Dritte Szene

[715] Daselbst. In Cäsars Hause.


Es treten auf Cäsar, Antonius, Octavia zwischen ihnen; Gefolge; ein Wahrsager.


ANTONIUS.

Die Welt, mein großes Amt, wird jezuweilen

Von deiner Brust mich trennen.

OCTAVIA.

All die Zeit

Beugt vor den Göttern betend sich mein Knie

Zu deinem Heil.

ANTONIUS.

Gut Nacht, Herr! O Octavia,

Lies meinen Tadel nicht im Ruf der Welt:

Ich hielt nicht stets das Maß, doch für die Zukunft

Fügt alles sich der Form. Gut Nacht, Geliebte! –

OCTAVIA.

Gut Nacht, Herr!

CÄSAR.

Gute Nacht!


Cäsar und Octavia ab.


ANTONIUS.

Nun, Freund? Du sehnst dich heim wohl nach Ägypten?

WAHRSAGER.

Ging' ich doch nie von dort, noch jemals Ihr

Dahin!

ANTONIUS.

Den Grund, wenn's einen gibt?

WAHRSAGER.

Ich seh' ihn

Im Geist; doch nicht mit Worten fass' ich's. Dennoch

Eilt nur nach Afrika!

ANTONIUS.

Weissage mir,

Wes Glück steigt höher? Cäsars oder meins?

WAHRSAGER.

Cäsars;

Drum, o Antonius, weile nicht bei ihm!

Dein Geist, der dich beschützt, dein Dämon, ist

Hochherzig, mutig, edel, unerreichbar,

Dem Cäsar fern; doch nah ihm wird dein Engel[715]

Zur Furcht, wie eingeschüchtert. Darum bleibe

Raum zwischen dir und ihm!

ANTONIUS.

Sag das nicht mehr!

WAHRSAGER.

Niemand als dir: dir nicht zum zweiten Mal!

Versuche du mit ihm, welch Spiel du willst,

Gewiß verlierst du; sein natürlich Glück

Schlägt dich, wie schlecht er steht; dein Glanz wird trübe,

Strahlt er daneben: noch einmal, dein Geist,

Kommt er ihm nah, verliert den Mut zu herrschen, –

Doch ihm entfernt, erhebt er sich.

ANTONIUS.

Hinweg!

Sag dem Ventidius, sprechen woll' ich ihn:


Wahrsager ab.


Er soll nach Parthien. – Ob Geschick, ob Zufall,

Er sagte wahr. Der Würfel selbst gehorcht ihm!

In unsern Spielen weicht vor seinem Glück

Mein beßrer Plan: ziehn wir ein Los, gewinnt er;

Sein Hahn siegt' über meinen stets im Kampf,

Wenn Alles gegen Nichts stand; seine Wachtel

Schlug meine, ob auch schwächer. Nach Ägypten!

Und schloß ich diese Heirat mir zum Frieden,


Ventidius kommt.


Im Ost wohnt meine Lust. O komm, Ventidius,

Du mußt nach Parthien; fertig ist dein Auftrag,

Komm mit und hol' ihn!


Gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 715-716.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Antonius und Cleopatra
Antonius und Cleopatra.
Antony and Cleopatra/ Antonius und Cleopatra [Zweisprachig]
Antonius und Cleopatra (Theatralische Werke in 21 Einzelbänden, Bd.10)
Julius Cäsar /Antonius und Cleopatra /Coriolanus
Antony and Cleopatra / Antonius und Kleopatra: Englisch-deutsche Studienausgabe (Engl. / Dt.) Englischer Originaltext und deutsche Prosaübersetzung

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon