Zweites Bild


[206] Im bischöflichen Palast. Bischof, Pietro Bernardoni, Vater der Heiligen, der Heilige.


PIETRO.

– – – Und dieses nicht genug,

Stahl er mir Tücherballen, lud sie auf

Und zog nach Fulgineum,

Verkaufte sie, in Seligkeit noch schwärmend,

Gab noch den Rappen zu für lumpigen Pfennig –

Und hat die Stirn, so wieder umzukehren

Mit Geld ohn Gut;

Worauf er dies dem Priester von Sankt Damian

Aushändigt, der's nicht annahm; 's war Gestohlenes,

Gestohlenes! Halunke von einem Sohn!

DER HEILIGE.

Gesegnet seist du, Kreuz dir über, Vater,

In Vater, Sohn und Geist –


Er macht gegen den Scheltenden das heilige Zeichen.


Du nanntest mich mit meinem rechten Namen.

Halunke ich! Oh gibt es süßeren Wohlklang!?

PIETRO.

Er ist von Sinnen. Widerlich Besessner!

BISCHOF.

Ich bitt euch, mäßigt euch! Sehr gut kann sein,

Daß diesen Gott hat.

PIETRO.

Ha! Gestohlenes

Verkaufen, so entwenden, heißt das christlich?

Euer bischöfliche Gnaden,

Lasset Euch nicht betören von dem Schlingel,

Weißnäsige Gliederpuppe!

BISCHOF.

St.. st.. st..!

Die Würde des Ortes achtet! Sagt mir weiter

Den wahrhaften Verlauf,

Doch seid behutsam, daß ihr mir nicht sündigt

In Zorn, nein, wütet nicht so! Ich befehl euch.[207]

PIETRO.

Miteins zu sagen: kommt mir dieser Bursche

Nach Assis ruhig unter meine Hände,

Als wär es nichts. Sein Aussehn wie ein Irrer,

Kreidweiß, Staub in den Zügen, das Gesicht

Verwahrlost, so verwahrlost all sein Anzug

Gleich dem geringsten Bettler, –

Kot von der Gasse warf ganz Assis nach ihm

Hohnlachend, er ertrug's, der Feigling, schweigend.

Ein Edeler hätt sich gerächt, o Feigling!

Mit Gassenkot! Mit Gassenkot! Pft – pft –


Gebärde der Verachtung.


DER HEILIGE.

Bin ich des Kotes würdig? Kot ist sündlos.

BISCHOF.

Erstaunlich! Höchst erstaunlich! Welche Antwort!

PIETRO.

Ich aber nahm ihn unter meine Fäuste,

Da setzt' es Hiebe, wie sich das gebührt,

Euer bischöfliche Gnaden!

BISCHOF.

Nun zum Ende!

PIETRO.

Ja! Hört nur! Meine Frau, die ließ ihn laufen,

– Gott strafe sie dafür! – als ich verreiste;

Ich hielt ihn streng in Wahrsam; – ließ ihn laufen!

Und er trieb wieder trügerische Dinge

Rings um die Stadt. Da riß mir die Geduld:

Ich jag ihn aus dem Lande, mach mich auf,

Ich jag ihn aus dem Lande! Doch er legt sich

Ins Gras vor mich und sagt: »Nun schlage, Vater!

Doch bleib ich, wo ich bin und wie ich bin

Um Christi willen!« Nun sah ich es, wer

Besessen, bleibt besessen, bleibe also,

Sohn, der mein Sohn nicht ist, bleib hier zu Lande!

Doch vorerst marsch! zur bischöflichen Gnaden!

Und nun entsage du im Angesicht

Des hochehrwürd'gen Herrn in meinem Beisein

Dem väterlichen Erbe! Jedem Pfennig![208]

Oder du bleibst nicht heil!


Stille.


BISCHOF.

Willst du entsagen?

DER HEILIGE.

Entsagen, wie? Entsagen? Ist Entsagung,

Mein bischöflicher Herr, Euer bischöfliche Gnaden,

Sich aus dem Kote retten oder waschen

Von Schlamm sich rein; denn Geld ist Pfui und Schlamm,

Denn Geld ist Sünde; ist Entsagen: Sünde fliehn?

Ich gebe, oh ich gebe, oh ich gebe

Aufjauchzend, weinend hin mein ganzes Erbe

Um Christi willen; weinend, daß der gute

Herr Christus mich so überschwänglichen

Gewinnes würdigt, den ich mir verdiene

Durch meinen Unverdienst. O Herr! O Herr!

Ich habe nichts auf dieser Welt als Christus!

Und dieser Mann da, der da steht, will nicht

Mein Vater sein; ich danke, oh, ich danke!


Er sinkt in die Knie.


Willkommene Gelegenheit!

So darf ich sagen: Vater unser, Vater,

Du Einziger im Himmel hoch!

BISCHOF in Rührung.

O Armer

An Gut, doch reich an Gnade, reich in Gott!

Ehre sei deinen Worten!


Zu Pietro.


Doch ihr habt

Gehört den mutigen Treueeid des Sohnes

Dem Christus zu; so schweigt und geht von dannen!

PIETRO.

Und ein Notar besiegelt's.

DER HEILIGE.

Halt die Kleider!

Die hab ich, Vater, noch von dir. Zurück

Darf nichts ich halten vom elenden Gut!


Er beginnt sich zu entkleiden.


Hier sind sie Stück um Stück.


[209] Er bricht in Tränen aus.


Das Unterkleid,

Ich bitte, seht nicht an; denn es ist hären.

Ich hab es von Erbetteltem. Nicht ansehn!

Jetzt muß ich offen zeigen, was ich heimlich

Wollte verborgen haben, Kleid der Buße.

Um Christi willen sei es! Deine Kleider,

Gestrenger, darf ich nicht behalten.


Er ist ganz bloß bis auf das härene Bußhemd.


BISCHOF breitet nach langem Schweigen ihm die Arme hin.

O bloßer Christ! Ich möchte dich besitzen!

In meine Arme eile! Wie Johannes

Ein zweiter Rauher nackt! Ich bin dein Bischof.

DER HEILIGE neigt sich demütig der Brust des Bischofs.

Ich bin Euer Schäfchen. Laßt mir meine Wolle!

Quelle:
Reinhard Johannes Sorge: Werke in drei Bänden. Nürnberg 1964, S. 206-210.
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