[259] Ein andrer Teil des Schlachtfeldes.
Brutus, Dardanius, Clitus, Strato und Volumnius treten auf.
BRUTUS.
Kommt, armer Überrest von Freunden! Ruht
An diesem Felsen!
CLITUS.
Herr, Statilius zeigte[259]
Das Fackellicht, doch kommt er nicht zurück:
Er ist gefangen oder gar erschlagen.
BRUTUS.
Setz' dich zu mir! Erschlagen ist das Wort,
Es ist des Tages Sitte. – Höre, Clitus!
Spricht leise mit ihm.
CLITUS.
Wie, gnäd'ger Herr? Ich? Nicht um alle Welt.
BRUTUS.
Still denn! kein Wort!
CLITUS.
Eh' tötet' ich mich selbst.
BRUTUS.
Dardanius, hör'!
Spricht leise mit ihm.
DARDANIUS.
Ich eine solche Tat?
CLITUS.
O Dardanius!
DARDANIUS.
O Clitus!
CLITUS.
Welch einen schlimmen Antrag tat dir Brutus?
DARDANIUS.
Ich sollt' ihn töten, Clitus! sieh, er sinnt!
CLITUS.
Nun ist das herrliche Gefäß voll Gram,
So daß es durch die Augen überfließt.
BRUTUS.
Komm zu mir, Freund Volumnius: ein Wort!
VOLUMNIUS.
Was sagt mein Feldherr?
BRUTUS.
Dies, Volumnius:
Der Geist des Cäsar ist zu zweien Malen
Mir in der Nacht erschienen: erst zu Sardes,
Und vor'ge Nacht hier in Philippis Ebne.
Ich weiß, daß meine Stunde kommen ist.
VOLUMNIUS.
Nicht doch, mein Feldherr!
BRUTUS.
O ja, es ist gewiß, Volumnius:
Du siehst die Welt, mein Guter, wie sie geht:
Der Feind hat uns zum Abgrund hingetrieben;
Getümmel.
Es ziemt sich mehr, von selbst hineinzuspringen,
Als zu erwarten seinen letzten Stoß.
Volumnius, wir gingen in die Schule
Zusammen, wie du weißt. Ich bitte dich
Um jener unsrer alten Liebe willen:
Halt' du mein Schwert, indes ich drein mich stürze!
VOLUMNIUS.
Das, Brutus, ist kein Dienst für einen Freund.
Fortdauerndes Getümmel.
CLITUS.
Flieht, Herr! o flieht! Hier gilt kein Säumen mehr.
BRUTUS.
Lebt wohl denn, Ihr – und Ihr – und Ihr, Volumnius![260]
Du, Strato, lagst die ganze Zeit im Schlaf:
Leb wohl auch du! – Mitbürger, meinem Herzen
Ist's Wonne, daß ich noch im ganzen Leben
Nicht einen fand, der nicht getreu mir war.
Ich habe Ruhm von diesem Unglückstage,
Mehr als Octavius und Mark Anton
Durch diesen schnöden Sieg erlangen werden.
So lebt zusammen wohl! Denn Brutus' Zunge
Schließt die Geschichte seines Lebens bald.
Nacht deckt mein Auge, mein Gebein will Ruh',
Es strebte längst nur dieser Stunde nach.
Getümmel. Geschrei hinter der Szene: »Flieht! Flieht! Flieht!«
CLITUS.
Flieht, Herr! o flieht!
BRUTUS.
Nur fort! Ich will Euch folgen.
Clitus, Dardanius und Volumnius ab.
Ich bitt' dich, Strato, bleib' bei deinem Herrn:
Du bist ein Mensch von redlichem Gemüt,
In deinem Leben war ein Funken Ehre:
Halt denn mein Schwert, und wende dich hinweg,
Indes ich drein mich stürze! Willst du, Strato?
STRATO.
Gebt erst die Hand mir: Herr, gehabt Euch wohl!
BRUTUS.
Leb wohl, mein Freund! – Besänft'ge, Cäsar, dich!
Nicht halb so gern bracht' ich dich um als mich.
Er stürzt sich auf sein Schwert und stirbt.
Getümmel. Rückzug. Octavius, Antonius, mit ihrem Heere, Messala und Lucilius kommen.
OCTAVIUS.
Wer ist der Mann?
MESSALA.
Der Diener meines Herrn.
Strato, wo ist dein Herr?
STRATO.
Frei von den Banden, die Ihr tragt, Messala.
Die Sieger können nur zu Asch' ihn brennen,
Denn Brutus unterlag allein sich selbst,
Und niemand sonst hat Ruhm von seinem Tode.
LUCILIUS.
So mußten wir ihn finden. – Dank dir, Brutus,
Daß du Lucilius' Rede wahr gemacht![261]
OCTAVIUS.
Des Brutus Leute nehm' ich all' in Dienst.
Willst du in Zukunft bei mir leben, Bursch?
STRATO.
Ja, wenn Messala mich Euch überläßt.
OCTAVIUS.
Tut mir's zu lieb, Messala!
MESSALA.
Strato, wie starb mein Herr?
STRATO.
Ich hielt das Schwert, so stürzt' er sich hinein.
MESSALA.
Octavius, nimm ihn denn, daß er dir folge,
Der meinem Herrn den letzten Dienst erwies!
ANTONIUS.
Dies war der beste Römer unter allen:
Denn jeder der Verschwornen, bis auf ihn,
Tat, was er tat, aus Mißgunst gegen Cäsar.
Nur er verband aus reinem Biedersinn
Und zum gemeinen Wohl sich mit den andern.
Sanft war sein Leben, und so mischten sich
Die Element' in ihm, daß die Natur
Aufstehen durfte und der Welt verkünden:
Dies war ein Mann!
OCTAVIUS.
Nach seiner Tugend laßt uns ihm begegnen,
Mit aller Achtung und Bestattungsfeier:
Erlieg' in meinem Zelte diese Nacht,
Mit Ehren wie ein Krieger angetan!
Nun ruft das Heer zur Ruh', laßt fort uns eilen
Und dieses frohen Tags Trophäen teilen!
Ab.[262]
Ausgewählte Ausgaben von
Julius Cäsar
|
Buchempfehlung
Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.
178 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro