[252] Im Park.
Es treten auf die Prinzessin, Rosaline, Maria, Katharine, Boyet, Lords, Gefolge, ein Förster.
PRINZESSIN.
War das der König, der sein Pferd so scharf
Die jähe Höh' des Hügels spornt hinan? –
BOYET.
Ich weiß nicht, doch ich glaub', ein andrer war's.
PRINZESSIN.
Wer es auch sei, aufstrebend zeigt er sich.
Nun, heut, ihr Herrn, empfahn wir den Bescheid,
Und Samstag kehren wir nach Frankreich heim. –
Jetzt, lieber Förster, zeigt uns das Gehölz;
Wo stellt Ihr uns, daß wir den Mörder spielen?
FÖRSTER.
Hier in der Näh', am Saum des Unterholzes;
Der Stand ist gut, Ihr habt den schönsten Schuß.
PRINZESSIN.
Der Schönheit Preis! Die Schöne tut den Schuß,
Und drum mit Recht sprichst du vom schönsten Schuß.
FÖRSTER.
So, Gnäd'ge, hab' ich's nicht gemeint, verzeiht! –
PRINZESSIN.
Wie, hast du schon dein erstes Lob bereut? –
O kurzer Ruhm! Nicht schön? O Herzeleid! –
FÖRSTER.
Ja, Fürstin, schön! –
PRINZESSIN.
O laß die Schminke ruhn;
Wo Schönheit fehlt, ist Schmeicheln eitles Tun.
Hier, lieber Spiegel, für die Wahrheit nimm es,
Zu schöner Lohn als Zahlung für so Schlimmes!
FÖRSTER.
In Euch hat einzig Schönheit sich gebettet.
PRINZESSIN.
Seht, wie ein Goldstück meine Schönheit rettet!
O Schönheitsketzerei, der Zeiten wert;
Wenn sie nur schenkt, wird jede Hand verehrt.
Doch jetzt zur Jagd; wenn Sanftmut töten muß,[252]
Schilt sie auf jeden gut gezielten Schuß;
So bleibt mein Ruf als Schützin unversehrt,
Denn, treff' ich nicht, hat Mitleid mir's gewehrt;
Treff' ich, wohlan, so muß der Tadel schweigen,
Ich tat es nur, euch meine Kunst zu zeigen.
Unleugbar ist's, und die Erfahrung lehrt,
Wie Ruhmsucht zum Verbrechen sich entehrt;
Um Lob und Preis, um nichtige Erscheinung,
Entsagen wir des Herzens beßrer Meinung:
Wie meine Hand um Lob zu töten denkt
Das arme Wild, das mich doch nie gekränkt.
BOYET.
Hat's auch der Ehrgeiz ihnen eingegeben,
Wenn böse Frau'n nach Eigenherrschaft streben
Als Herrn des Eheherrn? –
PRINZESSIN.
Ehrgeiz allein; und Ehr' und Preis gebührt
Jedweder Frau, die ihren Herrn regiert.
Schädel tritt auf.
PRINZESSIN. Hier kommt ein Bürger unsrer Republik.
SCHÄDEL. Schönen guten Abend! Um Vergebung, welches ist die Hauptdame? –
PRINZESSIN. Die kannst du an den übrigen erkennen, mein Freund, die ohne Haupt sind.
SCHÄDEL. Welches ist die größte Dame? Die höchste? –
PRINZESSIN. Die dickste und die längste.
SCHÄDEL.
Die dickste und die längste! Nun ja, was wahr, bleibt wahr.
Ließ' Eure Taille schmal und leicht sich wie mein Witz umfassen,
So möchte von den Fräulein hier Euch jeder Gürtel passen.
Seid Ihr nicht die Hauptdame? Die dickste seid Ihr gewiß!
PRINZESSIN.
Was wollt Ihr, Freund? Was wollt Ihr?
SCHÄDEL.
Dem Fräulein Rosaline schrieb diesen Brief Mylord Biron.
PRINZESSIN.
Geschwindden Brief, den Brief; den Schreiber kenn'ich schon.
Wart', Freund! – Boyet, ich weiß, Ihr habt im Tranchieren Geschick;
Legt mir dies Hühnchen vor![253]
BOYET.
Ich gehorch' Euch im Augenblick. –
Der Brief ging fehl, von uns ward er keinem zugedacht;
Er ist für Jacquenetta.
PRINZESSIN.
Doch weil er uns gebracht,
Brich nur dem Wachs das Genick; nun lies, ihr alle gebt acht!
BOYET liest. »Beim Himmel, daß Du schön, ist untrugschlüßlich; wahr, daß Du reizend; Wahrhaftigkeit selbst, daß Du lieblich. O Du, schöner denn schön, reizender denn reizend, wahrhaftiger denn Wahrhaftigkeit selber, habe Erbarmung mit Deinem heroischen Vasallen! Der durchlauchtigste und allergroßmächtigste König Kophetua warf ein Auge auf die schelmische und unzweifelhafte Bettlerin Zenelophon: und eben derselbige war es, der da mit Fug konnte ausrufen: veni, vidi, vici; welches, dafern wir's zersetzen in Volkssprache (o niedrige und dunkle Volkssprache!), so viel als videlicet: er kam, sah und überwand. Er kam, eins; sah, zwei; überwand, drei. Wer kam? der König; weshalb kam er? zu sehen; weshalb sah er? zu überwinden; zu wem kam er? zu der Bettlerin; wen sah er? die Bettlerin; wen überwand er? die Bettlerin. Der Erfolg ist Sieg; auf wessen Seite? des Königs; die Gefangennehmung bereichert, auf wessen Seite? der Bettlerin. Die Katastrophe ist eine Vermählungsfeier, auf wessen Seite? des Königs? – Nein, auf beiden in einer, oder einer in beiden Seiten. Ich bin der König, denn so fodert es das Gleichnis; Du die Bettlerin, denn so zeuget Deine Niedrigkeit. Soll ich Deine Liebe erheischen? ich könnte es; soll ich Deine Liebe erzwingen? ich dürfte es; soll ich um Deine Liebe werben? ich will es. Was wirst Du eintauschen für Litzen? Spitzen; für Bürden? Würden; für Dich? – Mich! – Also, entgegenharrend Deiner Replik, profanier' ich meine Lippen an Deinen Fuß, meine Augen an Dein Konterfei, und mein Herz an Dein Allenthalb; Dein in der innigsten Dahingebung der Dienstbeflissenheit Don Adriano de Armado.«
Also brüllt des Nemäerlöwen Schlund
Nach dir, du Lamm, das seiner Mordlust Ziel;
Vor seinem stolzen Fuß sink' auf den Grund,
Und von dem Raubzeug neigt er sich zum Spiel.[254]
Doch sträubst du dich, was wird aus dir, o Seele?
Fraß seiner Wut, Proviant für seine Höhle.
PRINZESSIN.
Wer ist der Wetterhahn, der Federbusch, der Quast?
Hörtet Ihr Beßres je? Wer hat den Brief verfaßt?
BOYET.
Wenn ich mich recht besinne, kenn' ich den harten Stil.
PRINZESSIN.
Ja, nennt ihn so! Selbst Knittel wär' immer nicht zu viel.
BOYET.
Armado ist's, ein Spanier, ein abgeschmackter Held,
Ein Phantast, ein Monarcho, dem König zugesellt
Und seinen Buchgenossen.
PRINZESSIN.
Mein Freund, hör' auf ein Wort!
Wer gab dir jenen Brief?
SCHÄDEL.
Wie ich Euch sagte, Mylord.
PRINZESSIN.
Wem solltest du ihn geben?
SCHÄDEL.
Von ihm an jenes Fräulein.
PRINZESSIN.
Von wem an welches Fräulein? –
SCHÄDEL.
Vom gnäd'gen Herrn Biron bin ich hieher gesandt.
An eine Dam' aus Frankreich, Lady Rosaline genannt.
PRINZESSIN.
Der Brief ward falsch bestellt. Ihr Herren, fort von hier;
Begnüge dich, mein Kind: bald wird der rechte dir.
Die Prinzessin mit ihrem Gefolge geht ab.
BOYET.
O sprich, wer ist der Geschoßne?
ROSALINE.
Sag' ich's Euch frei und offen? –
BOYET.
Ja, Ausbund aller Schönheit.
ROSALINE.
Der Hirsch, den sie getroffen.
Schön abpariert! –
BOYET.
Die Prinzessin schießt nach Hornwild, doch wirst du einst heiraten,
Zehn gegen eins, daß in dem Jahr die Hôrner trefflich geraten.
Pariere den! –
ROSALINE.
So hört, ich bin die Geschoßne.
BOYET.
Und wer ist der Jäger allhier? –
ROSALINE.
Er trägt sein Horn an der Hüfte, und nicht am Kopf wie Ihr.
Pariere den! –
MARIA.
Ihr ruht nicht, bis sie Euch trifft; wahrt Euch die Stirn mit dem Hut!
BOYET.
Sie selber traf man tiefer schon: nicht wahr, da zielt' ich gut?[255]
ROSALINE. Soll ich gegen dich anrücken mit einem alten Reim, der schon ein Mann war, als König Pipin von Frankreich noch als ein kleiner Bube herumlief, was das Treffen anbelangt?
BOYET. Wenn ich mich verschanzen darf mit einem ebenso alten, der ein Weib war, als Königin Ginevra von Britannien noch ein kleines Mädchen, was das Treffen anbelangt?
ROSALINE.
Du kannst nicht treffen, treffen, treffen,
Du kannst nicht treffen, mein guter Hans.
BOYET.
Schon gut, ich kann nicht, kann nicht, kann nicht;
Kann ich's nicht, nun, ein andrer kann's.
Rosaline und Katharine ab.
SCHÄDEL.
Beim Element, recht lustig! – Wie gut die beiden sich hielten!
MARIA.
Die Scheiben trafen sie trefflich, sooft sie zusammenzielten.
BOYET.
Die Scheiben, sagt Ihr, Fräulein? Nun, daß wir nichts vergessen,
Der Scheibe gebührt ein Pflock, um recht den Schuß zu messen.
MARIA.
O weit nach links gefehlt! – Ihr seid jetzt nicht bei der Hand.
SCHÄDEL.
Jawohl, um die Mitte zu treffen, nehmt näher Euren Stand!
BOYET.
Ich nicht bei der Hand? Dann zeigt mir, wie Ihr den Pfeil regiert?
SCHÄDEL.
Gebt acht! Sie gewinnt den Kernschuß, der Pflock wird ruiniert.
MARIA.
Kommt, kommt, Ihr sprecht zu gröblich, den Anstand ganz verletzend!
SCHÄDEL.
Ihr trefft sie weder mit Schuß noch Stich, das Spiel ist nicht ergötzend.
BOYET.
So flücht' ich vor dem rauhen Kampf, mich dort zur Ruhe setzend.
Boyet und Maria gehn ab.
SCHÄDEL.
Mein' Seel', ein blöder Schäfer! Ein rechter simpler Tropf! –
O je, wie hieben die Damen und ich ihn über den Kopf![256]
Blitz, welche niedliche Späße! Der Witz wie korrupt und zierlich!
Wenn's so glatt von der Zunge haspelt, so recht obszön und manierlich!
Narmado auf einer Seite, – welch nobler, preislicher Held!
Wie er sich spreizt vor den Fräuleins! Wie hübsch er den Fächer hält,
Und küßt sich im Gehn die Hand! Und versteht sich auf Schwüre so sauber!
Dann auf der andern sein Page, wie sticht er Euch Silbe um Silbe,
Die kleine Hand voll Witz! die stolze pathetische Milbe!
Jagdgeschrei hinter der Szene: »Holla! Holla!« Schädel geht ab.
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