[53] Northampton. Ein Zimmer in der Burg.
Hubert und zwei Aufwärter treten auf.
HUBERT.
Glüh' mir die Eisen heiß, und stell' du dann
Dich hinter die Tapete; wenn mein Fuß
Der Erde Busen stampft, so stürzt hervor
Und bind't den Knaben, den ihr bei mir trefft,
Fest an den Stuhl! Seid achtsam! Fort und lauscht!
ERSTER AUFWÄRTER.
Ich hoff', Ihr habt die Vollmacht zu der Tat.
HUBERT.
Unsaubre Zweifel! Fürchtet nichts, paßt auf!
Aufwärter ab.
Kommt, junger Bursch', ich hab' Euch was zu sagen.
Arthur tritt auf.
ARTHUR.
Guten Morgen, Hubert!
HUBERT.
Guten Morgen, kleiner Prinz!
ARTHUR.
So kleiner Prinz mit solchem großen Anspruch,
Mehr Prinz zu sein als möglich. Ihr seid traurig.
HUBERT.
Fürwahr, ich war schon lust'ger.
ARTHUR.
Liebe Zeit!
Mich dünkt, kein Mensch kann traurig sein als ich:
Doch weiß ich noch, als ich in Frankreich war,
Gab's junge Herrn, so traurig wie die Nacht,
Zum Spaße bloß. Bei meinem Christentum!
Wär' ich nur frei und hütete die Schafe,
So lang der Tag ist, wollt' ich lustig sein.
Und das wollt' ich auch hier, besorgt' ich nicht,
Daß mir mein Oheim noch mehr Leid will tun.[53]
Er fürchtet sich vor mir und ich vor ihm:
Ist, daß ich Gottfrieds Sohn war, meine Schuld?
Nein, wahrlich nicht: und, Hubert, wollte Gott,
Ich wär' Eu'r Sohn, wenn Ihr mich lieben wolltet.
HUBERT beiseit.
Red' ich mit ihm, so wird sein schuldlos Plaudern
Mein Mitleid wecken, das erstorben liegt:
Drum will ich rasch sein und ein Ende machen.
ARTHUR.
Seid Ihr krank, Hubert? Ihr seht heute blaß:
Im Ernst, ich wollt'. Ihr wärt ein wenig krank,
Daß ich die Nacht aufbliebe, bei Euch wachte.
Gewiß, ich lieb' Euch mehr, als Ihr mich liebt. –
HUBERT.
Sein Reden nimmt Besitz von meinem Busen.
Lies, junger Arthur! –
Zeigt ihm ein Papier. Beiseit.
Nun, du töricht Wasser?
Du treibst die unbarmherz'ge Marter aus?
Ich muß nur kurz sein, daß Entschließung nicht
Dem Aug' entfall' in weichen Weibestränen. –
Könnt Ihr's nicht lesen? Ist's nicht gut geschrieben?
ARTHUR.
Zu gut zu solcher schlimmen Absicht, Hubert.
Müßt Ihr mir ausglühn meine beiden Augen
Mit heißem Eisen?
HUBERT.
Junger Knab', ich muß.
ARTHUR.
Und wollt Ihr?
HUBERT.
Und ich will.
ARTHUR.
Habt Ihr das Herz? Als Euch der Kopf nur schmerzte,
So band ich Euch mein Schnupftuch um die Stirn,
Mein bestes, eine Fürstin stickt' es mir,
Und niemals fodert' ich's Euch wieder ab;
Hielt mit der Hand den Kopf Euch mitternachts,
Und wie der Stunde wachsame Minuten
Ermuntert' ich die träge Zeit beständig,
Frug bald: »Was fehlt Euch?« und: »Wo sitzt der Schmerz?«
Und bald: »Was kann ich Euch für Liebes tun?«
Manch armen Manns Sohn hätte still gelegen
Und nicht ein freundlich Wort zu Euch gesagt;
Doch Euer Krankenwärter war ein Prinz.
Ihr denkt vielleicht: das war nur schlaue Liebe,
Und nennt es List? Tut's, wenn Ihr wollt; gefällt es[54]
Dem Himmel, daß Ihr mich mißhandeln müßt,
So müßt Ihr. – Wollt Ihr mir die Augen blenden?
Die Augen, die kein einzig Mal Euch scheel
Ansahn, noch ansehn werden?
HUBERT.
Ich hab's geschworen,
Und ausglühn muß ich sie mit heißem Eisen.
ARTHUR.
Ach! niemand tät' es, wär' die Zeit nicht eisern!
Das Eisen selbst, obschon in roter Glut,
Genaht den Augen, tränke meine Tränen,
Und löschte seine feurige Entrüstung
In dem Erzeugnis meiner Unschuld selbst;
Ja, es verzehrte sich nachher in Rost,
Bloß weil sein Feuer mir das Aug' verletzt.
Seid Ihr denn härter als gehämmert Eisen?
Und hätte mich ein Engel auch besucht
Und mir gesagt, mich werde Hubert blenden,
Ich hätt' ihm nicht geglaubt: niemand als Euch.
HUBERT stampft.
Herbei!
Aufwärter kommen mit Eisen, Stricken usw.
Tut, wie ich euch befahl!
ARTHUR.
O helft mir, Hubert! Helft mir! Meine Augen
Sind aus schon von der blut'gen Männer Blicken.
HUBERT.
Gebt mir das Eisen, sag' ich, bindet ihn!
ARTHUR.
Was braucht Ihr, ach! so stürmisch rauh zu sein?
Ich will nicht sträuben, ich will stockstill halten.
Ums Himmels willen, Hubert! Nur nicht binden!
Nein, hört mich, Hubert, jagt die Männer weg,
Und ich will ruhig sitzen, wie ein Lamm;
Will mich nicht rühren, nicht ein Wörtchen sagen,
Noch will ich zornig auf das Eisen sehn.
Treibt nur die Männer weg, und ich vergeb' Euch,
Was Ihr mir auch für Qualen antun mögt.
HUBERT.
Geht! Tretet ab, laßt mich allein mit ihm!
ERSTER AUFWÄRTER.
Ich bin am liebsten fern von solcher Tat.
Aufwärter ab.
ARTHUR.
O weh: so schalt ich meinen Freund hinweg.
Sein Blick ist finster, doch sein Herz ist mild. –[55]
Ruft ihn zurück, damit sein Mitleid Eures
Beleben mag!
HUBERT.
Komm, Knabe, mach' dich fertig!
ARTHUR.
So hilft denn nichts?
HUBERT.
Nichts, als dich blenden lassen.
ARTHUR.
O Himmel! Säß' Euch was im Auge nur,
Ein Korn, ein Stäubchen, eine Mück', ein Haar,
Was irgend nur den edeln Sinn verletzt!
Dann, fühltet Ihr, wie da das Kleinste tobt,
Müßt' Euch die schnöde Absicht greulich scheinen.
HUBERT.
Verspracht Ihr das? Still! Haltet Euren Mund!
ARTHUR.
Hubert, die Rede zweier Zungen spräche
Noch nicht genugsam für ein Paar von Augen:
Laßt mich den Mund nicht halten, Hubert, nein!
Und wollt Ihr, schneidet mir die Zunge aus,
Wenn ich die Augen nur behalten darf:
O schonet meine Augen! sollt' ich auch
Sie nie gebrauchen, als Euch anzuschaun.
Seht, auf mein Wort! Das Werkzeug ist schon kalt
Und würde mir kein Leid tun.
HUBERT.
Ich kann's glühen, Knabe.
ARTHUR.
Nein, wahrlich nicht: das Feuer starb vor Gram,
Daß es, bestimmt zum Wohltun, dienen soll
Zu unverdienten Qualen. Seht nur selbst!
Kein Arges ist in dieser glüh'nden Kohle,
Des Himmels Odem blies den Geist ihr aus
Und streute Aschen auf ihr reuig Haupt.
HUBERT.
Mein Odem kann sie neu beleben, Knabe.
ARTHUR.
Wenn Ihr das tut, macht Ihr sie nur erröten
Und über Eu'r Verfahren glühn vor Scham.
Ja, sie würd' Euch vielleicht ins Auge sprühn,
Und wie ein Hund, den man zum Kampfe zwingt,
Nach seinem Meister schnappen, der ihn hetzt.
Was Ihr gebrauchen wollt, mir weh zu tun,
Versagt den Dienst; nur Euch gebricht das Mitleid,
Das wildes Feu'r und Eisen hegt, Geschöpfe,
Zu unbarmherz'gen Zwecken ausersehn.[56]
HUBERT.
Gut, leb'! Ich will dein Auge nicht berühren
Für alle Schätze, die dein Oheim hat.
Doch schwur ich drauf und war entschlossen, Knabe,
Mit diesem Eisen hier sie auszubrennen.
ARTHUR.
Nun seht Ihr aus wie Hubert! All die Zeit
Wart Ihr verkleidet.
HUBERT.
Still! Nichts mehr! Lebt wohl!
Eu'r Oheim darf nicht wissen, daß Ihr lebt;
Ich will die Spürer mit Gerüchten speisen,
Und, holdes Kind, schlaf' sorgenlos und sicher,
Daß Hubert für den Reichtum aller Welt
Kein Leid dir tun will.
ARTHUR.
O Himmel! Dank Euch, Hubert!
HUBERT.
Nichts weiter! Still hinein begleite mich!
In viel Gefahr begeb' ich mich für dich.
Beide ab.
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König Johann
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