Sechste Szene

[540] Ebendaselbst. Der Wirt und Herr Fenton treten auf.


WIRT. Laßt mich gehn, Herr Fenton; ich bin ganz mißmütig, ich mag mich um nichts kümmern. –

FENTON.

So hör' mich nur. Hilf mir in meinem Plan,

Und auf mein Ehrenwort, ich zahle bar

Dir hundert Pfund in Gold, mehr als dein Schade.

WIRT. Ich will Euch anhören, Herr Fenton, und will Euch wenigstens reinen Mund halten.

FENTON.

Von Zeit zu Zeit hab' ich dir schon erzählt,

Wie sehr ich unser schönes Annchen liebe:

Und sie erwidert gleichfalls meine Neigung

(So weit sie selber für sich wählen darf)

Nach Herzenswunsch. Sie schrieb ein Briefchen mir

Von solchem Inhalt, daß dich's wundern wird.

Der Spaß verknüpft sich so mit meiner Sache,

Daß keins von beiden einzeln deutlich wird,

Erklär' ich beides nicht. Der dicke Falstaff

Hat eine große Szene: lies umständlich

Den Plan des Scherzes hier. Nun, liebster Wirt.

Bei Hernes Eiche, grad' um Mitternacht,

Tritt Annchen auf als Feenkönigin;

Weshalb, das findst du hier. In dieser Maske.

Derweil noch andrer Spaß im Schwange geht,

Befiehlt ihr Vater, soll sie insgeheim

Mit Schmächtig fort sich schleichen und in Eton

Sich trauen lassen: sie hat eingewilligt.

Nun, Freund,

Die Mutter, dieser Heirat ganz entgegen,

Und eifrig für den Doktor, hat im Sinn,

Daß der sie gleichfalls heimlich weg soll stehlen

(Weil Spaß und Lust der andern Sinn zerstreut)

Und in der Dechanei sich trauen lassen,

Wo schon ein Priester harrt. Dem Plan der Mutter

Scheinbar gehorsam, hat sie auch dem Doktor

Ihr Wort gegeben. Nun verhält sich's so:[540]

Der Vater will, daß sie sich kleid' in Weiß;

Und in der Tracht, wann Schmächtig seine Zeit

Sich ausersehn, soll sie die Hand ihm geben

Und mit ihm gehn. Die Mutter aber fodert,

Um besser sie dem Doktor zu bezeichnen

(Denn alles soll vermummt sein und maskiert),

Daß hübsch in Grün ein weites Kleid sie schmücke,

Mit weh'nden Bändern, flatternd um das Haupt;

Und find't der Doktor die gelegene Zeit,

Soll er die Hand ihr kneipen: auf den Wink

Versprach das Mädchen, mit ihm fortzugehn.

WIRT.

Und wen betrügt sie? Vater oder Mutter?

FENTON.

Nun, beide, Freund, und geht davon mit mir.

Und jetzt das Hauptstück: Schaffe du den Pfarrer

Uns in die Kirche, zwischen zwölf und eins,

Der mit der Ehe heil'gem Siegel uns

Die Herzen unauflöslich soll vereinen.

WIRT.

Gut, fördert Euern Plan: ich geh' zum Pfarrer;

Bringt nur die Braut, am Priester soll's nicht fehlen.

FENTON.

So werd' ich dir auf ewig dankbar sein

Und außerdem noch reich dich erst beschenken.


Sie gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 540-541.
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