[748] Die Seeküste.
Antonio und Sebastian treten auf.
ANTONIO. Wollt Ihr nicht länger bleiben? und wollt auch nicht, daß ich mit Euch gehe?
SEBASTIAN. Mit Eurer Erlaubnis, nein. Meine Gestirne schimmern dunkel auf mich herab: die Mißgunst meines Schicksals könnte vielleicht das Eurige anstecken. Ich muß mir daher Eure Einwilligung ausbitten, meine Leiden allein zu tragen. Es wär' ein schlechter Lohn für Eure Liebe, Euch irgend etwas davon aufzubürden.
ANTONIO. Laßt mich doch noch wissen, wohin Ihr Euren Weg richtet.
SEBASTIAN. Nein, Herr, verzeiht mir! Die Reise, die ich vor habe ist nichts als ein toller Einfall. Doch werde ich an Euch einen vortrefflichen Zug von Bescheidenheit gewahr, daß Ihr mir nicht abnötigen wollt, was ich zu verschweigen wünsche; um so eher verbindet mich gute Sitte, mich Euch zu offenbaren. Mein Vater war der Sebastian von Metelin, von dem Ihr, wie ich weiß, gehört habt. Er hinterließ mich und eine Schwester, beide in einer Stunde geboren: hätt' es dem Himmel gefallen, so wollt' ich, wir hätten auch so geendigt! Aber dem kamt Ihr zuvor: denn etwa eine Stunde, ehe Ihr mich aus dem Schiffbruch rettetet, war meine Schwester ertrunken.
ANTONIO. Guter Himmel!
SEBASTIAN. Sie war ein Mädchen, das, ob man gleich sagte, sie sehe mir sehr ähnlich, von vielen für schön gehalten ward; aber konnt' ich auch darin nicht mit so übertriebner Bewund'rung[748] einstimmen, so darf ich doch kühnlich behaupten, ihr Gemüt war so geartet, daß der Neid es selbst schön nennen mußte. Sie ertrank in der salzigen Flut, ob ich gleich ihr Andenken von neuem damit zu ertränken scheine.
ANTONIO. Verzeiht mir, Herr, Eure schlechte Bewirtung!
SEBASTIAN. O bester Antonio, vergebt mir Eure Beschwerden!
ANTONIO. Wenn Ihr mich nicht für meine Liebe umbringen wollt, so laßt mich Euern Diener sein!
SEBASTIAN. Wenn Ihr nicht zerstören wollt, was Ihr getan, nämlich den umbringen, den Ihr gerettet habt, so verlangt es nicht! Lebt ein für allemal wohl! Mein Herz ist voller Zärtlichkeit, und ich habe noch so viel von der Art meiner Mutter an mir, – wenn Ihr mir noch den geringsten Anlaß gebt, werden meine Augen davon überfließen. Ich will zum Hofe des Grafen Orsino: lebt wohl! Ab.
ANTONIO.
Mög' aller Götter Milde dich geleiten! –
Ich hab' am Hof Orsinos viele Feinde,
Sonst ging' ich nächstens hin, dich dort zu sehn.
Doch mag's drum sein! Du liegst mir so am Herzen,
Ich will zu dir, und mit Gefahren scherzen.
Ab.
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