[16] In versüßter Liebes-Pein

Muß es hier gefochten seyn!


[16] Dehm Vortrefflichem Hirten Strefon/ Wie auch Dem unvergleichlichem Pranserminto übergiebet Seiner geharnschten Venus Erstes Zehen absonderlich Filidor der Dorfferer/ in folgendem.


Strefon/ Muster deutscher Gunst/ Bild der alten Redlichkeiten/

meiner Jugend Tugend-model/ dehm ich mich alsbald vertraut/

als der Musen grüner Gipfel erstens ward von mir geschaut.

Ob ich deinen Freuden-stand iezt gleich sehen muß von weiten:

Sollte drum die Ferne mir rauben meiner Pflichte Schulden?

Nein. Kein Ort in Süd und Westen/ Ost noch der bestürmte Nord

treibet meine Dienst-gedanken durch die Fluht der Leten fort.

Ewig bleib ich dir verknüpft. Weil mich die Gestirne dulden

in der schwachen Unter-welt: will ich die vergunnten Blikke

der Gelegenheit ergreiffen/ daß ein iederman erfahr'/

herzer Strefon/ daß du mir/ ich mit dir verbunden war/

daß wir offtermals geteilt Unfall/ Wolstand/ Leid und Glükke.[17]

Laß den heilsamen Galen/ den Hippokrates iezt liegen/

tuh den ewigen Sennerten und den Zelsus aus der Hand!

Venus/ die vor wenig Monden dich so längst-gewüntschet band

Venus/ die auch nakt und bloß weiß zu streiten/ krieg- und siegen/

spricht dir iezt gewapnet zu aus dem ungeheuren Norden/

sie bedekket Schild und Degen. Doch/ mein Damon/ fürcht dich nicht/

sie beweiset/ wie zuvoren/ ein verliebtes Angesicht'

und ist in der Musen Zelt fast der Pallas ähnlich worden.

Sihstu/ wie sie dir sich neigt/ wie sie dich gehorsam küsset/

wie sie dir den Lorber reichet. Nim es an das erste Zehn/

als der erste von den Freunden/ nim es an/ und laß dir dehn

der sie so hat außgerüst/ und durch Sie dich freundlich grüsset/

auff das neu' empfohlen sein. Freundschaft/ die auf Zederngründen

des Bestandes ist bepfälet/ weiß ich/ nimmet auch für gut

was ein treues Freund-gemühte mit Papier-geschenken tuht.

Nu! ich hab' es schon erlangt. Iezt komm' ich auff Pranserminten.

Wo ich/ Pranserminto/ dir einigs Zeichen meiner Treue

nicht einmal auch spüren ließe: fühlt' ich billich jenen Brand/

der den aus der See halb-todten aller Welt gemacht bekant.

Dreymal bracht Apollens Stern seine Reise zu der Neige/

dreymal spannt' er wieder an. So viel Jahre sind verflossen

daß du stets üm mich gewesen: Eine Stube nahm uns ein/

eine Tafel reicht' uns Speise/ Kreuz und Glükk war uns gemein.

Was für lehr-bereichte Lust hab' ich dar bey dir genossen!

Mein Apollo trug sich hoch; merket' er von dir sich preisen:

Meinen armen Hirten-Musen ward der Lorber fast zu schlecht/[18]

wenn sie deinen Beyfall hörten: Selbst ich ringer Schäfer-Knecht

bildte mir den Adel ein/ lobtstu meiner Flöte Weisen.

Als ich nun den lezten Griff fast auf Rohr und Pfeiffe tähte;

wie hastu dich dar betrübt! dein Gemüht und Freundes-Sinn

gieng auff das erhaltne Leben deines Filidors nur hin.

Von der Sonnen frühen Tritt biß zur andern Abend-röhte

hieltstu wachend bey mir aus. Keine Wurzel war so ferne/

kein berühmtes Kraut so selzam/ daß auch mitten in der Nacht

wenn die Wolken-brüche rissen/ und der Luft Geschüzz' erkracht'

einig nur zu meinem Heil du nicht williglichst und gerne

hättest mir herzugebracht. Da mich nu der Götter Wille

meinem Leben wiederschenkte/ nacher Macht vor Recht ergieng/

und/ als wie an einem Faden/ meines Nahmens Ehre hieng:

Was erwiesestu mir nicht! deiner treuen Schreiben Fülle/

dienet mir an Zeugniß statt/ daß kein stärker Band gewesen/

Als/ das/ Freund/ du hast geknüpfet. Bildt euch nichts von Damon ein/

Griechen/ laßt das Gunst-exempel Pylades verschwiegen sein/

Keiner Treue höher Preiß wird in eurer Schrifft gelesen.

Nun! Ihr Seulen dieses Buchs/ laßt Euch meine Gunst gefallen

bauet/ pfleget/ stüzzt und schüzzet/ (wie Ihr auch gethan zuvor/ )

Liebt/ singt/ ehret diese Venus! denn wird Euer Filidor

Trozz dem Lobes-drükker Neid! über dem Gestirne wallen.


Hamb. den 20. Weinmon. 1657.


Eur unverfälschten Tugend und Treue beständiger Anbeter Filidor.

Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 16-19.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon