[212] Palast.
Thurio, Proteus und Julia treten auf.
THURIO.
Was sagt zu meinem Werben Silvia?
PROTEUS.
Oh, Herr, ich fand sie milder als bisher;
Doch hat sie viel an Euch noch auszustellen.
THURIO.
Was, daß mein Bein zu lang ist?
PROTEUS.
Nein; zu dünn.[212]
THURIO.
So trag' ich Stiefeln, daß es runder wird.
PROTEUS.
Was Liebe scheut, wer kann sie dazu spornen?
THURIO.
Und mein Gesicht?
PROTEUS.
Sie sagt, es sei zu weiß.
THURIO.
Da lügt der Schalk; denn mein Gesicht ist schwarz.
PROTEUS.
Doch weiß sind Perlen; und das Sprichwort sagt:
Ein schwarzer Mann ist Perl' in Damenaugen.
JULIA beiseit.
Ja, Perlen, die der Damen Augen kränken;
Denn lieber wegsehn, als auf sie zu blicken.
THURIO.
Gefällt ihr mein Gespräch?
PROTEUS.
Schlecht, redet Ihr von Krieg.
THURIO.
Doch gut, wenn ich von Lieb' und Frieden redet?
JULIA beiseit.
Am besten, sicher, wenn Ihr friedlich schweigt.
THURIO.
Was aber sagte sie von meinem Mut?
PROTEUS.
Oh, Herr, darüber hat sie keinen Zweifel.
JULIA beiseit.
Nicht nötig, weil sie seine Feigheit kennt.
THURIO.
Doch was von meiner Abkunft?
PROTEUS.
Daß Ihr sehr hoch herab gekommen seid.
JULIA beiseit.
Gewiß; vom Edelmann zum Narr'n herab.
THURIO.
Erwägt sie auch mein großes Gut?
PROTEUS.
Ja, mit Bedauern.
THURIO.
Weshalb?
JULIA beiseit.
Weil einem Esel es gehört.
PROTEUS.
Weil Ihr's nicht selbst verwaltet.
JULIA.
Hier kommt der Herzog.
Der Herzog tritt auf.
HERZOG.
Wie steht's, Herr Proteus? Thurio, wie steht's?
Wer von euch sah den Eglamour seit kurzem?
THURIO.
Ich nicht.
PROTEUS.
Ich auch nicht.
HERZOG.
Saht ihr Silvia?
PROTEUS.
Nein.
HERZOG.
So floh sie hin zu Valentin, dem Knecht;
Und Eglamour ist es, der sie begleitet.
Gewiß; denn Bruder Lorenz traf sie beide,
Als im Gebet er durch die Waldung ging;
Ihn kannt' er wohl und glaubt' auch, sie zu kennen;[213]
Doch macht' ihn ihre Maske ungewiß;
Auch gab sie vor, sie woll' am Abend beichten
In des Patricius Zell', und war nicht dort;
Durch diese Zeichen wird die Flucht bestätigt.
Deswegen, bitt' ich, weilt nicht lang beratend,
Nein, gleich zu Pferd; und trefft mich beide dort
Am Fuße des Gebirges, auf dem Hügel,
Der sich nach Mantua zieht: da flohn sie hin;
Beeilt euch, teure Herrn, und folgt mir nach!
Geht ab.
THURIO.
Nun ja, da haben wir das kind'sche Ding.
Die ihrem Glück entflieht, wenn es ihr folgt.
Nach! mehr, um mich an Eglamour zu rächen,
Als, weil ich Silvia noch, die Törin, liebe.
Geht ab.
PROTEUS.
Ich folge, mehr, weil Silvia meine Liebe,
Als Eglamour, der mit ihr geht, mein Haß!
Geht ab.
JULIA.
Ich folge, mehr, zu kreuzen diese Liebe,
Als Silvia hassend, die geflohn aus Liebe.
Geht ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Die beiden Veroneser
|
Buchempfehlung
In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.
82 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro