Der Gant

[365] Wie leuchten die Lichter im Schlosse so helle!

Herr Christoph von Ramstein, der frohe Geselle,

Er hält in dem Saale zum letztenmal Schmaus,

Denn morgen verkauft man ihm Güter und Haus.
[365]

Die Ahnen verthaten's, er hat's nicht verschuldet,

Was er nicht verbrochen, gelassen er duldet,

Geht lustig in's Elend, das Leid, er verzecht's,

Leicht endet der Letzte des leichten Geschlechts.


Doch daß er so fröhlich vom Gute kann scheiden,

Kein Kummer die Lust ihm des Lebens entleiden,

Das macht, ihn begleitet zur Hütt' aus dem Saal

Ein Engel des Himmels, ein lieblich Gemahl.


Kein Gram ihr umschattet die blauenden Augen,

Draus mag er sich Stralen der Hoffnung entsaugen;

Ihr bleichet kein Schmerz auf der Wange das Rot,

Ihr schwellet den Busen kein Seufzer der Not.


Drum weil er den Schatz sich, den edlen, gerettet,

So fühlt er auf Stroh wie auf Flaum sich gebettet,

Und wandelt am Morgen den traurigen Pfad,

Als flög' er zum Tanze, gen Basel zum Rat.


Das Haus und die Güter, die schönsten im Lande,

Er gab sie schon lange den Herren zum Pfande,

Sie sitzen mit Mantel und Kragen geschmückt,

Der Ritter vor ihnen entblößt und gebückt;


Und doch nicht gebeugt im zufriedenen Herzen;

Es schließt sich der Kauf unter Lachen und Scherzen,

Am Ende da spricht er: »Ihr würdigen Herrn,

Eins gebet mir drein, und eins hätt' ich so gern!


Die blinkenden Thaler, sie müssen ach! wandern;

Die goldenen Gülden gehören schon Andern;

Euch liegt in den Buden viel Glanz und viel Glast,

So schenkt mir ein einziges Stücklein Damast.


Ich selber, ich will nichts von Sammt und von Seiden,

Doch möcht' ich mein ehlich Gemahl mit bekleiden,

Sie ist wie ein Engel aus himmlischen Höhn,

Sie ist für den Kittel der Armut zu schön.«


Wohl rühret die Männer des Rates die Bitte,

Bei ehrlichen Bürgern ist gütige Sitte;

Und fließende Seide, gewichtig und echt,

Die macht ihm ein Schneider von Basel zurecht.
[366]

Und knapp an die quellenden Glieder sie fugend

Bekleidet der Ritter das Weib seiner Jugend,

Er führet sie unter das niedrige Dach,

Als tret' er mit ihr in ein Fürstengemach.


Er pflanzt und er erntet, sie webet und spinnet,

Sie lächelt so lieblich, er küßt und er minnet!

Wohl altert das Kleid, wohl verblüht das Gesicht,

Doch Liebe nicht weicht und Genüge weicht nicht.

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 365-367.
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