[455] Das französische Lager.
Der Dauphin, Orleans, Rambures und andre treten auf.
ORLEANS.
Der Sonnenschein vergoldet unsre Waffen;
Wohlauf, ihr Herrn!
DAUPHIN.
Montez à cheval! Mein Pferd! Valet! laquais! Ha!
ORLEANS.
O wackrer Mut!
DAUPHIN.
Via! – les eaux et la terre –
ORLEANS.
Et puis? L'air et le feu –
DAUPHIN.
Ciel! Vetter Orleans!
Der Connetable tritt auf.
Nun, Herr Connetable?
CONNETABLE.
Horcht, wie die Rosse wiehern auf den Sprung!
DAUPHIN.
Besteigt sie und zerschneidet ihre Haut,
Daß ihr heiß Blut in Feindes Augen spritze
Und lösche sie mit überflüss'gem Mut.
RAMBURES.
Wie? Soll er Blut von unsern Pferden weinen?
Wie säh' man seine eignen Tränen denn?
Ein Bote tritt auf.
BOTE.
Die Feinde stehn in Reih'n, ihr fränk'schen Pairs.
CONNETABLE.
Zu Pferd, ihr wackern Prinzen! Flugs zu Pferd!
Seht nur die hungrige und arme Schar,
Eu'r schöner Schein saugt ihre Seelenweg
Und läßt von Männern ihnen nur die Hülsen.
Für unsre Händ' ist nicht genug zu tun,
Kaum Blut genug in ihren kranken Adern,
Um jeden nackten Säbel zu beflecken,
Die unsre fränk'schen Braven heute ziehn
Und, weil's an Beute fehlt, einstecken werden.[455]
Laßt uns nur auf sie hauchen, und es stürzt
Der Dunst von unsrer Tapferkeit sie um.
's ist ausgemacht ohn' alle Frage, Herrn,
Daß unser überflüss'ger Troß und Bauern,
Die, unnütz tätig, unsre Schlachtgeschwader
Umschwärmen, g'nügen würden, dieses Feld
Von solchem jämmerlichen Feind zu säubern,
Wenn wir auch auf des Berges Grund bei an
Zu müß'gem Zuschaun Posten fassen wollten,
Was Ehre nicht erlaubt. Was soll ich sagen?
Ein kleines, kleines Wenig laßt uns tun,
Und alles ist getan. Laßt die Trompeten,
Daß aufgesessen werde, lustig blasen:
Denn unser Nahn soll so das Feld erschrecken,
Daß England sich in Furcht soll niederstrecken.
Grandpre tritt auf.
GRANDPRE.
Was wartet ihr so lang', ihr fränk'schen Edlen?
Die Insel-Äser dort, an ihrer Haut
Verzweifelnd, stehn dem Felde scheußlich an;
Die lump'gen Fahnen hängen ärmlich los,
Und höhnend schüttelt unsre Luft sie durch.
Mars scheint bankrott in ihrem Bettelheer
Und blickt nur matt durch rostige Visiere.
Die Reiter scheinen aufgesteckte Leuchter
Mit Kerzen in der Hand; es hängt der Kopf,
Und schlottert Hüft' und Haut den armen Mähren,
Aus den erstorbnen Augen tränt der Schleim,
Und in den bleichen, schlaffen Mäulern liegt
Das Kettgebiß, von dem zerkäuten Grase
Beschmutzet, ruhig und bewegungslos.
Und ihre Henker fliegen über ihnen,
Die frechen Kräh'n, die Stunde kaum erwartend.
Beschreibung kann sich nicht in Worte fügen,
Das Leben solcher Schlachtordnung zu schildern,
Im Leben leblos, wie sie selbst sich zeigt.
CONNETABLE.
Sie haben ihr Gebet schon hergesagt
Und sind zum Tod bereit.[456]
DAUPHIN.
Sagt, soll'n wir ihnen Kost und frische Kleider
Und Fütt'rung für die magern Pferde senden,
Und dann mit ihnen fechten?
CONNETABLE.
Ich wart' auf meine Wacht nur; fort, ins Feld!
Ich nehme 'ner Trompet' ihr Fähnlein ab
Und brauch's in meiner Eil'. Kommt, macht euch auf!
Die Sonn' ist hoch, versäumt nicht ihren Lauf.
Alle ab.
Ausgewählte Ausgaben von
König Heinrich V.
|
Buchempfehlung
Nach einem schmalen Band, den die Droste 1838 mit mäßigem Erfolg herausgab, erscheint 1844 bei Cotta ihre zweite und weit bedeutendere Lyrikausgabe. Die Ausgabe enthält ihre Heidebilder mit dem berühmten »Knaben im Moor«, die Balladen, darunter »Die Vergeltung« und neben vielen anderen die Gedichte »Am Turme« und »Das Spiegelbild«. Von dem Honorar für diese Ausgabe erwarb die Autorin ein idyllisches Weinbergshaus in Meersburg am Bodensee, wo sie vier Jahre später verstarb.
220 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro