Kantate,

aufgegeben von Herrn Ewald zu Offenbach über den Spruch: »Wer nicht liebt Wein, Weiber und Gesang« u.s.w

[260] Freuden-Schöpfer, edler Wein!

Blume in dem Kranz des Lebens!

Deiner Allmacht uns zu freun,

Winkt dein Nektar nicht vergebens!

Ueberall, wo Freude lacht,

Unter allen Himmels-Zonen,

Huldigen sie deiner Macht,

Die den grossen Raum bewohnen!


Erste Stimme.


Du vergötterst jede Lust

Bei der Jugend frohem Spiele,

Und beseelst des Jünglings Brust

Mit dem Trieb zum höchsten Ziele.


Zweite Stimme.


Du erhöhst des Mannes Muth

In dem Kampf mit dem Geschicke;

Giebst dem Greise frisches Blut,

Feuer seinem matten Blicke!


[261] Beide.


Deinem mächt'gen Talisman

Unterwirft sich selbst der Weise

Auf des Lebens dunkler Reise;

Du bewegst die kalte Brust

Mit der Liebe süssen Schmerzen,

Und versöhnst getrennte Herzen

Bei der Becher frohem Klang!


Erste Stimme.


Windet in den Epheu-Kranz

Weinbelaubte Reben,

Rosen, die vom Morgenglanz

Frischer sich erheben!


Zweite Stimme.


Um die Stirne schlinget ihn,

Wenn ihr Rheinwein trinket,

Grillenfang und Unmuth fliehn,

Wenn er golden winket!


Beide.


In des Dichters Phantasie'n

Hauchst du, Zaubrer! Geist und Leben,

Neue Sonnen sieht er glüh'n,

Schönre Welten sich erheben;

Zu der höhern Sänger Chor

Schwingt er sich entzückt empor;

Mit dem Göttlichen vermählet,

Wird das Lied von dir beseelet!


[262] Chor.


Wenn die Herrscher auf den Thronen

Drücken sorgenschwere Kronen,

Labt sie nur dein Feuergeist,

Ob man gleich sie selig preisst;

Wenn den Helden Lorbeern krönen,

Hymnen laut entgegen tönen,

Schwindet Ruhm und Siegsgesang

Bei der Becher frohem Klang!

Weihet Altäre dem vollen Pokale,

Singet die Hymne, die würdig ihn preisst,

Ihm, der die Traube zum fröhlichen Mahle

Gütig erschuf und erblühen uns heisst!


Erste Stimme.


Was des Dichters Phantasie

Schön und idealisch malet;

Wird vom Geist der Harmonie

Edler Frauen überstralet;

In des Herzens Heiligthume

Blühet ihre schönste Blume.


Zweite Stimme.


Ihr, der Schöpfung Meisterstück,

Ihr, gebürt der Preiss der Lieder;

Aus des klaren Auges Blick

Stralt die reine Seele wieder:

Hoher Sinn des Sittlich-Schönen

Spricht aus ihren holden Tönen!


[263] Erste Stimme.


Ruhend an der Charis Busen,

Uebt sie ihres Geistes Kraft;


Zweite Stimme.


Und veredelt durch die Musen

Schöner Künste Wissenschaft!


Beide.


Holde Friedens-Engel walten,

Mit der Ruhe stillem Geist,

Um die lieblichen Gestalten,

Die des Sängers Muse preisst.


Chor der Männer.


Edler Frauen ernster Wille

Wirket immer reg' und stille

Für des Hauses dauernd Glück;

Wie den Abend, so den Morgen,

Scheuchen sie des Gatten Sorgen

Mit der Liebe süssem Blick!

Darum sey sie hoch gegrüsst,

Die das Leben uns versüsst!


Huldigt der Schönheit, von Reizen verkläret,

Die uns mit Blumen das Leben bestreun;

Was nur das Gute, das Schöne gewähret,

Lasst uns den Frauen, den Würdigen-weihn!


[264] Erste Stimme.


In der Sphären Harmonieen,

Durch der Schöpfung weiten Raum,

Tönen holde Melodieen

Und vergöttern unsern Traum!


Zweite Stimme.


Sanft vermählet sich das Schöne

Mit der weichen Symphonie,

Und des Liedes zarte Seele

Mit dem Geist der Sympathie.


Erste Stimme.


Leise schwebt des Liedes Seele

Der verwandten Seele nach;


Zweite Stimme.


Singt so hold, wie Philomele,

Unsres Busens Echo wach;


Dritte Stimme.


Und es rauschen in die Saiten

Töne aus Elysium;


Vierte Stimme.


Und die holden Töne gleiten

In der Seele Heiligthum!


Alle.


In die todte Form dringt Leben,

Unsre Wonne zu erheben,[265]

Und es wogt in Freude das Gemüth!

Süsse Thränen thauen nieder,

Aufgeregt vom Geist der Lieder,

Und des Lebens herbes Bild entflieht!


Erste Stimme.


Malend das Heilige, malend das Schöne,

Singen der Dichter melodische Töne

Selige Wonnen in's fühlende Herz;


Zweite Stimme.


Und sie beschworen das harte Gemüthe,

Mildes Erbarmen und himmlische Güte.

Theilen der Menschheit zerstörenden Schmerz!


Dritte Stimme.


Und es erheben vom dämmernden Thale

Sich die Gesänge zum sonnigen Strale,

Der durch die Räume Elysiums wallt;


Vierte Stimme.


Und von Entzücken und Schönheit gehoben,

Schauen die trunkenen Blicke nach Oben,

Wo uns das Göttliche nimmer verhallt!


Alle.


Würdige Thaten mit Nachruhm zu lohnen,

Flechten die Dichter unsterbliche Kronen,

Rauschend erhebt sich der Strom des Gesangs![266]

Tauchend hinab in die Reiche der Todten,

Singen sie richtend, die göttlichen Boten,

Voll des allmächtigen, stürmenden Drangs,

Und vor der Wahrheit hellstralenden Rüge

Schwindet die schmeichelnde niedrige Lüge!


Schluss-Chor.


Rauschet, ihr Saiten! im fröhlichen Kreise;

Stimmet die Herzen zum jubelnden Lied!

Geister der Töne, belebet die Weise,

Scheuchet den Unmuth zum finstern Kozyt!

Heil dir, Luther! der so bieder

Uns die weise Lehre gab:

»Wer nicht liebt Wein, Weib und Lieder,

Bleibt ein Thor bis an sein Grab!«

Noch ist nicht dein Wort verklungen,

Das uns Freude lieben heisst;

Dir sey dieser Kranz geschlungen,

Dir, den unser Jubel preisst:

Weiber und Lieder und Freude und Wein,

Walten auf ewig in süssem Verein!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 260-267.
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