[772] Daselbst. Ein anderes Zimmer. Antonius und Eros treten auf.
ANTONIUS.
Eros, siehst du mich noch?
EROS.
Ja, hoher Feldherr.
ANTONIUS.
Oft sehn wir eine Wolke, drachenhaft,
Oft Dunstgestalten gleich dem Leu, dem Bär,
Der hochgetürmten Burg, dem Felsenhang,
Gezackter Klipp' und blauem Vorgebirg',
Mit Bäumen drauf, die nicken auf die Welt,
Mit Luft die Augen täuschend: solche Zeichen sahst du,
Des dunkeln Abends Prachtgebilde.
EROS.
Ja,
Mein edler Herr.
ANTONIUS.
Was jetzt ein Pferd noch war, im nächsten Nu
Verschwemmt's der Wolkenzug, unkenntlich wird's,
Wie Wasser ist im Wasser. –[772]
EROS.
Ja, so ist's.
ANTONIUS.
Mein guter Freund, solch einem Bilde gleicht
Dein Feldherr jetzt. Noch bin ich Marc Anton;
Doch bleibt mir nicht, mein Freund, dies Lebensbild.
Der Krieg war für Ägypten, – und die Königin –
Ihr Herz, wähnt' ich, war mein, denn meins war ihr –,
Und als es mein, da zog's Millionen andre
Mir nach, die jetzt dahin, – sie hat, mit Cäsarn
Die Karten mischend, falsch ihm meinen Ruhm,
Dem Triumph des Feindes zugespielt!
Nein, lieber Eros! Weine nicht! Es blieb noch
Ich selbst, mit mir zu enden. Oh, die Arge! –
Mardian kommt.
Sie hat mein Schwert gestohlen!
MARDIAN.
Nein, Antonius,
Meine Herrin liebte dich, und knüpft' ihr Schicksal
An deines fest.
ANTONIUS.
Fort, schnöder Hämling, schweig'!
Verraten hat sie mich, und sie soll sterben.
MARDIAN.
Den Tod kann jeder Mensch nur einmal zahlen;
Sie hat die Schuld getilgt. Was du gewollt,
Ist schon vollbracht. Ihr letztes Wort im Leben
War »Marc Antonius, edler Marc Anton!« –
Dann brach ein stöhnend Ächzen mitten durch
Das Wort Antonius; es blieb geteilt
So zwischen Herz und Lippen: sie verschied,
Und ward des Namens Grab.
ANTONIUS.
Tot also?
MARDIAN.
Tot.
ANTONIUS.
– Eros, entwaffne mich:
Des langen Tages Arbeit ist getan,
Ich geh' zur Ruh'. Daß du in Frieden ziehn magst,
Zahlt reichlich deinen Gang. Fort! Ab! Reiß' ab! –
Mardian geht.
Nicht Ajax' siebenfält'ger Schild bewahrte
Vor diesem Sturm mein Herz. O brecht, ihr Seiten![773]
Herz, diesmal stärker sei als deine Hülle,
Spreng' dein zerbrechlich Haus! Schnell, Eros, schnell!
Kein Krieger mehr! Lebt wohl, zerschlagne Waffen,
Ihr dientet mir mit Ehren. – Geh ein Weilchen! –
Eros ab.
Ich hole bald dich ein, Cleopatra,
Und weine um Verzeihung: also sei's!
Aufschub ist Folter; weil dein Licht erlosch,
Ruh' aus, schweife nicht länger: Jetzt verdirbt
Alles Bemühn das Werk: Kraft selber wird verstrickt
Durch Kraft ... Drum zugesiegelt, dann ist's gut! –
Eros! – ich komme, Kön'gin! Eros! – Weile noch:
Wo Seelen ruhn auf Blumen, wandeln wir,
Daß Geister staunen unserm freud'gen Gang,
Dido und ihr Äneas stehn verlassen,
Und alles schwärmt uns nach. Komm, Eros! Eros!
Eros kommt zurück.
EROS.
Was ruft mein Herr?
ANTONIUS.
Seit sie vorangegangen,
Lebt' ich in solcher Schmach, daß meine Feigheit
Den Göttern ward zum Abscheu. Ich, des Schwert
Die Welt geteilt, der auf des Meeres Wogen
Schiffe zu Städten schuf, bin nun verdammt,
Dem Weib an Mut zu weichen, minder kühn
Als sie, die sterbend unserm Cäsar sagt:
»Ich überwand mich selbst.« Du schwurst mir, Eros,
Käm' es zum Äußersten – (und wahrlich, jetzt
Kam es so weit), und säh' ich hinter mir
Die unvermeidliche Verfolgung
Von Schmach und Schande: dann, auf mein Geheiß,
Wollt'st du mich töten. Tu's! die Zeit ist da!
Nicht triffst du mich, – den Cäsar schlägst du nieder.
Ruf' Farb' auf deine Wangen!
EROS.
Götter! Nein!
Sollt' ich das tun, was alle Partherspeere,
Ob feindlich, nicht vermocht, ihr Ziel verfehlend?
ANTONIUS.
Mein Eros,[774]
Möcht'st du am Fenster stehn im großen Rom,
Und deinen Feldherrn schaun, verschränkt den Arm,
Geneigt den unterjochten Hals, sein Antlitz
Durchglüht von Scham, indes der Siegerwagen
Des freud'gen Cäsar auf des Folgers Feigheit
Ein Brandmal drückte?
EROS.
Nimmer möcht' ich's schaun.
ANTONIUS.
So komm, mit einer Wunde heilst du mich.
Zieh' dies dein wackres Schwert, das du geführt
So nützlich für dein Land!
EROS.
O Herr, verzeiht mir!
ANTONIUS.
Als ich dich frei ließ, schwurst du's damals nicht,
Zu tun, wenn ich's verlangte? Tu's mit eins,
Sonst wird dein früh'rer treuer Dienst durchaus
Gedankenloser Zufall. Zieh', und schnell!
EROS.
So wende denn von mir das edle Antlitz,
Aus dem die Majestät des Weltalls blickt!
ANTONIUS.
Wohlan!
Wendet sich ab.
EROS.
Ich zog das Schwert.
ANTONIUS.
Vollende dann mit eins,
Weshalb du's zücktest!
EROS.
Mein geliebter Herr,
Mein Held, mein Imperator! Nun sag' ich
Vor diesem blut'gen Streich dir Lebewohl!
ANTONIUS.
Du sprachst es, Lieber; leb denn wohl! –
EROS.
Leb wohl, mein Feldherr! Stoß' ich jetzt?
ANTONIUS.
Ja, Eros.
EROS.
Nun, so dann: so entrinn' ich denn der Qual,
Antonius' Tod zu sehn.
Fällt in sein Schwert.
ANTONIUS.
Oh, dreimal edler du als ich!
Du lehrtest mich, mein tapfrer Eros, was
Ich sollt' und du nicht konntest. Meine Königin
Und du, ihr mahntet durch eu'r großes Beispiel
Mich an den alten Mut. Nun will ich sein
Ein Bräutigam dem Tod, und zu ihm eilen
Wie zu der Liebsten Bett. Wohlan! Und Eros,
Dein Meister stirbt dein Schüler: das zu tun
fällt in sein Schwert[775]
Lernt' ich von dir ... Was? – Nicht tot? Nicht tot? Wache!
Oh, endet nun mit mir! –
Dercetas kommt mit Wache.
ERSTE WACHE.
Was für ein Lärm?
ANTONIUS.
Ich machte schlecht mein Werk: vollendet, Freunde,
Was ich begonnen!
ZWEITE WACHE.
Unser Stern ging unter!
[ERSTE WACHE].
Und unsre Zeit ist aus!
ALLE.
Weh allen! Weh! –
ANTONIUS.
Oh, wer mich lieb hat, töte mich!
ERSTE WACHE.
Nicht ich.
ZWEITE WACHE.
Ich auch nicht.
DRITTE WACHE.
Keiner hier!
Wachen gehn ab.
DERCETAS.
Dein Tod und Schicksal scheucht die Freunde weg.
Cäsarn dies Schwert mit dieser Post nur zeigen,
Verschafft mir Würden.
Diomedes tritt auf.
DIOMEDES.
Wo ist Anton?
DERCETAS.
Hier, Diomed.
DIOMEDES.
Lebt er?
Willst du nicht Antwort geben?
Dercetas geht.
ANTONIUS.
Diomed, bist du's? Oh, zieh' dein Schwert und gib mir
Den Todesstreich!
DIOMEDES.
Erhabenster Gebieter,
Cleopatra, meine Fürstin, sandte mich.
ANTONIUS.
Wann schickte sie?
DIOMEDES.
Jetzt eben, Herr.
ANTONIUS.
Wo ist sie?
DIOMEDES.
In ihrem Grabmal. Ein prophetisch Ahnen
Weissagt' ihr, was geschehn. Denn als sie sah
(Was nimmer sich bewähren wird) Euch mißtraun,
Sie halt' es mit dem Cäsar, und Eu'r Grimm[776]
Sei nicht zu sänft'gen, gab sie sich für tot;
Dann, fürchtend, wie Ihr's tragen möchtet, hieß sie
Mich, Euch die Wahrheit künden: doch ich kam
Zu spät, besorg' ich.
ANTONIUS.
Zu spät, mein Diomed. Ruf' mir die Wache! –
DIOMEDES.
He, he! Des Feldherrn Wache! Wache, he!
Kommt, eu'r Gebieter ruft.
Einige von der Wache kommen zurück.
ANTONIUS.
Tragt mich zur Kön'gin, meine guten Freunde:
Dies ist der letzte Dienst, den ich verlange.
ERSTE WACHE.
Weh' über uns! Daß Ihr nicht überlebt
All Eure treuen Diener!
ALLE.
Tag des Jammers!
ANTONIUS.
Nein, Kinder, schmeichelt nicht dem argen Schicksal,
Gönnt ihm nicht euren Kummer: heißt willkommen,
Was uns als Strafe naht, so strafet ihr's,
Indem ihr's leicht ertragt. Nun hebt mich auf!
Ich führt' euch oft: nun tragt mich, liebe Freunde,
Und nehmt für alles Dank! –
Sie tragen den Antonius weg.
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