da nimmt Herr Hans das süße Kind,

Das goldgeschmückte, führt geschwind

Dem Herzog es zur Seite.


»Ein Wittwer seid Ihr, Gott's erbarm!

Mein Haus ist ohne Schulden!

Schmuck ist mein Mägdlein, ist nicht arm,

Sie bringt Euch tausend Gulden!

Herr! euer ist die schöne Braut,

Für dieses Mahl Euch angetraut

Zu Euren rechten Handen!«


Der Herzog sieht sich an die Maid,

Ja, sie ist ohne Tadel.

Ihr reiner Leib in seidnem Kleid,

Er ist von Gottes Adel.

Drum schämet auch der Fürst sich nicht,

Sich mit dem schönen Kind verspricht

Auf dieses Mahles Freuden.


Er steckt ihr an ein Fingerlein1

Von lauteren Demanten,

Er setzt sie an die Seite sein

Beim Schall der Musikanten,

Und mit des reichen Mahls Beschluß

Darf sie dem Bräutigam den Kuß

In Ehren nicht verwehren.


Drauf sattelt man dem Herrn das Roß,

Er dankt von ganzer Seele,

Er lädt den Vater auf sein Schloß

Auf Gaumen und auf Kehle;

Nur auf dem Landtag, bittet er,

Da soll fortan der werte Schwäh'r

Den Schwiegersohn bedenken.

Fußnoten

1 »Fingerle« schwäbisch für: Fingerring.


Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 287-290.
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