Konradin

[345] Kaum ist der Frühling im Erwachen,

Es blüht der See, es blüht der Baum,

Es blüht ein Jüngling dort im Nachen,

Er wiegt sich in der Wellen Schaum.


Wie eine Rosenknospe hüllet

Ein junges Purpurkleid ihn ein,

Und unter einer Krone quillet

Sein Haar von güldenerem Schein.
[345]

Es irret auf den blauen Wellen

Sein sinnend Auge, wellenblau,

Der Leyer, die er schlägt, entschwellen

Gesänge von der schönsten Frau.


Des ersten Donners Stimmen hallen,

Im Süden blitzt es blutig rot;

Er läßt sein Lied nur lauter schallen,

Ihn kümmert nichts, als Liebesnot.


Und wenn er Minne sich errungen,

So holt er sich dazu den Ruhm,

Und herrscht, vom Lorberkranz umschlungen,

In seiner Väter Eigentum.


Kind! wie du stehst im schwanken Kahne,

So rufet dich ein schwanker Thron,

Vertrau' dem Schatten nicht, dem Ahne,

Verlaßner, armer Königssohn!


Du bist so stolz und unerschrocken,

Du sinkest, eh' du es geglaubt,

Es sitzt die Kron' auf deinen Locken,

Als träumte nur davon dein Haupt! –


Er höret keine Warnungsstimme,

Schwimmt singend auf dem Abgrund hin,

Was weiß er von des Sturmes Grimme?

Nach Lieb' und Leben steht sein Sinn.


So gieb ihm Leben, gieb ihm Liebe,

Du wonnevolles Schwabenland,

Verdopple deine Blütentriebe,

Knüpf' ihm der Minne sel'ges Band!


Es hat zu leben kurz der Knabe –

Hauch' ihm entgegen Lebensluft,

Durchwürze jede kleine Gabe

Mit ew'ger Jugend Blütenduft!


Mach' ihm den Augenblick zu Jahren,

Den er an diesen Ufern lebt,

Daß er mit ungebleichten Haaren

An Freude satt gen Himmel schwebt!
[346]

Was ist's? er läßt die Leyer fallen,

Er springt an's Ufer, greift zum Schwert,

O seht ihn über Alpen wallen

Mit treuen Männern, hoch zu Pferd!


Der Lust, der Liebe Lieder schweigen,

Er glüht von edlerem Gelüst;

Er will der Väter Thron besteigen –

Und wandelt auf das Blutgerüst.


Was willst du mit der Blumen Kranze

Du grünes seebespültes Land?

Was willst du, Luft, mit blauem Glanze?

Was willst du, leerer Kahn, am Strand?


Ihr schmücktet euch zu seiner Wonne,

Hin ist er ohne Wiederkehr!

Wirf einen Schleier um, o Sonne!

Der letzte Staufen ist nicht mehr.

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 345-347.
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