Dreizehnte Szene

[777] Daselbst. Ein Monument.


Cleopatra, Charmion und Iras erscheinen oben auf dem Monument.


CLEOPATRA.

O Charmion, ich will nie von hier mehr gehn.

CHARMION.

O tröstet Euch, Verehrte!

CLEOPATRA.

Nein, ich will nicht;

Entsetzen sei und Schrecknis mir willkommen,

Doch Trost verschmähn wir: unsres Schmerzes Größe,

Der Ursach' gleich gemessen, sei so furchtbar,

Als was ihn uns erregt.


Diomedes tritt auf.[777]


Sprich, ist er tot?

DIOMEDES.

Sein Tod schwebt über ihm, doch lebt er noch.

Schaut nur nach jener Seite Eures Grabmals,

Dort bringt ihn schon die Wache.


Antonius wird von der Wache hereingetragen.

CLEOPATRA.

O du Sonne,

Verbrenne deine Sphäre! Nacht, steh fest

Auf wechselnden Weltfluren! O Antonius,

Anton, Anton! O Charmion, hilf, hilf, Iras,

Helft, Freunde, unten. Zieht herauf ihn!

ANTONIUS.

Still!

Nicht Cäsars Kraft besiegte Marc Anton,

Nein, Marc Anton erlag sich selber nur!

CLEOPATRA.

So mußt' es sein; Antonius konnt' allein

Anton bewältigen: doch weh dem Tag!

ANTONIUS.

Ich sterb', Ägypten, sterbe; nur ein Weilchen

Lass' ich den Tod noch warten, bis ich dir

Von so viel tausend Küssen den armen letzten

Auf deine Lippen drückte.

CLEOPATRA.

Ich wag' es nicht, –

O teurer Herr, vergib! – Ich wag' es nicht,

Sie fahn mich sonst. Nein! nicht das Siegsgepränge

Des hochbeglückten, übermüt'gen Cäsar

Zier' ich jemals. Bleibt Messern, Giften, Schlangen

Nur Schärfe, Kraft und Stachel, bin ich sicher.

Eu'r Weib Octavia mit dem kalten Blick

Und stillem Gleichmut soll nicht Ehr' empfangen,

Indem sie streng mich ansieht. Komm, Antonius,

Helft, meine Frau'n, wir ziehn dich hier herauf;

Faßt alle an!

ANTONIUS.

O schnell, sonst bin ich hin.

CLEOPATRA.

O seltsam Spiel! Wie schwer du wiegst, Geliebter!

All unsre Stärke ging in Schwermut unter,

Das mehrt die Last. Hätt' ich der Juno Macht,

Merkur, der Kraftbeschwingte, höbe dich,

Und setzte dich an Jovis Seite. Komm nur!

Wünschen war nimmer Torheit: komm, komm, komm:[778]

Willkommen, willkommen! Stirb nun, wo du lebtest,

Leb' auf im Kuß! Vermöchten das die Lippen,

Wegküssen sollt'st du sie! –

ALLE.

O jammervoll!

ANTONIUS.

Ich sterb', Ägypten, sterbe! –

Reicht mir ein wenig Wein, daß ich noch rede! –

CLEOPATRA.

Nein, laß mich reden, laß so laut mich schelten,

Bis sie, gekränkt, das falsche Weib Fortuna,

Ihr spinnend Rad zerbricht.

ANTONIUS.

Ein Wort, Geliebte:

Beim Cäsar such' dir Schutz und Ehre ... Oh!

CLEOPATRA.

Die gehn nicht mit einander.

ANTONIUS.

Hör' mich, Liebe:

Von Cäsars Volk trau' nur dem Proculejus!

CLEOPATRA.

Ich trau' auf meinen Mut und meine Hand,

Keinem von Cäsars Volk.

ANTONIUS.

Den jammervollen Wechsel und mein Sterben –

Beweint, beklagt sie nicht; stärkt Eu'r Gedächtnis

An der Erinn'rung meines frühern Glücks,

Das mich erhob zum ersten Weltgebieter,

Zum edelsten; und jetzt, nicht feige sterb' ich,

Noch ehrlos, neige meinen Helm dem Landsmann,

Ein Römer, männlich nur besiegt vom Römer.

Jetzt nun entflieht mein Geist, das Wort erstirbt.


Er stirbt.


CLEOPATRA.

O edelster der Männer! willst du scheiden?

So sorgst du nicht um mich? Aushalten soll ich

In dieser schalen Welt, die ohne dich

Nicht mehr ist als ein Viehstall? Seht, ihr Frau'n,

Die Krone schmilzt der Erde! O mein Herr!

Oh, hingewelkt ist aller Siegeslorbeer,

Gestürzt des Kriegers Banner: Dirn' und Knabe

Stehn jetzt den Männern gleich: kein Abstand mehr,

Nichts Achtungswertes bietet mehr sich dar

Unter dem späh'nden Mond.


Sie fällt in Ohnmacht.


CHARMION.

O Fassung, Fürstin!

IRAS.

Sie stirbt auch, unsre Königin!

[CHARMION.

Herrin!

IRAS.

Fürstin!][779]

CHARMION.

O Fürstin, Fürstin, Fürstin! –

IRAS.

Ägyptens Krone, unsre Herrscherin!

CHARMION.

Still, Iras, still!

CLEOPATRA.

Nichts mehr, als jeglich Weib, und untertan

So armem Schmerz, als jede Magd, die melkt

Und niedern Hausdienst tut. Nun könnt' ich gleich

Mein Szepter auf die neid'schen Götter schleudern,

Und rufen, diese Welt glich' ihrer ganz,

Bis sie gestohlen unsern Diamant!

Nichtsnutzig alles jetzt!

Geduld ist läppisch, Ungeduld ziemt nur

Den tollgewordnen Hunden! Ist's denn Sünde,

Zu stürmen ins geheime Haus des Todes,

Eh' Tod zu uns sich wagt? Was macht ihr, Mädchen?

Was, was? getrost! Wie geht dir's, Charmion?

Ihr edlen Dirnen! Ach! – Seht, Weiber, seht,

Unsre Leucht' erlosch, ist aus! Seid herzhaft, Kinder:

Begraben woll'n wir ihn; was groß, was edel,

Vollziehn wir dann nach hoher Römer Art.

Stolz sei der Tod, uns zu empfangen! Kommt,

Dies Haus des Riesengeistes ist nun kalt!

Ach Mädchen, Mädchen, kommt! In dieser Not

Blieb uns kein Freund, als Mut und schneller Tod.


Geht ab. Antonius' Leiche wird oben weggetragen.[780]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 777-781.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Antonius und Cleopatra
Antonius und Cleopatra.
Antony and Cleopatra/ Antonius und Cleopatra [Zweisprachig]
Antonius und Cleopatra (Theatralische Werke in 21 Einzelbänden, Bd.10)
Julius Cäsar /Antonius und Cleopatra /Coriolanus
Antony and Cleopatra / Antonius und Kleopatra: Englisch-deutsche Studienausgabe (Engl. / Dt.) Englischer Originaltext und deutsche Prosaübersetzung

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Elixiere des Teufels

Die Elixiere des Teufels

Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.

248 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon