5


[781] Dieselben Stunden, die mit sanftem Kreisen

Den süßen Blick geformt, wonach uns so verlangt,

Sie werden ihm tyrannisch sich erweisen

Und das entstellen, was so herrlich prangt.

Denn Zeit, nie rastend, führt den Sommer fort

Zum finstern Winter, und verdirbt ihn da.

Es stocken Säfte, Blatt auf Blatt verdorrt,

Verschneit liegt Schönheit, Wüste fern und nah.

Blieb dann nicht Sommers abgezogner Sinn,

Der flüssige Gefangn' in Glases Mauern,

Wär mit dem Schönen Schönheitsfrucht dahin,

Nicht selbst, noch im Gedächtnis fortzudauern.

Doch abgezogne Blumen, ob auch Winter

Sie bleicht, ihr Wesen duftet drum nicht minder.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 781.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sonette
The Sonnets/ Die Sonette [Zweisprachig]
The Sonnets / Die Sonette: Englisch/Deutsch
Sonette. Engl./Dt. Übersetzt von Tieck, Regis, u.a., Einleitung von Hanno Helbling.
Die Sonette: Zweisprachige Ausgabe
Shakespeares Sonette