2

[444] In einfachen Gewändern.


Witiko blieb eine Woche in dem steinernen Hause und bei den Männern von Plan.

Dann ritt er in das Kloster an der Sazawa zu Silvester.

Er fand ihn in dem Garten mit Gemüsepflege beschäftigt.

Als der Greis den Jüngling erblickte, sagte er: »Kömmst du zu mir, Witiko?«

»Ich bin zu Euch gekommen«, antwortete Witiko.

»So sei gegrüßt, und folge mir in meine Stube«, sagte Silvester.

»Ich folge Euch«, sagte Witiko.

Silvester streifte noch einige Erde, die an seinem Gewande klebte, ab, und schlug den Weg gegen die Mauern des Gebäudes ein. Witiko ging hinter ihm her.

Das Gemach Silvesters erreichte man durch einen Gang, welcher von den Beeten des Gartens gerade in das Gebäude führte. Die zwei Männer kamen zuerst in eine kleine Vorhalle mit steinernem Fußboden, in welcher sich nichts befand als ein Wasserbecken von dunkelrotem Marmor, in das ein feiner Strahl aus einer Röhre in der Mauer nieder floß. Aus der Vorhalle traten sie in die Zelle. Sie war nicht groß. In ihr stand das hohe Kreuzbild des Heilandes, welches Witiko, da er in der Sendung Soběslaws in Prag war, in dem Bischofhause neben der Tür gesehen hatte, durch welche die Bischöfe Silvester und Zdik heraus getreten waren. Sonst standen einfache Geräte da, und die zwei Fenster sahen auf die Bäume und Gesträuche des Gartens hinaus.

»Setze dich auf eines dieser Gesiedel«, sagte Silvester.

Witiko tat es.[444]

Dann setzte sich Silvester auf ein anderes, und sprach: »Ich sage dir noch einmal einen Gruß in dem Herrn, daß du zu mir gekommen bist. Kann ich dir einen Dienst erweisen?«

»Ich bin zu Euch gekommen«, entgegnete Witiko, »weil mich der Dank an Euch bindet, welchen ich damals nur kurz erweisen konnte, als ich von Wladislaw ging, da er den Herzogstuhl bestiegen hatte, und ich bin zu Euch gekommen, weil mich die Liebe an Euch bindet; denn Ihr habt in jener Versammlung auf dem Wyšehrad, heiliger Vater, die besten Worte geredet.«

»Nenne mich nicht einen heiligen Vater«, antwortete Silvester, »es wäre wie Hohn und Spott; ich bin in meinen Werken ein gebrechlicher Mensch, ich konnte die Worte nicht finden, jene Versammlung zu bewegen, und kann meine Klosterbrüder nicht leiten, sie lieben mich, und folgen mir nicht. Die Gemüse gedeihen leidlich, wenn ich sie begieße, und ihnen die gehörige Erde gebe. Ich bin nicht einmal ein rechter Gärtner für den folgsamen Kohl und die gelben Blumen.«

»Ihr habt aber doch alle Vorkommnisse erkannt«, sagte Witiko.

»Ich habe nur erkannt, was gut ist«, antwortete Silvester, »und das hat mir mein Heiland gesagt, und mit dem Guten ist alles andere verbunden, wenn es auch die Augen nicht sehen.«

»Wenn mir undeutlich ist, was ich tun soll«, sagte Witiko, »so erlaubet, daß ich in Euern Garten komme, und Euch um das Gute frage, an welchem das andere dann hängt, ich werde Euch kurz fragen, daß ich Euch die Zeit nicht entziehe, und ich werde doch einer sein, der Euch folgt.«

»Komme, so oft du willst«, antwortete Silvester, »und so oft dein Herz dich mahnt; jeder Mensch muß dem andern helfen, wenn Hilfe not tut, und er muß auch helfen,[445] wenn Hilfe nicht not tut, wenn er aber doch darum gebeten wird, und der Priester muß noch mehr helfen, weil er der Priester ist, und der oberste priesterliche Vater des Landes muß am meisten helfen, weil er der oberste priesterliche Vater des Landes ist, und ich wäre es gewesen, wenn mir Gott nicht durch ein Geschehnis gezeigt hätte, daß ich dieses Land nicht zu dem heiligen Geiste versammeln kann. Ich habe es einem andern überlassen. Zu dem Guten aber, Witiko, tut Hilfe nicht not; denn das weiß ein jeder Mensch.«

»Und warum tut er es denn nicht?« fragte Witiko.

»Weil er gegen das Wissen handelt, wenn ihn die Lust oder die Schlauheit treibt«, sagte Silvester. »Im Nützlichen kann man dem Menschen raten, wenn man es kennt.«

»Und dann befolgt er den Rat nicht«, sagte Witiko.

»Weil er es selber besser zu wissen meint«, entgegnete Silvester, »und so kommen die Erfahrungen. Es sind sehr viele Dinge, mit denen die Menschen sich beschäftigen. Wir haben in unserem Klosterbesitze Wälder, die uns vor dem Froste des Winters schützen, von denen wir bauen, die uns die Speisen bereiten helfen, und die uns noch Tiere und Gewächse liefern. Wir pflegen sie. Wir haben Felder und Wiesen, auf denen Dienliches sprosset. Wir warten ihrer sorgsam. Wir haben Untertanen, Grundhörige, Gewerkleute und Volk, die Brüder suchen sie zu lenken. In diesem Garten ist Obst, Gemüse, Blumenwerk, wir hegen es, und teilen den Menschen gerne mit, die um uns sind, und unterrichten sie.«

»Ich bin mit Leuten aus dem Walde, welche in den Krieg gingen«, sagte Witiko, »und welche sich dann meiner Führung anvertrauten, zu dem jetzigen Herzoge Wladislaw gezogen.«

»Wladislaw, der Sohn unseres verstorbenen Herzoges Soběslaw«, sagte Silvester, »hat nicht geantwortet, als sein[446] Vater auf dem Sterbebette zu ihm gesagt hatte, er solle sich Wladislaw, der jetzt Herzog ist, unterwerfen. Dann hat er sich dem Herzoge von Znaim, Konrad, gegen Versprechungen hingegeben. Den jetzigen Herzog Wladislaw haben viele Herren der Länder Böhmen und Mähren gewählt, und sie haben sich die Macht zur Wahl selber gegeben. Und so ist jetzt überall kein Recht. Seit dem Aufhören der Alterserblichkeit sind die Herzoge durch die Gewalt Herzoge gewesen, und wir haben ihnen gehorcht. Der Herzog Wladislaw ist auch durch die Gewalt Herzog, und die Guten sind zu ihm gegangen. Was Bolemil getan hat, was Lubomir getan hat, und was der rechtschaffene Diwiš getan hat, das hast du auch getan, mein Sohn.«

»Ich meine, Wladislaw handelt wie ein guter Herzog«, sagte Witiko.

»Er hat bisher so gehandelt«, antwortete Silvester, »und ich glaube, daß er auch im Künftigen so handeln wird. Er ist großmütig, wie sein Vater großmütig gewesen ist. Er ist ein besserer Mann als Wladislaw, der Sohn Soběslaws. In diesem Gedanken hat der ehrwürdige Bischof Zdik gehandelt. Das Gute, das geworden wäre, wenn die Männer auf dem Wyšehrad an dem Rechte gehalten hätten, und das Gott auch mit dem minderen Manne Wladislaw eingeleitet hätte, kann nun nicht mehr werden. Der Herzog Wladislaw wird ein anderes Gute bringen, und er wird das Schlechte, das aus dem Unrechte auf dem Wyšehrad folgen muß, zu vermindern streben, wie er es jetzt schon getan hat. Aber er wird nicht alles vermeiden können, wie er es jetzt nicht vermocht hat. Heiligtümer sind dahin, Menschenleben sind verloren, und Gut ist zerstört. Das Gericht ist viel früher gekommen, als ich gedacht habe, und mancher steht vor Gottes Thron, und muß sagen, was er getan hat. Načerat, der Höchste, ist erschlagen worden, und sein Sohn, der blühte, ist von[447] einem Manne gefallen, dessen Namen vorher nur die nannten, denen er die Hufe der Rosse beschlagen hatte. Ich bedaure den wohlmeinenden Zdik. Mein Gebet um Schonung ist nicht erhört worden, weil ich sündig bin, und Gott weiser ist. Das Gericht dauert noch fort, viele Lippen werden klagen oder beten oder fluchen. Ich ziehe nicht in den Krieg; aber ich bitte Gott, daß Wladislaw siege.«

»Und wie wird er dann gegen die Herzoge verfahren?« fragte Witiko.

»Wenn sie sich reuig unterwerfen, wird er ihnen verzeihen, und sie noch mit Gnaden begaben. Er wird selbst dem undankbaren Otto nicht nach dem Leben streben.«

»Wenn er doch dem verblendeten Wladislaw verziehe, und den andern Kindern Soběslaws stets liebevoll wäre«, sagte Witiko.

»Er wird es sein«, sagte Silvester, »wie er es bis jetzt gewesen ist, und wie er ehrerbietig gegen die sanfte Adelheid gewesen ist. Den Knaben Wladislaw, der sich sein eigenes Recht nicht zu erhalten wußte, achtet er nicht hoch, und fürchtet ihn nicht.«

»Ich möchte recht gerne Wladislaw einen großen Dienst tun können«, sagte Witiko, »daß ich das Recht gewänne, für die Kinder Soběslaws zu bitten.«

»Das Recht hast du auch jetzt schon«, antwortete Silvester, »wie ein jeder. Wladislaw ist für dich gut gesinnt. Er erkennt die Treue, die du Soběslaw erwiesen hast, und mit der du an ihm halten wirst.«

»Ich werde ihm die Treue bewahren«, sagte Witiko, »wem ich den ersten Dienst tue, dem tue ich auch den zweiten und den dritten, und alle, wenn auch er die Treue gegen die Seinigen bewahrt.«

»Er wird sie bewahren«, sagte Silvester, »die Reichen und Mächtigen der zwei Länder sind gegen ihn, die Geringeren sind mit ihm, er wird sie belohnen, daß sie ihm in[448] der Beherrschung der Länder beistehen, und wird an ihnen halten, wie er an dir gehalten hat, da du noch gar nicht bei ihm warst. Er hat in Nürnberg mit dem hochehrwürdigen Kardinale Dietwin geredet, daß der Heilige Vater in Rom einen Boten in das Land Böhmen schicke. Mögen ihn die Engel begleiten, daß der Glaube, den der gottselige Herzog Bořiwoy gegründet hat, und den die Heiligen Wenzel und Adalbert zu befestigen gestrebt haben, die Gewalttätigkeit hindert, die noch in den Geschlechtern lebt, und daß der Glaube über allem sei, wie dieses geschnitzte Bild des Heilandes, das einmal ein guter Abt dieses Klosters, Božetěch, mit seinen eigenen Händen verfertigt hat, vor den Geräten des Gemaches hervorragt, die zu täglichem Dienste sind. Du hast öfter mit Besonnenheit gehandelt, Witiko, wandle in Demut vor Gott, und trachte nicht nach Macht, dann werden die Deinigen Großes wirken, wenn sie nicht auch Bedrückung und Gewalt üben, und sich dadurch zerstören. Der Herzog Wladislaw kann Ruhm und Ansehen über dieses Land bringen, mir deucht, er hat etwas, das dieses vermag; aber ich meine, daß es besser wäre, wenn er in dem Lande mit Segen, als draußen mit Ruhm genannt würde. Doch, wie es Gott fügt, ist es gut.«

»Ich werde tun, wie Ihr gesagt habt, hochehrwürdiger Vater«, antwortete Witiko, »und will Euch als ein Vorbild meiner Handlungen nehmen.«

»Dann tust du nicht gut, Witiko«, sagte Silvester, »wähle dir dein Vorbild aus den christlichen Helden, die gelebt haben, oder aus den Männern in unsern Ländern, die Krieger und doch weise und mäßig sind.«

»Ich trage noch eine Bitte in mir, ehrwürdiger Vater, derentwillen ich eines Teiles zu Euch gekommen bin«, sagte Witiko.

»So sprich«, entgegnete Silvester.

»Ich habe auf einem Zuge, den ich mit meiner Schar und[449] mit Odolens Schar machte, die Herzoge Wratislaw, Otto und Wladislaw im Kampfe absichtlich entrinnen lassen«, sagte Witiko, »damit sie zu Konrad von Znaim kämen, und ihm berichteten, wie seine Sache ohne Hoffnung sei, daß er abziehe, und der weitere Krieg vermieden würde. Sagt mir, hochehrwürdiger Vater, ob das, was ich getan habe, gut ist, wie Ihr gut nennt.«

»Ich weiß es, was du getan hast«, sagte Silvester, »und ich meine, daß es nicht gut ist. Du hast dich dem Herzoge als Krieger verpflichtet, und hattest nur zu tun, was die Sache des Krieges ist.«

»Ich danke Euch, hochehrwürdiger Vater, für alle Worte, die Ihr zu mir gesprochen habt«, sagte Witiko, »es ist gut, daß ich Euer Urteil weiß.«

»Und was wirst du denn jetzt, da noch Ruhe ist, beginnen?« fragte Silvester.

»Ich werde nach Přic gehen«, antwortete Witiko, »dann werde ich zu meiner Mutter gehen, die ich schon lange nicht gesehen habe, und wenn die Zeit ist, in der ich wieder einen kleinen Dienst tun kann, werde ich kommen.«

»Handle so, mein Sohn«, sagte Silvester. »Enden wir die Rede, es naht die Stunde des Mittagmahles, folge mir in das Speisegemach, und teile unser Brod und unsern Trunk mit mir und meinen Brüdern. Lasse dein Pferd pflegen, oder pflege es selber, wie du gewohnt bist, und bleibe so lange in dem Kloster, als es dir gefällt.«

Mit diesen Worten erhob er sich von seinem Sitze, Witiko erhob sich auch, und in kurzem gingen die zwei Männer aus dem Gemache, und wandelten durch den Gang in die Speisestube.

Witiko blieb vier Tage in dem Kloster an der Sazawa, und betrachtete die Gegenstände, welche in dem Kloster waren, und die Wälder und die Gärten und die Felder.

Am fünften Tage nahm er Abschied. Silvester sprach:[450]

»Komme wieder, du wirst mit Freundlichkeit empfangen werden.«

»Ich werde kommen«, sagte Witiko, »weil Ihr so gut seid.«

Dann bestieg er sein Pferd, und ritt in der Richtung gegen Přic davon.

In dem Hofe von Přic, der dem Geschlechte Witikos gehörte, blieb er eine lange Zeit, und tat, wie er dem Hofe für ersprießlich hielt.

Eines Tages kam gegen den Untergang der Sonne ein Mann geritten, welcher ein braunes weites Gewand an hatte, das mit einem schwarzen Lederriemen gegürtet war. Auf dem Haupte hatte er eine braune Filzhaube ohne Feder oder sonstiges Zeichen. Aus dem Angesichte floß ein langer brauner Bart auf das Gewand. Von Waffen konnte man nichts an ihm bemerken. Der Mann begehrte eine Nachtherberge in dem Hofe. Sie wurde ihm gewährt. Witiko sagte zu dem Knechte »Kuto, führe das Pferd in den Stall.«

Er selber führte den Mann in die große Stube. In derselben setzte sich der Mann auf die Bank neben dem großen Buchentische. Eine Magd stellte Brod und Salz und einen Krug mit Bier auf den Tisch. Der Mann nahm von dem Brote und Salze, und trank von dem Biere. Dann, da es zu dem Abendessen kam, erhielt er ein Stücklein geräucherten Schweinfleisches. Witiko wies ihm hierauf eine Schlafkammer an. Als der nächste Morgen erschienen war, sagte Witiko zu dem Knechte: »Kuto, ich werde mit dem fremden Manne fort reiten, und du mußt mich geleiten. Richte dich zurecht.«

Dann sagte er: »Mira, Glota, Wacemil, ihr hütet mit den andern das Haus, bis ich wieder komme.«

Dann legte er sein Ledergewand an, und in kurzer Frist ritten die drei Männer von dem Hofe weg.

Sie ritten mittagwärts dem Walde zu. Im Walde ritten[451] sie auf einem schmalen Pfade zwischen die Bäume hinein. Sie ritten auf dem Pfade unablässig fort. Zuweilen trank einer aus einer Quelle, die an allen Orten im Walde rieselten. Da es wärmer wurde, hielten sie auf einem Rasenplatze an, neben dem ein Bach floß, und gaben den Pferden etwas Nahrung und Trank. Dann ritten sie wieder weiter.

Am Mittage kamen sie zu Waldhütten, die den Namen Elhenic hatten. Dort gaben sie den Pferden ihre Mittagpflege, und sie selber aßen Gerstenbrote, Milch und Eier, und tranken von dem Waldwasser. Nach zwei Stunden ritten sie wieder ihres Weges. Sie ritten nur einmal noch am Nachmittage an Hütten vorüber, die den Namen Tiš führten. In der Zeit nach der Hälfte des Nachmittages nährten sie ihre Pferde wieder ein wenig, und setzten dann ihren Weg fort. Sie kamen in den dichten Wald des Andreasberges und von ihm hinunter auf Ogfolds Heide, auf welcher schon die Büsche und Gräser von der untergehenden Sonne rot waren. Von Ogfolds Heide ritten sie den hohen Tannenwald hinan, und dann seinen langgestreckten Abhang hinunter, und dann wieder hinan, und wieder hinunter. Am Ende des letzten Abhanges gelangten sie in freies Land. Sie sahen an dem Abendhimmel einen flachen kegelartigen Berg. Sie ritten an seiner linken Seite dahin, und erblickten dann den keildachigen Turm und die Kirche und dann die mittagwärts hinabgehenden Häuser des oberen Planes. Sie ritten in den Ort, und von ihm wieder hinaus in das steinerne Haus Witikos.

Die Bewohner des Hauses schliefen schon. Witiko stieg von dem Pferde, und klopfte mit dem Klöppel an die Tür. Ein Fenster wurde geöffnet, Martin sah heraus, und tat einen Ruf der Freude, da er Witiko erblickte. Er öffnete hierauf das Hoftor, und Witiko ging mit seinem Pferde hinein, und der Fremde und Kuto ritten in den[452] Hof. In demselben stiegen sie ab. Es kam nun auch Raimund, der Knecht, und Lucia, die Magd. Martin klagte, daß man drei Pferde nicht werde in den Stall bringen können, wenn man nicht die Kühe in den Schoppen stelle. Witiko ließ die Pferde in den Schoppen führen, und dort anhalftern. Die Magd Lucia sendete er in die Stube um ein Licht in einer Laterne. Als sie damit zurückgekommen war, wurden die Pferde weiter versorgt, und es wurde längs der offenen Seite des Schoppens eine Mauer aus Strohbünden gemacht. Dann gingen die Männer in die Stube. Lucia brachte Brod und Salz und Butter und Käse. Sie wollte um Bier zum Schenken gehen; Witiko ließ aber nicht zu, daß sie jemanden wecke. Die Männer aßen von dem Brote, vom Käse und Butter, und tranken Wasser, welches ein Strahl lieferte, der hinter dem Hause in eine Steinkufe rann. Dann suchten sie die Nachtruhe.

Am nächsten Morgen sendete Witiko Kuto zurück, und sagte dem Knechte Raimund, daß er sich rüste, ihm und dem Manne in dem braunen Gewande zu folgen. Da alles in Bereitschaft war, und da die Männer die warme Milch, welche Witiko hatte bereiten lassen, getrunken hatten, bestiegen sie ihre Pferde. Raimund war in das grobe graue Gewand gekleidet, das man in der Gegend hatte, trug eine kurze Wurflanze in der Hand, und hatte ein kleines Beil in die Schleife seines Sattels gesteckt. Sie ritten nun auf dem Wege gegen den Wald des heiligen Thomas, und nach kurzer Frist lenkte Witiko von dem Wege gegen mittagwärts. Sie kamen bald an das Ufer der Moldau, und durchritten das Wasser, das an dieser Stelle seicht war, und ritten jenseits im Sumpfgrunde auf einem festen Riegel einem rauschenden Bache entgegen. Sie kamen in den dichten Wald der Glöckelberge, ritten in ihm drei Stunden lang fort, und gelangten dann zu dem Berge des heiligen Ulrich hinunter. Dort hielten sie Mittagruhe[453] und Mittagpflege in den Gefilden des bayrischen Herzoglandes. Nach zwei Stunden Rast ritten sie in der Richtung zwischen Abend und Mitternacht an dem Wasser der entgegen kommenden Mihel weiter, und da noch die Sonne hoch am Himmel stand, bogen sie wieder von der Mihel gegen Mitternacht, und ritten dem Hause zu, in dessen Nähe Witiko an einem Sonntage das Mädchen Bertha mit Waldrosen bekränzt gefunden hatte, und wo er als Gast aufgenommen worden war.

Die Männer ritten an das Tor des Hauses. In dem Tore öffnete sich ein Schubfach, und das Haupt eines Knechtes sah heraus. Dann schloß der Knecht das Fach, und öffnete das Tor. Unter dem Bogen des Tores stand Heinrich, und sagte zu Witiko: »Seid gegrüßt. Es ist gut von Euch, daß Ihr auf meine Einladung nicht vergessen habt, und wieder einmal in mein Haus gekommen seid. Ihr werdet mit den Eurigen freundlich in demselben aufgenommen.«

»Ich danke Euch«, entgegnete Witiko, »wir bitten nur um Raum zu einer kurzen Rast für heute, um etwas Nahrung für uns und unsere Pferde und um eine Herberge für die Nacht. Mit dem frühen Morgen werden wir unsern Weg wieder betreten.«

»Wie es Euch gefällt, und wie Ihr in Absicht habt«, entgegnete Heinrich, »es wäre ein Unrecht, den Gast zu zwingen, länger zu bleiben, als er will, er wisse nur, daß er gerne begrüßt wird.«

»Ich danke Euch für Eure Gesinnungen«, sagte Witiko.

»So reitet ein«, antwortete Heinrich.

Nach diesen Worten trat er seitwärts, und Witiko ritt mit seinen Gefährten in den Hof. Dort stiegen sie von den Pferden. Der Knecht, welcher das Tor geöffnet hatte, und ein anderer, welcher herbei gekommen war, nahmen die Pferde, und führten sie in den Stall. Heinrich geleitete Witiko gegen eine Tür, die von dem Hofe in das Gebäude[454] ging, die zwei andern folgten. Als sie an der Tür angelangt waren, sah Witiko, daß von ihr mehrere Stufen empor führten. Er stieg mit seinem Gastherrn die Stufen hinan. Dann gelangten sie in einen Gang, in dessen Mitte ein Fallgitter war, unter welchem sie hindurch gingen. Dann kamen sie an eine Tür. Heinrich öffnete sie, und ließ die Männer in ein Gelaß, welches aus zwei Gemächern bestand, und Geräte und Betten hatte.

»Hier haltet Rast und Herberge, Witiko«, sagte Heinrich, »Ihr seid von allem Geräusche entfernt. Und wenn es Euch dann genehm sein wird, so kommt zu meiner Haufrau, sie zu begrüßen.«

»Ich werde bald kommen«, entgegnete Witiko, »sagt der hohen Frau indes meine Ehrerbietung.«

»Ich werde es tun«, antwortete Heinrich, »und gehabt euch wohl.«

»Gehabt Euch wohl«, sagte Witiko.

Heinrich verließ die Gemächer.

Die drei Männer standen nun in dem Raume, der ihnen angewiesen worden war.

»Ich werde nach den Pferden sehen«, sagte Raimund.

»Tue das«, entgegnete Witiko, »ich werde dir so gleich folgen.«

Raimund ging fort, der Mann in dem braunen Gewande setzte sich auf ein Gesiedel, das in einer Ecke stand, und Witiko verließ nun auch das Gemach.

Als er in den Hof kam, sah er dort den Knecht, welcher das Tor geöffnet hatte.

Der Knecht näherte sich ihm, und sagte: »Das ist sehr gut, daß Ihr gekommen seid, das ist sehr gut.«

»Es kann gut sein«, sagte Witiko, »und es freut mich, daß du das sagst.«

»Und das schöne Pferd habt Ihr auch noch, das bei den Köhlern gestanden ist«, sagte der Knecht, »und Ihr werdet wieder zu ihm gehen, wie damals.«[455]

»Das werde ich tun«, antwortete Witiko, »wie heißest du denn?«

»Hando«, erwiderte der Mann.

»Nun, Hando«, entgegnete Witiko, »du wirst mir wohl behilflich sein, wenn ich etwas brauche.«

»Es ist der Befehl des Herrn, daß ich bei den Pferden bleibe«, sagte Hando, »ich glaube, daß Euer Pferd sehr rechtschaffen sein wird.«

»Es ist schon rechtschaffen gewesen, und wird wieder rechtschaffen sein«, sagte Witiko.

Nach diesen Worten ging Witiko von dem Knechte in den Stall. Er sah, daß die Pferde gut eingestellt und mit Decken versorgt worden waren. Er sagte Raimund noch genauer, was er tun solle, streichelte sein graues Pferd, und ging dann fort. Er ging über den Hof, und suchte den Saal, in welchem er einst von Heinrich empfangen worden war, und in welchem man das Mittagmahl eingenommen hatte. Er kam in den Saal. Der Saal war gerade so wie damals, er hatte die Tische, die Waffen, und an einem Fensterpfeiler hing auf einem Nagel ein Kopfgoldreifchen mit kleinen Öffnungen. Es war aber niemand in dem Saale. Witiko ging durch eine Tür in ein weiteres Gemach. Auch dieses war leer. Als er in demselben stand, hörte er Tritte kommen, und Heinrich ging herein. Er führte Witiko durch ein zweites Gemach, das gleichfalls leer war, in ein drittes, in welchem Wiulfhilt saß. Sie stand von dem Stickrahmen auf, und ging Witiko entgegen.

»Seid willkommen, Witiko«, sagte sie.

»Ich bringe meinen ehrerbietigen Gruß«, sagte Witiko, »ich bin in Euer gastliches Haus gekommen, hohe Frau, um darin um eine Nachtherberge zu bitten.«

»Und mein Gemahl und ich gewähren sie«, entgegnete die Frau, »und würden viele Nachtherbergen gewähren.«[456]

»Mein Weg ruft mich morgen wieder weiter«, entgegnete Witiko.

»So genießet heute, was unser Haus vermag«, sagte Wiulfhilt.

Nach diesen Worten ging sie zu ihrem Sitze, und lud Witiko ein, sich auch nieder zu setzen.

Er tat es. Heinrich setzte sich auch.

Wiulfhilt richtete ihre blauen Augen auf Witiko, und sagte: »Ihr seid vier Jahre nicht in unserem Hause gewesen.«

»Ich habe oft an dasselbe gedacht«, entgegnete er.

»Dann gebt Ihr jenen Stunden, die Ihr da waret, ein gutes Gedächtnis«, sagte Wiulfhilt.

»Oft denkt man weniger Stunden, und vergißt vieler«, antwortete Witiko.

»Ja, so ist es«, entgegnete Wiulfhilt, »und wie Ihr in jener Zeit nicht einmal eine Nacht unter unserem Dache geblieben seid, so wollt Ihr heute auch wieder nur nach einer Nacht weiter.«

»Es hat sich alles gefügt«, sagte Witiko, »und fügt sich jetzt auch wieder.«

»Nun, so gehorcht Eurer Fügung, und möge sie immer eine günstige sein«, erwiderte die Frau.

»Es wechselt das Gute mit dem Übeln«, sagte Witiko.

»Und mit dem Ehrenvollen«, entgegnete Wiulfhilt, »Ihr seid lange bei dem böhmischen Herzoge Soběslaw gewesen, und seid von ihm zu dem Landtage geschickt worden.«

»Ich bin ein Jahr in Böhmen gewesen, da Soběslaw herrschte, und nur wenige Tage bei ihm, da er sich zum Sterben rüstete«, sagte Witiko, »und es ist kein Landtag gewesen, zu dem ich gegangen bin, erhabene Frau, sondern eine freiwillige Versammlung der Herren der Länder Böhmen und Mähren, um für das Sterben Soběslaws einen Nachfolger zu wählen, obgleich sie schon dem Sohne Soběslaws den Eid geleistet hatten. Ich bin auch[457] nicht zu der Versammlung geschickt worden, sondern Soběslaw, der mir traute, wollte nur wissen, was in seiner Krankheit geschehe. Ich bin selber in die Versammlung gegangen.«

»Und Ihr habt dort geredet«, sagte Wiulfhilt.

»Und sie haben mich ihren Beratungen und Beschlüssen zuhören lassen«, antwortete Witiko.

»Seid Ihr bei dem Tode Soběslaws gewesen?« fragte Heinrich.

»Ich habe ihn sterben gesehen«, antwortete Witiko.

»Er hat sich dem Hohenstaufen Konrad verbündet, und ist ein Feind unseres verstorbenen Herzoges Heinrich gewesen«, sagte Heinrich, »aber ich habe ihn doch geehrt, und habe es ihm gezeigt, wenn ich ihn gesehen habe.«

»Habt Ihr seine Adelheid gesehen, Witiko?« fragte Wiulfhilt.

»Ich habe mit ihr gesprochen, und sie hat mir die Geschenke des Herzogs für meinen Dienst gegeben«, antwortete Witiko.

»Wie hat sie den Tod ihres Gemahles ertragen?« fragte Wiulfhilt.

»Sie hat für ihn gebetet, und ist in Trauer gestorben«, sagte Witiko.

»Wir haben davon gehört«, entgegnete Wiulfhilt; »ist für ihre Kinder gesorgt worden?«

»Der Herzog Wladislaw ist ehrfurchtvoll gegen Adelheid gewesen«, sagte Witiko, »er ist großmütig gegen ihre Kinder, und er wird selbst gegen den aufständigen Wladislaw nicht hart sein.«

»Ihr seid, da auf dem Herzogstuhle gewechselt worden, lange in dem oberen Plane gewesen, Witiko«, sagte Wiulfhilt.

»Da ist eine traurige Zeit verflossen«, entgegnete Witiko, »ich wollte dem neuen Herzoge nicht dienen, und bin in dem kleinen Hause geblieben, das wir in Plan besitzen.[458] Ich habe nur mit den Waldleuten geredet und einmal mit einem alten Župane und zwei kleinen Herren des Landes, ich habe meine Mutter nicht gesucht, und konnte nichts tun, als was ein Knecht bei einem kleinen Hausverwalter tut.«

»Ihr habt Euch aber dann dem Herzoge Wladislaw zugewendet«, sagte Heinrich.

»Da der andere Wladislaw, der Sohn Soběslaws, sein Recht aufgegeben hatte, bin ich im Gedächtnisse der Sterbeworte Soběslaws, die seinem Sohne die Unterwerfung an Wladislaw angeraten hatten, zu dem Herzoge gegangen.«

»Und Ihr seid in der Schlacht gegen die Mährer und bei den anderen Kämpfen gewesen«, sagte Heinrich.

»Nicht bei allen, da ich anderwärts hin befohlen wurde«, antwortete Witiko.

»Wladislaw ist der Sohn des Herzoges Wladislaw, der ein starkmütiger Mann gewesen ist, und er ist der Neffe des Herzoges Soběslaw, der auch ein starkmütiger Mann gewesen ist, und er wird selber starkmütig sein«, sagte Heinrich.

»Gegen mich ist er gut und freundlich gewesen«, sagte Witiko.

»Es wäre ersprießlich, wenn auch in unserem Herzogtume Baiern alles geordnet würde«, sprach Heinrich, »es haben in den Kämpfen viele Männer, denen noch eine lange Zeit auf der Erde bevor stand, das Leben verloren, andere haben auch sonst ihr Ende gefunden. Unser hochsinniger Herzog Heinrich, der zwischen den Meeren gebot, und dem der Kaisermantel gebührte, ist aus der Welt gegangen, Richenza, die Witwe des Kaisers Lothar, die als Heldin bei den Sachsen stand, ist in das Grab gestiegen, und Leopold, der Markgraf von Österreich, den der König Konrad mit dem Herzogtume Baiern belehnt hatte, und der sich dieses Herzogtum mit allen Kräften erstreiten wollte, liegt in der Erde. Und Adalbert, der[459] Erzbischof von Mainz, der dem Könige Konrad so feindlich gewesen ist, mußte von hinnen. Jetzt vermählen sie die Witwe unseres hohen verstorbenen Herzoges dem feindlichen Geschlechte, Heinrich, dem Bruder Leopolds, dem Markgrafen von Österreich. Das Söhnlein unsers mutvollen Herzoges belohnten sie mit Sachsen, und Baiern behält der König Konrad noch für einen Ergebenen in der Hand. So meinen sie es geendiget zu haben. Aber es wird wieder auferstehen, und mancher Mann, nachdem er in vielen Ländern und Kämpfen gewesen ist, kann sich den Sitz der Ruhe nicht gründen, indes die besten Jahre dahin gehen.«

»Tragen wir es«, sagte Wiulfhilt, »Gott kann alles fügen, und kann uns Freuden bereiten, die wir gar nicht vermutet haben.«

»So füge er es«, antwortete Heinrich, »und füge es bald. Ihr habt Euch bei den Leuten Vertrauen erworben, die in dem Walde wohnen, Witiko.«

»Ich liebe das lange und breite Waldesband und seine Leute«, sagte Witiko.

»Im Walde stehen noch viele Dinge bevor«, sagte Heinrich, »beachtet sie, Witiko.«

»Ich suche nach dem Rechten zu streben, so wie ich es verstehe«, sagte Witiko.

»Tut immer so, dann könnt Ihr manches erreichen«, entgegnete Heinrich.

»Ihr seid in den Jahren, die wir Euch nicht gesehen haben, viel stattlicher geworden, Witiko«, sprach Wiulfhilt.

»Die Jugend ändert sich schnell«, sagte Heinrich, »in späteren Zeiten ist man oft Jahre lang gleich.«

»Ihr scheint mir auch wirklich wie damals, hochedle Frau«, sagte Witiko, »selbst die Haare tragt Ihr wieder im Goldnetze.«

»Das ist so die Gewohnheit«, sagte Wiulfhilt, »habt Ihr Euch das gemerkt?«[460]

»Es ist so, als wäre seit jenen Tagen keine Zeit vergangen«, sagte Witiko.

»Nun, wenn Ihr wieder nach mehreren Jahren erst abermals hieher kommt«, sprach Heinrich, »möget Ihr uns dann auch als die gleichen und nicht älter sehen als heute.«

»Oder mögen alle Verwirrungen enden, und möget Ihr bald wieder zu uns kommen, und länger bleiben«, sagte Wiulfhilt.

»Wenn ich den freundlichen Empfang wie die zwei Male erwarten darf, werde ich wiederkommen«, antwortete Witiko.

»Der Empfang wird immer gut sein«, erwiderte Heinrich.

»Ich habe Euch, erhabene Frau, den Ankunftsgruß gebracht«, sagte Witiko, »und Eure Zeit genommen. Erlaubet, daß ich Euch nun verlasse.«

Mit diesen Worten stand er von seinem Sitze auf.

Wiulfhilt sagte: »Nehmt noch einmal das Willkommen, und handelt bei uns nach Euerm Gefallen.«

»Gebraucht Eure Zeit nun für Euch, Witiko«, sagte Heinrich, »und seid gedenk, daß Ihr, wenn die Glocke schallt, mit den Eurigen zum Abendessen kommt.«

»Ich werde folgen«, antwortete Witiko.

Er verließ hierauf das Gemach.

Er ging jetzt wieder in die Kammern, die ihm zur Herberge angewiesen worden waren. Dort standen auf einem Tische Speisen und Wein; aber es saß niemand vor ihnen. Raimund war nicht da. Der Mann in dem braunen Gewande lag angekleidet auf einem Bette, und schlief.

Witiko verließ nun auch die Gemächer wieder.

Er ging durch den Hof in das Freie. Dort lenkte er seine Schritte dem rauschenden Wasser entgegen, das von dem Walde der drei Sessel herab floß. Er ging auf dem weichen Rasen dem Wasser entgegen und dem großen breit aufsteigenden Walde zu. Als er an den Rand desselben[461] gekommen war, teilte sich der Weg. Der eine Zweig ging gerade zwischen den Stämmen empor in der Richtung gegen die drei Sessel, der andere ging links an dem Saume des Waldes fort. Witiko wendete sich gegen diesen Pfad. Da sah er in der Tiefe unten, in welche ein Arm des Wassers hinab floß, auf einem Steinblocke zwischen Gebüschen den Mann mit den schwarzen krausen Haupthaaren sitzen, der einmal im Hauzenberge den Topf mit Draht umwunden, und den Heinrich im Waldhause Wolf geheißen hatte. Der Mann blöckte seine weißen Zähne gegen Witiko, lächelte, und wies öfter mit seinem Finger in der Richtung des Waldsaumweges hin.

Witiko ging auf diesem Wege fort.

Er ging zuerst an dem Waldrande, dann zwischen Stämmen, dann wieder frei an dem Waldrande, immer aufwärts. Dann gelangte er zu einem sehr großen Granitsteine, der aus dem weichen Grase emporstand, und höher als eine Waldhütte war, und nach unten auf Ahorne und das Waldhaus und weiter hin auf Berge blicken ließ. Vor dem Steine war eine Bank aus Holz, und neben der Bank stand Bertha, die Tochter Heinrichs. Zu ihren Füßen war grüner Rasen, unter ihr graues Gestein, ober ihr graues Gestein, und hinter ihr der dunkle Wald.

Sie hatte nicht wie damals, da Witiko sie zuerst gesehen hatte, die weißen Ärmel des Hemdes und die Zöpfe, sondern ein reiches veilchenfarbenes Kleid und die Haare in einem silbernen Netze.

Sie stand, und sah auf Witiko, Witiko sah auf sie.

Dann sagte sie: »Bist du gekommen, Witiko?«

»Ich bin gekommen«, sagte er, »und du stehst wieder wie meine Weissagung am Rande des Waldes, aber ohne Rosen.«

»Man könnte allerlei Kränze tragen«, sagte Bertha, »von dem Heidekraute, von dem wohlriechenden Kunigundenkraute, von den grünen Blättern der Preußelbeeren.«[462]

»Die dunkelrote Waldrose ist dein schönster Schmuck«, entgegnete Witiko, »und mein Glück. O Bertha, du bist sehr schön geworden.«

»Du bist auch schön geworden, Witiko«, sagte Bertha, »und du bist zwei Jahre in dem oberen Plane jenseits des Waldes gewesen.«

»Meine Mutter hat dort ein kleines Haus«, antwortete Witiko.

»Und in dem Hause bist du gewesen«, sagte Bertha, »du hast geholfen, kleine Arbeit zu tun, du bist zu Leuten in die Stuben gegangen, du hast Leute in deine Stube geladen, du bist auf deinem grauen Pferde die Wege um Plan geritten, du hast Nachbarn in dem Walde und fern des Waldes besucht, und bist auf den Berg gegangen, auf welchem das rote Kreuz steht.«

»Ich habe von dem Berge auf die Wälder geschaut, die rings um ihn zu sehen sind«, antwortete Witiko.

»Die Mädchen von Plan nennen den Berg Witikos Berg«, sagte Bertha.

»Das habe ich nie gehört«, entgegnete Witiko.

»Sie haben ihn so genannt, als du dort warest«, erwiderte Bertha, »und nennen ihn so, da du fort warest. Du bist mit den Leuten des Waldes auf den Berg Wysoka und in die Stadt Prag gegangen, und hast sie wieder in ihre Heimat zurückgeführt.«

»Woher weißt du denn diese Dinge, Bertha?« fragte Witiko.

»Von der Moldau sind viele Wege herüber, mancher heilige Mann geht sammeln, und unser Knecht Wolfram kennt alle Fluren.«

»Der Berg heißt der Kreuzberg«, sagte Witiko.

»Du bist zu dem Herzoge Soběslaw gegangen, und hast ihm treu gedient«, sprach Bertha.

»Er ist unserm Lande ein gerechter und wohltätiger Herrscher gewesen«, sagte Witiko.[463]

»Du bist zu ihm auf die Burg gegangen, da er sich zum Sterben rüstete«, sagte Bertha, »und bist bei ihm geblieben, da sich die Herren zur Wahl eines Nachfolgers versammelten.«

»Manche sind treu geblieben, manche sind abgefallen« sagte Witiko.

»Und du bist für den Herzog nach Prag gegangen«, sprach Bertha, »bist in die Versammlung der Herren gegangen, hast sie bewogen, hast sie gehört, und dem Herzoge die Botschaft gebracht.«

»So ist es gewesen, Bertha«, sagte Witiko.

»Und du bist bei des Herzoges Sterben und seiner Bestattung gewesen«, sagte Bertha, »und bist von dem neuen Herzoge auf zwei Jahre Groll in den Wald gegangen.«

»Nicht auf Groll«, antwortete Witiko, »sondern ich habe dem Herzoge nicht gedient, weil noch das Recht bei Wladislaw, dem Sohne Soběslaws, war.«

»Und nach dem Ende dieses Rechtes«, sagte Bertha, »bist du mit den Guten zu dem andern Wladislaw gegangen, du bist in der Schlacht auf dem Berge Wysoka gewesen, du hast den Schaden der Verräter gut gemacht, du hast nach dem Tode Smils den Befehl über die Waldleute geführt, und hast in dem Kampfe ein weißes Schild mit der dunkelroten fünfblättrigen Waldrose getragen.«

»Was ich getan habe, weiß ich nicht mehr genau«, antwortete Witiko, »aber den weißen Schild mit der dunkelroten fünfblättrigen Waldrose habe ich getragen.«

»Ihr seid, du und die Waldleute, mit dem Herzoge nach Prag gezogen«, sagte Bertha, »du bist ihr Führer geworden, du bist mit dem Herzoge zu dem Könige Konrad nach Nürnberg geritten, du hast mit Odolen die Feinde geschlagen, und hast die mährischen Fürsten entrinnen lassen. Der Herzog hat in dem Gerichte darüber dich geehrt, und du bist mit den Waldleuten wieder nach Plan gegangen.«[464]

»So ist alles, Bertha«, sagte Witiko.

»Ich weiß es«, antwortete Bertha; »aber weißt du, was ich gesagt habe?«

»Nein, ich weiß es nicht«, antwortete Witiko.

»Ich habe gesagt«, entgegnete Bertha, »keiner soll mein Gatte werden, der nicht ist wie Witiko, oder er selber soll mein Gatte werden. So habe ich gesagt. Ihr aber, edler Witiko, seid nicht zu uns gekommen, und wisset nur, als ich Euch heute in unsern Hof reiten sah, bin ich von Euch fort zu dem Walde gegangen.«

»Und ich habe dich in dem Walde gesucht«, antwortete Witiko, »und mein Himmelgeschick hat mich dich finden lassen wie an jenem Sonntage. Du Bild des heitern Sonntages, Bertha, ich habe deinen roten Mund nicht vergessen, der auf den sonnigen Steinen gesprochen, und dein Auge nicht, das in dem Walde geglänzt hat. Da ist die schöne Dimut in dem Turme von Rowna, da ist die schöne Herzogin Gertrud in der Hofburg in Prag, da wandeln die schönen Frauen und Jungfrauen in den Straßen und Gärten von Prag, und wohnen in den hohen Häusern und Schlössern, da sind in dem Hoflager des Königs Konrad und in Nürnberg Frauen und Jungfrauen voll der Schönheit, in Plan, in Daudleb, in Wettern, in Friedberg, im Walde sind die Mädchen wie die Rosen; ich aber habe nicht vergessen, daß ich mit dir auf den Steinen des Waldes gesessen bin, und daß du höher bist als die Rosen.«

»Und doch hast du den Weg über den Wald herüber zu mir nicht gesucht«, sagte Bertha.

»Ich habe zu dir in jenem Walde unten einmal gesagt«, antwortete Witiko, »daß ich ein rechter Mann werden wolle. Und weil ich noch kein rechter Mann geworden war, bin ich aus Scham nicht gekommen, Bertha. Aber auf dem Kreuzberge bin ich gestanden, und habe auf den Wald geschaut, hinter dem ich dich zum ersten Male gesehen[465] habe, und habe wieder auf den Wald geschaut. Ich wäre auch heute nicht gekommen, nur ein kleiner Umstand hat mich hergeführt. Aber ich wäre einmal gekommen, wenn ich ein rechter Mann geworden wäre, und hätte dann gesehen, ob du denkest wie ich.«

»Ja, Witiko, so ist auch alles recht, wie du getan hast«, sagte Bertha.

»Und ich werde kommen«, sagte Witiko.

»Und du weißt schon, wie ich denken werde«, sagte Bertha.

»So ist alles gut und klar«, sagte Witiko.

»Baue dir ein Haus, Witiko«, sagte Bertha, »und wenn dann noch keine Makel an dir ist, so folge ich dir, und harre bei dir bis zum Tode. Dann rede zu den Männern deines Landes, bringe sie zu dem Großen, und tue selber das Große.«

»Ich habe dir gesagt, daß ich das Ganze tun will, was ich kann«, antwortete Witiko.

»Ich will, daß dir keiner gleich ist«, sagte Bertha, »so weit die Augen blicken, es mögen unten die Bäume des Waldes emporstehen, oder die goldenen Felder der Ähren oder der grüne Sammet der Wiesen weit und weit dahin gehen.«

»Ich will zu dem Höchsten streben«, sagte Witiko.

»Und wenn du ein niederer Mann würdest«, sagte Bertha, »so würde ich als dein Weib von dir gehen, dahin du mir nicht folgen könntest.«

»Du gehst nicht, und alles wird sich erfüllen«, sagte Witiko.

»Alles wird sich erfüllen«, sagte Bertha.

»Und nun bitte ich dich um etwas, Bertha«, sagte Witiko.

»Sprich«, entgegnete Bertha.

»Lasse mich deine Lippen küssen, über welche einmal der Quell des Gesanges geklungen hat«, sagte Witiko.

»So küsse sie, Witiko«, sagte Bertha.[466]

Und er nahete sich, und küßte ihren Mund.

Dann sagte er: »Wie schön ist die Stelle, darauf wir stehen, es hat jemand die Bank gebaut.«

»Ich habe sie errichten lassen«, entgegnete Bertha, »so wie ich die Steine habe legen lassen, auf denen wir vor vier Jahren gesessen sind.«

»Bist du oft hier?« fragte Witiko.

»Da wir in dem Walde waren, bin ich oft da gewesen, und habe an dich gedacht«, antwortete Bertha.

»Und wenn ich auf die Waldhöhen geschaut habe, auf denen eine Burg schön ragen würde«, sagte Witiko, »so schaute ich am längsten auf die Höhe der Sessel.«

»Und mein Herz jauchzte, als du sie auf dem Wyšehrad gezwungen hast, dir einen Sitz zu geben«, sagte Bertha.

»Und ich habe in meinem Sinne die Worte gesagt, die du im Walde gesprochen hast«, antwortete Witiko.

»Und ich habe auf Wolf gelauscht, wenn er von dir erzählte«, sagte Bertha.

»Ich habe dieser Tage das Gewand angelegt, das ich hatte, als ich dich zum ersten Male sah«, sprach Witiko.

»Ich dachte es«, antwortete Bertha.

»Ich habe die rote Rose auf dem weißen Schilde deinetwegen in dem Kampfe getragen«, sagte Witiko.

»Ich wußte es«, entgegnete Bertha.

»Und ich kann hier nur weilen, bis die Sonne des Morgens scheint, dann muß ich wieder fort«, sagte Witiko.

»Ich weiß es«, antwortete Bertha.

»Du weißt es?« fragte Witiko.

»Ja, ich weiß es«, sagte sie, »und lasse uns schnell zu den Eltern gehen.«

Sie wendeten sich. Witiko reichte ihr den Arm. Sie legte ihren Arm in den seinigen, und so gingen die zwei Gestalten auf den Pfad an dem Waldsaume dahin, und gingen auf dem Pfade gegen das Haus Heinrichs. Als sie gegen die Tiefe kamen, wo die zwei Wege sich vereinigen,[467] sah Witiko den Mann Wolf noch immer auf dem Steine in der Schlucht neben dem Gebüsche sitzen. Da Wolf die Wandler erblickte, sprang er von dem Steine, und eilte in großen Sprüngen durch die Schlucht gegen das Haus. Witiko und Bertha aber gingen an dem Bache dem Hause zu, von dem Witiko vor kurzem allein herauf gegangen war.

Als sie das Haus erreicht hatten, gingen sie durch die nämliche Tür in dasselbe, durch welche Bertha Witiko herein geführt hatte, da er das erste Mal hieher gekommen war. Sie traten in den Vorsaal, und von demselben in den Saal. Er war leer. Hier löste Bertha ihren Arm von dem Witikos, und eilte in die ferneren Gemächer.

Witiko aber ging zu den Seinigen.

Der Mann in dem braunen Gewande schlief noch immer auf dem Bette, und Raimund war wieder nicht in der Herbergwohnung.

Witiko ging auch wieder von den Stuben fort, und ging gegen die Ställe.

An der Tür zu den fremden Pferden standen die Knechte Hando und Raimund, und sprachen.

»Hando«, sagte Witiko, »gehe zu deinem Herrn, und frage ihn von mir, ob ich zu dieser Frist zu ihm kommen, und mit ihm reden dürfe.«

»Ich werde es tun«, sagte Hando.

Er ging in das Haus.

Witiko sprach zu Raimund: »In unsern Kammern stehen Speisen und Getränke. Wenn du essen und trinken willst, so gehe hin, und nimm, was du bedarfst. Ich esse jetzt nicht. Der andere schläft, und lasse ihn schlafen.«

»Ich werde etwas von den Speisen nehmen«, sagte Raimund.

Der Knecht Hando kam zurück, und sagte: »Ich soll Euch zu dem Herrn führen.«

»So führe mich«, antwortete Witiko.[468]

Der Knecht ging voran, Witiko folgte ihm. Aus dem Gange des Vorsaales hinter der eisenbeschlagenen Eingangstür führte der Knecht Witiko in ein Gemach, in welchem Heinrich an einem Tische saß. Er stand auf, da Witiko eingetreten war.

Da der Knecht sich entfernt hatte, sagte Witiko: »Wenn es Euch genehm ist, mich zu hören, so hätte ich Euch etwas mitzuteilen, das Euch und mich betrifft.«

»Sprecht, Witiko«, sagte Heinrich, »das Gemach ist zu meinem Gebrauche.«

Er wies auf einen Stuhl, und als sich Witiko darauf niedergelassen hatte, setzte er sich auf einen andern.

Witiko sprach: »Ich bin vor vier Jahren auf einem Ritte von Passau nach Böhmen in Euern Wald gekommen. Weil des andern Tages ein Sonntag war, ließ ich mein Pferd bei den Köhlern an der Mihel stehen, und ging in den Wald, um zu beten. Ich sah nach dem Gebete an dem Waldrande ein Mädchen stehen, das noch sehr jung war. Das Mädchen trug rote Waldrosen in einem Kranze um das Haupt. Ich sprach mit dem Mädchen, wir setzten uns auf Steine, und redeten Dinge, wie sie Kinder zu reden pflegen. Das Mädchen war Eure Tochter Bertha, und führte mich in Euer Haus. Ich habe das Kind nicht vergessen, und trug es in dem Sinne. Dann dachte ich, wenn ich etwas getan habe, daß ich zu den guten Männern unseres Landes gezählt werde, wolle ich kommen, und fragen, ob Bertha mein Weib werden könne. Die Zeit zu dieser Frage war noch nicht gekommen, weil ich noch nichts zu tun vermocht habe. Ich bin heute zu Euch geritten, Eure Gastfreundschaft für eine Nacht zu erbitten. Ihr gewährtet sie. Dann ging ich zu Eurer Gemahlin, um ihr den Ankunftsgruß zu bringen. Sie sprach mit Güte zu mir. Hierauf ging ich in den Wald. Es war mein Wille, Bertha zu suchen. Ich fand sie, und da kam vorzeitig aus dem Munde, was später hätte gesprochen werden sollen.[469] Ich sagte, daß ich nie ein anderes Weib zu meiner Gattin nehmen werde als Bertha, und Bertha sagte, daß sie nie einen andern Mann zum Gatten nehmen werde als mich, und ich küßte Eure Tochter auf den Mund. Wenn Ihr ein Mann seid, der meint, daß durch diese Handlung die Gastlichkeit verletzt worden ist, so werde ich Euch die Genugtuung leisten, die Ihr gerecht fordern könnet. Morgen muß ich fortreisen. Bestimmt nach vier Tagen einen Tag, ich werde kommen. Was ich zu Bertha gesprochen habe, ist wie eine Handfeste, die gilt. Bertha tue, wie sie muß.«

Witiko schwieg.

Heinrich aber sprach nach einer Weile: »Witiko, jetzt höret mich an. Von dem alten Randshofe, dem Eigen der Pipine und der Söhne Karls, sieht man über die Brunnenau und den Innstrom wasserabwärts einen Fels, darauf die Burg Jugelbach steht. Die Burg ist das Haus unseres Geschlechtes. Ich bin Heinrich von Jugelbach. Man nennt mich Fahrirre, weil ich die Eigen vieler Herren gesehen habe, und über Land und Meer gefahren bin. Ihr seht aber an meinem Waldhause, daß ich auch stille lebe. Mein Vater ist Werinhart von Jugelbach, meine Mutter ist Benedicta von Aschach. Mein Bruder ist Gebhart von Jugelbach, der älteste Bruder Werinhart ist gestorben. Meine Gattin ist Wiulfhilt von Dornberg. Bertha ist unser einziges Kind. Der edle Mann, Adelram von Aschach, unser Großvater und der Vater unserer Mutter Benedicta, ist gestorben, und das Erbe von Aschach mit Mauten und Gebühren diesseits und jenseits der Donau ist an unsere Mutter gekommen, weil Adelram keine anderen Kinder hatte. Da ist in dem Aschachwinkel der Ort Hilkering, der gehört den zwei edlen Brüdern von Schillingsfirst, und der ist der einzige, welcher nicht ein Teil der Erbschaft ist. Ich und mein Bruder Gebhart sind von dem Inn an die Donau nach Aschach herab gestiegen,[470] und werden zwei Burgen bauen. Die eine werden wir auf dem Berge hinter dem Orte Hilkering bauen, und sie wird Stauf heißen, und die andere werden wir auf der Waldhöhe, die von Aschach gegen die alte Stadt Eferdingen geht, bauen, und sie wird Schauenberg heißen, weil sie in das Land über die Donau schaut, darin die Mihel fließt, und in das Land, dahin die Donau geht, und auf die Berge, die gegen die Steiermark sind. Die von Jugelbach sollen in Stauf und Schauenberg groß werden, und in die Geschicke ihrer Länder hinein wachsen. Jetzt, Witiko, kennt Ihr unser Geschlecht. Nun will ich von der Genugtuung sprechen. Ihr habt in der Schlacht die rote Waldrose auf dem weißen Schilde getragen, sehet, daß die Rose in die Geschicke Eurer Länder hinein blühet, und dann kommt. Bis dahin ist Bertha von Euch getrennt, und seid Ihr von Bertha getrennt. Ist Euch diese Genugtuung gerecht?«

»Sie ist mir gerecht«, sagte Witiko, »ich danke Euch für Eure Worte. Ich habe nie gedacht, Bertha anders zu gewinnen als so, und ich habe nie gedacht, anders zu handeln, wenn auch Bertha nicht wäre.«

»Tut so«, sagte Heinrich, »und wenn eine Burg wird, in der die Rose ist, so denke ich, daß die Burg der Rose und daß Stauf und Schauenberg in gleicher Größe und in Wohlvernehmen fortbestehen mögen. Ihr seid als Gast in meinem Hause immer willkommen. Jetzt muß ich den Frauen verkünden, was wir gesprochen haben. Beurlaubet mich.«

Er stand auf, Witiko stand auch auf, die Männer reichten sich die Hände, und Witiko verließ das Gemach.

Da er in den Hof gekommen war, sah er Wolf.

Wolf ging eilig zu ihm, und sagte: »Ihr seid sehr lange nicht mehr in unser Haus gekommen.«

»Ist es dir lange geworden?« fragte Witiko.

»Ja«, entgegnete Wolf, »es ist mir lange geworden.«[471]

»Ich habe nicht anders gekonnt«, entgegnete Witiko.

»Zählt nur auf mich, ich will Euch in allen Dingen beistehen«, sagte Wolf.

»Nun, ich werde es dir sagen, wenn ich deines Beistandes bedarf«, antwortete Witiko, »und werde dir dafür danken.«

»Es ist nicht Dankes halber«, sagte Wolf, »ich tue es gerne. Unser Herr ist strenge, er hat die ganze Welt gesehen, die Leute nennen ihn Fahrirre, ich habe es ihm aber nie gesagt. Sonst ist er auch gut.«

»Ich habe es erfahren«, sagte Witiko, »er ist immer gastlich gegen mich gewesen.«

»Ja, gastlich ist er«, sagte Wolf.

Witiko verabschiedete sich von Wolf, und ging in seine Wohnung.

In derselben saß der Mann, der die braunen Kleider hatte, auf einem Stuhle, und der Knecht Raimund saß auf einem andern Stuhle. Witiko sah, daß von den Speisen und den Getränken etwas verzehrt worden war. Raimund berichtete, daß die Pflege der Pferde vorüber sei, und daß sie jetzt ruhen könnten. Witiko nahm von den Speisen und Getränken nichts, und setzte sich auf einen Stuhl.

Es dauerte noch eine Zeit, bis die Sonne unterging. Da ertönte eine Glocke in dem Hause.

Witiko erhob sich, und ging mit Raimund und dem fremden Manne in den großen Saal.

In demselben war alles so zum Speisen angeordnet, wie es Witiko gesehen hatte, da er zum ersten Male in dem Hause gewesen war. Er wurde an das obere Ende des Tisches zu Heinrich und Wiulfhilt geführt. Heinrich stand obenan, Witiko wurde zu seiner Linken gewiesen, rechts war die Mutter und dann Bertha. Es waren auch noch zwei Männer am oberen Ende des Tisches, die Heinrich Dienstmannen, Hartnit und Liutolt, nannte. Die[472] Leute des Hauses harrten weiter unten, bei ihnen waren auch der Knecht Raimund und der Mann in dem braunen Gewande. Heinrich sprach ein lautes Gebet, in das die Leute antworteten. Nach dem Gebete setzten sich alle nieder, und die Speisen wurden von zwei Mägden gebracht. Sie wurden alle zugleich auf den Tisch gestellt. Auf dem oberen Ende waren Fische, es war gebratenes Geflügel, es war Hirschfleisch, es waren Kuchen, es war Brod und Wein. Auf dem unteren Ende des Tisches war gebratenes Hammelfleisch, Bier und Brod.

Als das Mahl geendet war, sprach Heinrich wie vorher ein Gebet. Nach demselben gingen die Leute, welche an dem unteren Ende des Tisches gesessen waren, fort.

Heinrich sagte zu Witiko: »Möge Euch als Gast mein Abendessen wohl bekommen, und weil ihr morgen mit dem Anbruche des Tages fortreiten wollt, so nehmen wir heute Abschied.«

Wiulfhilt sagte: »Lasset Euch genügen, was wir Euch in Eurer kurzen Zeit hier bieten konnten, und kommet als Gast bald wieder in unser Haus. Mein Gemahl und ich werden Euch gerne aufnehmen. Sein Wille ist der meinige.«

»Ich danke Euch, edle Frau«, sagte Witiko.

Darauf wendete er sich zu Bertha, und sprach: »Möge Bertha das Glück erfahren, das ihr die wünschen, die sie lieben.«

»Möge Witiko erreichen, was er hofft«, entgegnete Bertha.

»Er will darnach streben«, sagte Witiko, »Gott fügt das weitere.«

Er reichte Bertha die Hand, und Bertha reichte ihm die Hand.

»Ich werde Euch in Eure Stube geleiten«, sagte Heinrich.

Witiko und Bertha lösten ihre Hände auseinander. Witiko neigte sich vor Wiulfhilt, vor Bertha, und auch vor den Dienstmannen.[473]

Diese alle gaben den Gruß zurück, und Witiko ging mit Heinrich gegen die Tür. Heinrich führte ihn in die Wohnung, die ihm zur Herberge bestimmt war.

Dort verabschiedeten sie sich.

Raimund und der Mann in dem braunen Gewande waren schon in den Stuben, und die drei Männer suchten nun die Ruhe der Nacht.

Als der Morgen noch wenig dämmerte, verließ Witiko die Gemächer. Da war in dem Gange vor denselben Heinrich, und öffnete mit einem Schlüssel das Fallgitter, und zog es empor. Dann ging er fort. Witiko ging unter dem geöffneten Fallgitter hinaus. Er ging in den Stall. Raimund kam auch sogleich herunter, und die Pferde wurden mit der Beihilfe des Knechtes Hando besorgt.

Da dieses geschehen war, aßen die drei Männer etwas von den Morgenspeisen, die in ihre Wohnung gebracht worden waren. Dann wurden die Pferde in den Hof geführt, und die Männer gingen zu ihnen.

Da kam Wolf herzu, und brachte mehrere Stricke, welche Raimund an seinem Sattel befestigte.

Darauf bestiegen die Männer ihre Pferde.

Nun kam Heinrich zu ihnen, und geleitete sie bis zu dem Tore.

Wolf öffnete die beiden Flügel des Tores, und nickte im Gruße gegen Witiko.

Heinrich geleitete die Männer durch das Tor hinaus.

Da sie außerhalb seines Hauses waren, reichte er Witiko die Hand auf das Pferd, und sagte: »Ich danke Euch für das Vertrauen, welches Ihr mir heute in der Nacht erwiesen habt.«

»Lebt wohl«, sagte Witiko.

»Lebt wohl«, sagte Heinrich.

Die Männer setzten sich in Bewegung, und Heinrich ging durch das Tor in den Hof zurück.

Witiko und seine Begleiter ritten an dem rauschenden[474] Bache nieder zu dem tieferen Walde, und in dem Walde fort bis an die Mihel. Sie durchritten die Wasser der Mihel, und Witiko ritt mit ihnen an die Hütte des Köhlers Mathias.

Der Köhler Mathias kam von dem rauchenden Meiler herzu, und sein Weib Margaretha kam mit den Kindern aus der Hütte.

»Gib uns einen Trunk frischen Wassers, Mathias«, sagte Witiko.

»Wollet Ihr denn nicht in das Haus gehen?« fragte der Köhler.

»Wir reiten sogleich wieder fort«, antwortete Witiko.

»Ihr haltet Euch gar nicht auf?« sagte Margaretha.

»Ich komme schon wieder einmal«, entgegnete Witiko.

»Ach, nach vielen Jahren«, sagte das Weib.

Dann ging sie, und brachte in einem grünen Kruge frisches Waldwasser. Witiko trank aus dem Kruge, und auch seine Begleiter tranken.

Dann reichte er von dem Pferde dem Köhler die Hand, und reichte sie auch seinem Weibe Margaretha.

Hierauf ritten die Männer an dem Rauche der Meiler vorüber in der Richtung gegen Mittag weiter.

Sie ritten unter den hohen und alten Tannen des breiten Berges empor. Sie ritten auf dem schmalen Pfade unter den tiefen Ästen einer hinter dem andern. Als sie zu dem roten Kreuze gekommen waren, taten sie ein Gebet, und ritten wieder weiter im Walde aufwärts. Nachdem noch eine halbe Stunde vergangen war, kamen sie auf der Höhe in die Waldlichtung hinaus, vor der Witiko zum ersten Male den Dreisesselwald gesehen hatte. Sie wendeten sich jetzt auch um, und sahen die Forste und die Höhen, und sahen den Rauch, der von Heinrichs Hause empor stieg.

Darnach ritten sie wieder in einen neuen Wald auf einer Fläche sanft abwärts.[475]

Nach einer Stunde erquickten sie, wie sie es gewöhnlich taten, an einer Waldstelle die Pferde.

Dann ritten sie wieder weiter.

Gegen den Mittag kamen sie auf einen Platz, auf dem niedriges Buschwerk auf Rasen weit dahin ging. An der Grenze waren Bäume, davon viele durch Winde gestürzt waren. Da sie auf dem Platze ritten, kam ein Bolzen gegen Witikos Seite geflogen, und prallte von dem Leder ab. Witiko blicke auf den Mann im braunen Gewande. An dem braunen Gewande desselben hing auch ein Bolzen. Sofort auch schaute Witiko in der Richtung hin, woher die Bolzen gekommen sein mochten. Da waren zwei Männer in den Gebüschen, und ragten mit dem Oberkörper über sie empor. Der eine hatte einen roten Bart, der andere einen grauen. Sie hatten beschmutzte Ledergewänder. Witiko nahm die Lanze Raimunds, und ritt in die Büsche, und in ihnen, so schnell es sein Pferd vermochte, gegen die Männer. Da die Männer dieses sahen, ergriff der graubärtige die Flucht.

Witiko rief gegen den andern: »Wenn du dich regst, und von dem Platze weichen willst, so werfe ich dir diese Lanze in den Leib, wenn du ruhig stehen bleibst, so schone ich deines Lebens.«

Der Mann blieb stehen.

Raimund kam nun auch auf dem Pfade, den Witiko in den Büschen gemacht hatte, herzu, und hinter ihm der Mann in dem braunen Gewande.

Raimund rief: »Und ich schleudere dieses Beil in deinen Körper, wenn du dich rührst.«

»Nimm ihn gefangen, Raimund«, sagte Witiko.

Raimund nestelte die Stricke, welche ihm Wolf gegeben hatte, von dem Sattel, und stieg von seinem Pferde. Dann reichte er dem Manne in dem braunen Gewande die Zügel desselben, und sagte: »Halte mir das Roß, bis ich fertig bin.«[476]

Der Mann in dem braunen Gewande nahm die Zügel, und hielt an denselben das Pferd Raimunds.

Raimund aber näherte sich dem rotbärtigen Manne, indem er das Beil hoch in der Hand trug.

Der Mann stand ruhig.

Da Raimund zu ihm gekommen war, ließ er das Beil in das Gras fallen, nahm die beiden Hände des Mannes, legte seine Unterarme vor der Brust übereinander, umwickelte sie mit einem Stricke, und knüpfte die Enden des Strickes zusammen.

Der Mann ließ es geschehen.

Dann nahm er wieder sein Beil, nahm die Armbrust, die auf der Erde lag, und führte den Mann zu Witiko.

Dort hieb er mit dem Beile einen Ast aus dem Gesträuche, hieb aus dem Aste einen Knebel zurecht, befestigte den Knoten mit dem Knebel noch besser, und band an den Fesselstrick noch einen andern Strick als Leitseil.

Dann sagte er: »So, mein Gaurabe, jetzt bist du versorgt.«

»Führe ihn mit uns«, sagte Witiko.

Raimund gab dem Manne in dem braunen Gewande das Ende des Leitseiles in die Hand, und sagte: »Jetzt mußt du mir diesen da ein wenig halten.«

Der Mann in dem braunen Gewande tat es.

Raimund hing die Armbrust an seinen Sattel, stieg auf sein Pferd, richtete sich zurecht, nahm dem Manne in dem braunen Gewande das Ende des Leitseiles wieder ab, und sagte: »Jetzt bin ich fertig.«

»So reiten wir«, sagte Witiko.

Der Zug setzte sich wieder in Bewegung.

Witiko ritt von dieser Stelle fortan schneller, als er bisher geritten war. Die andern folgten. Der Mann an dem Leitstricke mußte mit beschleunigten Schritten hinter dem Pferde Raimunds gehen.

So gelangte man endlich zu den Häusern Hauzenberg.[477]

Die Männer stiegen von den Pferden.

Das Leitseil des Gefangenen wurde an einen der Pflöcke gebunden, die auf der Gasse zum Anhängen der Pferde in die Erde getrieben waren.

Dann wurden die Pferde mit Halftern an Pflöcken befestigt, mit Decken gut behüllt, und man begann ihre Verpflegung.

Als dieses geschehen war, setzte sich Witiko an einen der Gassentische, und der Mann in dem braunen Gewande setzte sich in kleiner Entfernung von Witiko auf eine Bank an demselben Tische.

Der Krämer, welchen Witiko vor vier Jahren auf dieser Gasse gesehen hatte, saß wieder auf der Gasse der Herberge.

Sonst war kein Gast zugegen.

»Raimund«, sagte Witiko, »führe nun den Mann an seinem Stricke zu mir.«

Raimund löste das Leitseil von dem Pflocke, und führte den Gefangenen an den Tisch Witikos.

Dort blieb er mit ihm stehen.

Aus der Tür und dem Tore des Wirtshauses kamen mehrere Menschen, und blickten von ferne auf Witiko und auf die, welche bei ihm waren.

Witiko sagte zu dem Gefangenen: »Es werden bald vier Jahre werden, da bist du an einem Tische auf der Gasse vor dieser Herberge mit deinem graubärtigen Genossen, der heute durch die Büsche entronnen ist, gesessen, eben da ich mit diesem meinem Pferde und in diesem meinem Gewande hier Mittagruhe hielt. Ist es nicht so?«

»Ich weiß es nicht, wo ich vor vier Jahren oder vor drei Jahren gewesen bin«, sagte der Mann. »Wenn Ihr mich den Schergen übergeben wollt, oder wenn Ihr mich von hier wieder fortführen, und in einem Graben erschlagen wollt, könnt Ihr es tun.«

»Ich habe dir das Leben zugesichert«, sagte Witiko.[478]

»Ihr könnt mich martern lassen«, antwortete der Mann.

»Ich lasse dich nicht martern«, sagte Witiko.

»Ich habe dem Herzoge Heinrich immer treu gedient; aber die Bischöflichen sind arge Genossen«, erwiderte der Mann.

»Ich werde dich den Bischöflichen nicht ausliefern, sondern werde dich selber richten«, sagte Witiko.

»Da ist wenig zu richten, weil ich unschuldig bin«, sagte der Mann.

»Das ist gut«, antwortete Witiko, »und ich werde die unschuldigen Leute schützen. Jetzt sprich.«

»Ich werde wohl vor vier Jahren auf dieser Gasse gesessen sein«, sagte der Mann.

»Und weshalb hast du heute mit dem andern Bolzen auf uns geschossen?« fragte Witiko.

»Hat der andere Bolzen geschossen? Ich habe es nicht gesehen, da ich zu ihm kam«, sagte der Mann.

»Bist du aus Zufall zu ihm gekommen?« fragte Witiko.

»Ich bin aus Zufall zu ihm gekommen«, antwortete der Mann, »da ich meines Weges zu dem Kirchlein des heiligen Ulrich beten ging.«

»Bist du auch vor vier Jahren aus Zufall mit ihm auf dieser Gasse gesessen?« fragte Witiko.

»Aus Zufall«, antwortete der Mann.

»Gehst du, wenn du auf dem Wege zu dem heiligen Ulrich bist, in den dichten Gebüschen statt auf dem Pfade?« fragte Witiko.

»Ich habe den Mann stehen gesehen, und bin von dem Wege zu ihm in die Büsche gegangen, weil er es wollte«, antwortete der Gefragte.

»Und als mich der Bolzen traf, und als ich in der gleichen Zeit einen Bolzen an dem Gewande meines Begleiters sah«, entgegnete Witiko, »standest du mit deinem Gefährten in den Gebüschen, und ihr blicktet auf uns, und als mein Knecht zu dir kam, lag eine Armbrust neben[479] dir in dem Grase. Wenn ich dir auch das Leben verbürgte, und dich nicht martern lasse, so denke, daß die Strafe durch die Lüge härter wird.«

»Es ist alles ein bekläglicher Irrtum«, sagte der Mann, »ich habe immer dem hohen Herzoge Heinrich treulich gedient, und bin belobt worden. Und der hohe Herzog hat verkündet, daß man die Kundschafter fangen, und einbringen soll. Mein Nachbar hat damals vor vier Jahren an dem Tische gesagt, Ihr seid ein Kundschafter; aber Ihr seid gar nicht zu dem Feinde Leopold nach Österreich geritten.«

»Also habt ihr auf dem Wege nach Österreich gelauert?« sagte Witiko.

»Nein«, entgegnete der Mann, »es ist nur erzählt worden.«

»Das ist gut«, antwortete Witiko, »und wie war es heute?«

»Als mein Nachbar die Bolzen geschossen hat«, erwiderte der Mann, »hat er gesagt, Ihr seid ein Kundschafter, und kommet von Leopold. Er wollte euch ein wenig ritzen, weil ihr drei waret; allein seine Pfriemen sind nicht durch Euer Leder und durch das Tuch Euers Knappen gegangen.«

»Ihr habt damals im Hauzenberge die Elenhaut meines Panzers zu wenig angeschaut«, sprach Witiko.

»Ich habe meinem Nachbar gesagt«, entgegnete der Mann, »daß Ihr ein sehr edler Herr seid, und kein Kundschafter.«

»Hat dir dein Nachbar anvertraut, weshalb er auf meinen Knappen geschossen hat?« fragte Witiko.

»Er hat ihn mehr gefürchtet als den andern«, sagte der Mann, »und auf den andern hätte er dann auch noch geschossen.«

»Und wenn er uns bloß geritzt hätte, hat er dann gemeint, daß wir uns nicht wehren würden?« fragte Witiko.[480]

»Ihr hättet Euch gewehrt«, erwiderte der Gefangene, »und mein Nachbar wäre davon gerannt, weil ich Euch nicht hätte fangen lassen, da Ihr ein sehr edler Herr und kein Kundschafter seid.«

»Von welchem Orte bist du denn auf den Weg zu dem heiligen Ulrich gegangen?« fragte Witiko.

»Von dem Hauzenberge«, antwortete der Mann.

»Und hat dir dein Nachbar gesagt, von welchem Orte er in die Büsche gegangen ist?« fragte Witiko.

»Nein, er hat es mir nicht gesagt«, antwortete der Mann, »aber er wird auch von dem Hauzenberge hin gegangen sein.«

»Welcher Ort ist deine Heimat?« fragte Witiko.

»Passau, edler Herr«, antwortete der Mann.

»Und weißt du die Heimat deines Nachbars?« fragte Witiko.

»Es werden etwa die Innhäuser bei Passau sein«, sagte der Mann.

»Und wo bist du denn die letzten drei oder vier Tage oder die letzten Wochen gewesen?« fragte Witiko.

»Ich bin zu Hause gewesen, oder im Hauzenberge, oder in Vilshofen, oder wohin ich eine Botschaft zu tragen gehabt habe, oder wo es eine Arbeit für mich gegeben hat«, sagte der Mann.

»Ist dein Nachbar auch in der Gegend gewesen?« fragte Witiko.

»Ich habe ihn hin und wieder gesehen«, antwortete der Gefangene.

Witiko rief nun gegen die Leute, die an dem Hause standen: »Ist der Wirt der Herberge bei euch?«

»Ja freilich«, antwortete eine Stimme.

»So bitte ich Euch, kommet zu uns an den Tisch«, sagte Witiko.

Der Wirt ging zu dem Tische.

»Beantwortet mir einige Fragen in Angelegenheiten dieses[481] Mannes, der da gebunden vor uns steht«, sagte Witiko.

»Wenn ich sie beantworten kann«, entgegnete der Wirt.

»Ist dieser Mann heute schon einmal hier gewesen?« fragte Witiko.

»Er hat am Vormittage hier Käse gegessen«, antwortete der Wirt.

»Ist er allein gewesen?« fragte Witiko.

»Nein, es ist noch einer bei ihm gewesen«, sagte der Wirt.

»Hat der andere einen grauen Bart gehabt?« fragte Witiko.

»Er hat einen grauen Bart gehabt«, sagte der Wirt.

»Sind diese zwei Männer oft bei einander?« fragte Witiko.

»Wie es sich fügt«, antwortete der Wirt, »ich habe sie schon öfter gesehen.«

»Sind sie zu vieler Zeit in dieser Gegend hier?« fragte Witiko.

»Sie sind einmal Kriegsknechte des seligen Herzoges Heinrich gewesen«, sagte der Wirt, »sie müssen in der Nähe von Passau zu Hause sein, und werden manches Mal bei uns und da herum gesehen.«

»Gehen sie auch über den Wald hinein?« fragte Witiko.

»Das wird sich schwerlich zutragen, weil es dort nichts zu verdienen gibt«, entgegnete der Wirt.

»Sind sie in diesem Sommer nicht einmal in einer längeren Zeit abwesend gewesen?« fragte Witiko.

»Ich glaube es nicht«, sagte der Wirt, »sie haben sich in der letzten Zeit sehr oft auf unserer Gasse erblicken lassen.«

»Also auch in den letzten zwei Wochen?« fragte Witiko.

»Da gewiß«, antwortete der Wirt.

»Ist der Mann an jenem Tische ein Krämer?« fragte Witiko.

»Ja«, sagte der Wirt.[482]

»So erweiset mir den Dienst, ihn zu unserem Tische her zu bitten«, sagte Witiko.

Der Wirt ging zu dem Krämer, und kam mit ihm zu Witiko zurück.

»Ihr seid ein Krämer«, sagte Witiko.

»Ja«, entgegnete der Mann.

»Ihr reiset wohl in mehreren Gegenden herum?« fragte Witiko.

»Nun, wie es der Brauch ist«, sagte der Krämer.

»Beantwortet mir eine Frage wegen dieses Mannes da«, sagte Witiko.

»Wenn ich das weiß, um was Ihr fragt«, sagte der Krämer.

»Habt Ihr ihn etwa mit einem andern, der einen grauen Bart hat, öfter gesehen?« fragte Witiko.

»Ja, sehr oft«, antwortete der Krämer.

»Habt Ihr diese Männer auch in der Weite gesehen, wenn Ihr so herum kommt, auch jenseits des Waldes, in diesem Sommer?« fragte Witiko.

»Sie sind im Frühlinge bis auf diese Zeit herzu von dem Grafen von Formbach eingesperrt gehalten worden«, sagte der Krämer.

»Wißt Ihr das gewiß?« fragte Witiko.

»So gewiß, weil ich diesem Manne da Linnen von seiner Mutter bringen mußte«, antwortete der Krämer, »ich habe sie ihm in sein Verlies getragen, wo auch der andere war.«

»Kennt Ihr sie genauer?« fragte Witiko.

»Sie kommen zuweilen an meinen Karren, und haben mir nie ein Leides getan«, antwortete der Krämer.

»Welche sind ihre Namen?« fragte Witiko.

»Sie heißen beide Heinrich, wie der junge Herzog«, antwortete der Krämer.

»Ich danke Euch und dem Wirte für die Antworten«, sagte Witiko.[483]

Dann wendete er sein Angesicht gegen den Gefangenen, und sprach: »Ich habe dir vor vier Jahren hier gesagt, daß ich dir einmal einen Dienst erweisen werde. Jetzt ist die Zeit dazu gekommen. Ich lasse dich frei; aber merke dir: ich bin oft in diesen Wäldern, oft in dem der drei Sessel, und weiter gegen Morgen. Ich werde mir in dem Walde ein Haus bauen, und wenn ich dich einmal mit Waffen in dem Walde treffe, so lasse ich dich auf dem Baume, unter dem du stehst, aufhängen. Sage das auch deinem Genossen. Ich erfülle meine Worte, wie ich sie jetzt erfüllt habe. Raimund, löse ihm die Bande.«

Raimund band zuerst seinen langen Strick los, dann entfernte er den Knebel, und löste die Schleife um die Hände.

»So, jetzt laufe, so weit dich deine Füße tragen«, sagte er.

Der Mann rieb sich mit den Händen die Knöchel, und strich mehrere Male über sein Koller herab. Dann sagte er: »Schönen Dank, schönen Dank.«

»Geh«, sagte Witiko.

»Ich würde um die Armbrust bitten«, sagte der Mann.

»Die Armbrust wird zerbrochen werden«, sprach Witiko, »du, gehe.«

»So geh um deines Heiles willen«, rief ihm Raimund zu.

Der Mann ging nun von dem Hause weg gegen die Bäume, und wurde dann hinter denselben nicht mehr gesehen.

»Zerschlage mit deinem Beile die Armbrust«, sagte Witiko zu Raimund.

Dieser zerhieb das Holzwerk der Armbrust und den Strang mit dem Beile. Den eisernen Bogen zerbrach er dadurch, daß er ihn mit der Wölbung nach oben legte, und auf ihn sprang.

Da dieses geschehen war, bestellte Witiko Speise und Trank für sich und seine Begleiter.[484]

Als sie die Speisen verzehrt hatten, und als die Pflege der Pferde vollendet war, ritten sie wieder weiter.

Sie ritten in einer Richtung zwischen Mittag und Abend an Gehölzen, Waldhütten, kleinen Wiesen und Feldern vorüber, und kamen, da die Sonne sich zu ihrem Untergange neigte, gegen die Stadt Passau.

Sie ritten über den Hals an die Ilz hinab, neben der Ilz an die Donau hinaus, dann zwischen der Donau und den Felsgesteinen eine Strecke dem Wasser entgegen, bis sie zu einer Brücke kamen. Dann ritten sie über die Brücke in die Stadt.

Witiko ritt durch eine lange Gasse, die zwei andern folgten ihm.

Er gelangte aus der Gasse auf einen freien Platz, der über die andere Stadt erhöht war. An einer Seite dieses Platzes stand die große Kirche des Hochstiftes Passau. Witiko ritt an der Kirche vorüber in der Richtung gegen Morgen von dem Hügel abwärts. Da kamen sie an ein sehr großes Haus, das eine dunkle Farbe hatte, und in breiten Gliedern gebaut war. Witiko hielt an einer Pforte dieses Hauses an, neigte sich von dem Pferde, und schlug mit dem eisernen Klöppel, der sich an dem Tore befand, drei Mal auf die Eisenschiene, auf welche der Klöppel paßte. Es öffnete sich hierauf ein kleines Türchen in dem Tore, und unter dem Türchen stand ein Mann, der eine veilchenfarbene Haube und ein veilchenfarbenes Mäntelchen hatte, sonst aber in ein gelbes Wams und in gelbe Beingewandung gekleidet war. Er hatte weiße Haare und einen weißen Bart. Dieser Mann sagte: »Was begehret ihr?«

»Wir begehren zu dem hochehrwürdigen Bischofe von Passau«, sagte Witiko, »da wir ihm Nachrichten bringen.«

»Ich hätte es nicht geglaubt«, antwortete der Mann, »daß Ihr so bald wieder kommen werdet, Witiko, weil Ihr einen[485] so großen Schmerz um den Tod des Bischofes Regimar empfunden habt, und weil Ihr fort geritten seid. Wie ist es Euch denn ergangen?«

»Ich werde dir schon meine Schicksale erzählen, Odilo«, sagte Witiko, »aber jetzt ist mir daran gelegen, zu dem Bischofe zu gelangen.«

»Wenn ich sagte, daß ich nicht eine große Freude habe, Euch wieder zu sehen«, antwortete der Mann, »so wäre es eine Lüge. Und zu dem hochehrwürdigen Bischofe werde ich Euch weisen; denn er schenkt mir das Vertrauen, das mir der selige Herr Regimar geschenkt hat. Und ist denn der Krieg aus, in welchem Ihr gewesen seid?«

»Jetzt ist er aus«, sagte Witiko, »und ich weiß, daß du in dem Hause als der Torwart viel giltst, und du wirst uns das Tor öffnen, daß wir einreiten, die Pferde unterbringen, und zu dem hochehrwürdigen Bischofe gehen können.«

»Ja«, sagte der Mann, »und ich habe mit dem hocherhabenen Bischofe von Euch gesprochen, wie Ihr klug gewesen seid, und tapfer sein werdet. Und wenn Ihr meint, daß ich einem Freunde, der an mein Tor klopft, die Gastlichkeit verweigere, so irret Ihr Euch.«

Er wendete sich in dem Türchen um, und rief nach innen: »Hans!«

»Ja«, ertönte im Innern eine sehr starke Stimme.

»Schließe auf«, sagte der Torwart.

Hierauf rasselten hinter dem Tore Eisenstangen, der andere Flügel, in welchem sich kein Türlein befand, wurde geöffnet, und ein sehr großer junger Mann stand an dem Flügel. Er hatte wie der Torwart ein veilchenfarbenes Mäntelchen, aber auf seinem Haupte war eine Eisenhaube, um seine Brust ein Harnisch, und an seinen Beinen Schienen.

Witiko und seine Begleiter ritten an dem Manne vorüber[486] in einen großen Hof. Dort hielten sie an, und stiegen von den Pferden. Der Torwart und der junge Mann gingen ihnen nach.

»Hans«, sagte der Torwart, »rufe die Stallbuben, und gehe zu Rudolph, dem Steiner.«

Der junge Mann rief gegen die Vertiefung des Hofes, und ging dann in das Gebäude.

Es kamen drei Stallbuben, und wollten die Pferde hinwegführen.

»Wartet noch«, sagte Witiko.

Die Stallbuben und alle andern blieben bei den Pferden stehen.

Hans kam wieder aus dem Gebäude, und ein ritterlich gekleideter junger Mann ging neben ihm.

Da sie herzu gekommen waren, sagte der Torwart: »Dieser ist der Schüler Witiko, und sie haben für den hochehrwürdigsten Bischof Nachrichten. Ich empfehle Witiko.«

»Sei mir gegrüßt, du treues Blut«, sagte der ritterlich gekleidete Mann.

»Sei gegrüßt, Rudolph«, sagte Witiko, »wir sollten zu dem hochehrwürdigen Bischofe.«

»Wir sind nicht mehr in der Schule des Bischofes, Witiko«, antwortete Rudolph, »aber einer sollte den andern so lieben wie damals, und ich liebe dich, Witiko. Gehe nur mit deinen Knappen über die Treppe zu der Rathalle, und von ihr in den roten Saal, und dort harre. Morgen werden wir mit einem Feste den Gruß erst recht begehen, weil du wieder da bist.«

»Das werden wir tun«, sagte Witiko.

Nachdem dieses gesprochen war, ging Rudolph wieder durch eine Tür in das Gebäude zurück.

Witiko sagte zu den Stallbuben: »Jetzt zeigt uns den Weg zur Unterbringung der Pferde.«

Die Buben zeigten den Weg, und halfen die Pferde in den Stall führen.[487]

Als die ersten Notwendigkeiten geschehen waren, sagte Witiko zu seinen Begleitern, sie mögen ihm folgen.

Er ging mit ihnen wieder in den Hof hinaus. Dort stand noch der Torwart und Hans.

»Ich danke dir, Odilo«, sagte Witiko, »was nun ferner sein muß, weiß ich schon.«

»Ich habe eingerichtet, daß alles für dich gut wird«, sagte der Torwart.

»Das ist gut«, antwortete Witiko.

Nach diesen Worten ging der Torwart in ein Gemach, das neben dem Torbogen war. Hans schloß den Flügel des Tores, und stieg über eine Treppe neben dem Tore in ein Gemach empor.

Witiko aber führte seine Begleiter durch die Tür, durch welche Rudolph in das Gebäude gegangen war, in eine große Halle. Von der Halle führte Witiko seine Begleiter über eine breite Stiege in einen Gang empor. In dem Gange wandelten sie eine Strecke weiter. Dann öffnete Witiko eine hohe Tür, und sie kamen durch dieselbe in ein Gemach, in welchem viele Stühle und Tische waren. Von dem Gemache gingen sie in einen großen Saal. Der Saal war mit rotem Marmor gepflastert. An seinen Wänden waren Bänke von gelben Pölstern. Sonst enthielt er nichts. Er hatte drei Türen. Durch eine war Witiko gekommen, die andere war geschlossen, und durch die dritte, welche offen war, sahen sie in eine große Stube mit vier Fenstern, deren Wände mit roter abgeblaßter Seide beschlagen waren, und die viele Bänke und Gesiedel von gleicher Seide enthielt. Die Fenster des Saales und der Stube sahen auf die Berge, die an dem jenseitigen Ufer des Flusses Inn standen.

In dem Saale wartete Witiko.

Nach einer Weile kam aus der Seidenstube ein Mann heraus, der eine hohe Gestalt, braune Haare, einen braunen Bart und ein längliches Angesicht hatte. Er war in[488] ein weites veilchenblaues Gewand gekleidet, und trug über demselben eine goldene Kette und ein goldenes Kreuz. Hinter ihm gingen zwei Männer in priesterlichen Kleidern. Der Mann sah Witiko und seine Begleiter an. Dann gab er den zwei Männern, die hinter ihm waren, ein Zeichen zur Entfernung. Die zwei Männer öffneten die geschlossene Tür, und gingen durch dieselbe in ein weiteres Gemach.

Da dieses geschehen war, trat der Mann in dem braunen Gewande, der mit Witiko gekommen war, gegen den mit der goldenen Kette vor, und stand ein Weilchen vor ihm.

Dann nahm er die Haube von seinem Haupte, und sprach mit laut tönender Stimme: »Hochehrwürdiger Bischof von Passau, hochedler Graf von Peilstein und Hagenau, ehrwürdiger geweihter Priester Regimbert! ich komme zu dir in dem Gewande Jakobs, da er in der Wüste auf der Flucht war.«

»Hochehrwürdiger Bischof und teurer Bruder Zdik«, antwortete der Bischof von Passau, »und wenn du in dem Gewande des Lazarus kämest, so wärest du der Herr dieses Hauses. Sei gegrüßt.«

Er legte die Hände auf die Schultern des Mannes in dem braunen Gewande, und küßte ihn auf die Stirne. Der Mann in dem braunen Gewande legte dann auch die Hände auf die Schultern des Bischofes, und küßte ihn auch auf die Stirne.

Dann sagte er: »Ich will nicht der Herr des Hauses sein, sondern ich bitte nur, daß ich den Panzer und das Schwert, welche ich durch Tage und Nächte unter diesem Kleide trage, ablegen darf, daß ich in einfältigen Kleidern gehe, daß dein Dach über meinem Haupte sei, daß ich die geringe Speise genieße, die mein Körper bedarf, und daß ich in deiner Kirche zu Gott bete.«

»Lebe, wie du es wünschest, und wie ich dich ehre«, sagte der Bischof von Passau. »Und du, Witiko, hast dich der[489] Mühe unterzogen, den hochehrwürdigen Bischof zu mir zu geleiten. Sei gegrüßt.«

Witiko antwortete: »Der hochehrwürdige Bischof und Abt Silvester hat zu mir gesagt, ich solle in Demut vor Gott dem Herrn handeln, und ich hätte jeden Verfolgten des Weges geführt, und hätte ihn geschützt, um wieviel mehr den hohen Bischof Zdik, den ich verehre. Ich bin nebst meinem Knechte, der da steht, mit ihm geritten.«

»So gehe mit mir in meine Stube, hochehrwürdiger Bruder Zdik, und du auch, Witiko, bis eure Wohnung bereitet ist«, sagte der Bischof von Passau.

Witiko sprach zu Raimund: »Du hast gesehen, was geschehen ist, gehe nun zu unsern Tieren, sie zu pflegen, und sei dessen gewärtig, was ich dich weiter heißen werde.«

Raimund ging durch die Tür hinaus.

Der Bischof von Passau berührte den Ärmel an dem braunen Gewande Zdiks, und führte ihn an diesem Ärmel in die Stube von Seide. Witiko folgte. In der Stube führte der Bischof seinen Gast zu einem rotseidenen Stuhle, über dem ein Seidendach war, und nötigte ihn, dort nieder zu sitzen. Witiko wies er ein anderes seidenes Gesiedel an. Witiko setzte sich auch. Der Bischof aber ging zu einer silbernen Glocke, die an einem silbernen Wandarme befestiget war, und tat mit einem silbernen Hammer einen Schlag auf die Glocke. Da dieses Zeichen erscholl, öffnete sich eine Tür, und ein Kämmerling, der ein Gewand von veilchenblauer und gelber Farbe hatte, trat herein.

»Rufe mir den Vater Konstantin«, sagte der Bischof.

Der Kämmerling ging wieder durch die Tür hinaus. Der Bischof setzte sich auf einen Stuhl neben Zdik. Nach einer Weile kam ein Priester in die Stube, welcher ein schwarzes Gewand an hatte, und eine silberne Kette auf der Brust trug.[490]

Zu diesem Priester sagte der Bischof von Passau: »Ehrwürdiger Bruder Konstantin, und Meister im Hochstifte, der hochehrwürdige Oberpriester des Landes Mähren wird dieses Haus als Gast ehren, ich bitte dich, lasse ordnen, was zu dieser Absicht notwendig ist.«

»Ich werde meines Amtes walten«, sagte der Priester.

Er verneigte sich vor den zwei Bischöfen, und ging wieder durch die Tür hinaus.

»Und nun sei noch einmal in meinem Hause willkommen, Bruder Zdik«, sagte der Bischof von Passau.

»Ich habe es gewußt, daß du dem flüchtigen Haupte ein Kissen geben wirst«, antwortete Zdik, der Bischof von Olmütz.

»Was ihr dem geringsten eurer Brüder getan habt, das habt ihr mir getan«, sagte der Bischof Regimbert.

»So ist es«, entgegnete Zdik.

»Und weil die Geringen dem Heilande gleich sind, so müssen wir sie ehren, und müssen sie ehren, wenn sie Gott heimgesucht hat. In deinem Sprengel sind die Sachen hoch gediehen, Zdik«, sagte Regimbert.

»Ich habe meine Hand erhoben, und den Bann über das Land Mähren ausgesprochen, und irre nun flüchtig auf der Erde, und muß die Menschen eines guten Herzens bitten, daß sie mich geleiten und schützen«, antwortete Zdik.

»Und so segnet dich der Herr, begnadeter Bruder Zdik«, sagte der Bischof Regimbert.

»Ich kann einen Segen nicht erkennen, weil ich eines Segens nicht wert bin«, erwiderte Zdik.

»Du bist des Segens wert«, sprach Regimbert, »weil du dem frommen Bischofe Adalbert nachstrebest, Zdik, der einmal aus einem hohen Geschlechte den Hirtenstab über eure Länder ergriffen hat. Dann aber hat dir der allmächtige Gott die Huld gewährt, daß du schon zwei Male in Jerusalem gewesen bist, und an dem Grabe seines Sohnes gebetet hast. Und dann hat er das Zeichen des Unglückes[491] auf dein Haupt gesetzt, daß er dich erhöhen wolle. Siehe, wie Hiob mehr bekam, als er je hatte, wie Jakobs Trauer um Joseph in Jakobs Freude über Joseph verwandelt wurde, wie David aus den Höhlen der Erde in die Gemächer des Königshauses ging, wie der Tempel nach der Gefangenschaft herrlicher wurde als vorher, wie die Schmach des Todes Petrus' Rom zum Haupte der Christenheit erhob, wie die Verbannung und der Tod Gregors die Kirche mächtiger machte, als die Siege Heinrichs die Welt machen konnten: so verkläret der Herr das Haus des Glaubens durch Kümmernis, und die Säulen, die dieses Haus tragen, werden glänzender sein, als sie vordem gewesen sind.«

»Mir geziemt es nicht, so zu sprechen«, sagte Zdik. »Ich bin ein Sünder, und habe Strafe verdient, und was gekommen ist, das ist die Strafe. Höre mich an, ehrwürdiger Bruder Regimbert. Seit langen Zeiten ist wegen der Sünden vieler die Hand des Herrn schwer auf unsern Ländern gelegen, und sie ist wegen der Sünden der einzelnen auch auf die einzelnen gekommen. Da unsere Völker noch Heiden waren, hat ihnen Gott, soweit er Heiden, die nicht an ihn glauben, beglücken kann, zuweilen Männer gesandt, die ihnen in ihrer Finsternis beistanden. So war Zaboy, so war Lumir, so war Samo, so war Krok, so war die Frau Libuša, und so war Přemysl, der Ackerer und der Gatte Libušas. Von ihm ist ein Geschlecht gekommen, aus dem die Häupter des Landes wurden, die Wladyken, wie wir das Haupt eines Hauses den Wladyk nennen. Es sind Nezamysl, Mnata, Woyen, Unislaw, Křesomysl, Neklan und Hostiwit gekommen. Sie sind lauter Heiden gewesen, da bei euch schon lange das Christentum entstanden war. Dann ist Bořiwoy gewesen, der ein Christ geworden ist, und dann sind sie lauter Christen gewesen. Sie haben sich Herzoge genannt, und sind geworden, wie bei euch Pipin von Heristal und Karl Martell[492] und die andern, die sich zu Herrschern gemacht haben. Die Nachkommen Přemysls sind immer zahlreicher geworden. Sie betrachteten das Land als ihr Eigentum, teilten es, haderten darum, und führten Kriege, in welchen ihre Anhänger das Blut verloren. Da machten sie ein Gesetz, es sind jetzt neunzig oder hundert Jahre, daß in jeder Zeit der Älteste des Stammes der Herzog sein solle, daß die andern zu ihrem Nutzen Gebietsteile in Mähren bekommen, und daß sie dem Herzoge gehorchen müssen. Aber bald wurde das Gesetz nicht mehr befolgt; denn wer die Macht hatte, suchte die Nachfolge dem zu gewinnen, den er liebte, oder den er sonst wollte. Da entstanden Kämpfe von entsetzlicher Art, und es kam noch größeres Unheil in die Länder, als früher gewesen war. Den Beginn machte Swatopluk, der ein wilder Mann gewesen ist, und er dauerte siebenunddreißig Jahre, bis auf unsere Tage, und wir wissen noch das Ende nicht. Swatopluk ist ermordet worden, weil er gemordet hat, und sein Nachfolger, Wladislaw, der Vater des jetzigen Herzoges, ein gerechter und guter Mann, mußte sich den Fürstenstuhl gegen seinen Bruder Bořiwoy erkämpfen, und Soběslaw, der dann folgte, mußte mit dem deutschen Könige Lothar wegen des schwarzen Otto von Olmütz, der das Herzogtum anstrebte, Krieg führen. Als der starke und rechtgesinnte Soběslaw herrschte, und als das Volk die Süßigkeit der Ordnung kennen lernte, wollten viele Männer der Länder, deren ich auch einer war, die Vorsorge treffen, daß bei seinem Ende nicht wieder das Unglück herein komme. Soběslaw hatte einen Sohn, namens Wladislaw, den er sehr liebte. Wir, die Männer und ich, sagten, er solle ihn von Konrad, dem Könige der Deutschen aus dem Geschlechte der Hohenstaufen, mit den Ländern Böhmen und Mähren belehnen lassen, und Konrad belehnte den Knaben Wladislaw auf dem Tage in Bamberg, da derselbe achtzehn Jahre alt war. Und in einem[493] Monate darnach schwuren auf unserem Tage in Sadska so die hohen wie die niederen Herren der Länder dem jungen Wladislaw. Als ein halbes Jahr vergangen war, erkrankte der Herzog Soběslaw, und die Ärzte sagten, er werde sterben. Da riefen die Männer: Jetzt haben wir einen Knabenherzog, den sein Vater nicht mehr zu einem rechten Herzoge hat erziehen können, ein jeder wird ihn anfallen, und sie sagten: Nun müssen wir selber einen Herzog wählen. Der erwählte Bischof Silvester, der die weißen Haare des Alters auf dem Haupte hat, sagte aber: Tut das Gute, und bleibt bei eurem Schwure, alles andere wird kommen. Allein wir vermeinten klüger zu sein, und versammelten uns auf dem Wyšehrad zur Wahl. Da war Wladislaw, der Sohn des guten vorigen Herzoges Wladislaw, von dem einige Macht und Ansehen, andere eine gute Regierung erhofften, und wir wählten ihn zum Herzoge. Im Frühlinge dieses Jahres aber wählten viele wieder einen andern Herzog, Konrad von Znaim, und zogen in Waffen gegen Böhmen. Auf dem Berge Wysoka ist eine Schlacht gewesen, und viele hundert Menschen, ja tausend, sind erschlagen worden. Und dann waren Kämpfe und die Belagerung von Prag. Die Saaten sind zerstört, die Häuser öde, weil die Menschen fliehen, die heiligen Bauwerke und kostbare Handschriften und Kirchenschätze sind verbrannt worden, und in die Geschlechter ist die Wildheit gekommen. Der Herzog Wladislaw ist zu dem deutschen Könige Konrad um Hilfe gegangen, und als die Hilfsheere heran zogen, haben sich die Feinde zerstreut. In Mähren sind die Fürsten gegen mich aufgestanden, sie haben die Kirchengüter genommen, und Zuchtlosigkeit gestiftet. Ich sprach die Worte des Bannes. Und als der Bann in dem Lande war, als das heilige Opfer bei verschlossenen Kirchentüren gehalten wurde, als man die Toten nicht kirchlich beerdigen konnte, als die Gnadenspendungen nur den Sterbenden gereicht wurden, und[494] als sich alle nach einem Zeichen auf die Erde werfen mußten, um Gott zu bitten, daß er das Unglück wende: da drangen sie gegen mich, sie suchten mich an dem Halse zu drosseln, daß ich das Übel wegnehme, und da ich darauf meine Männer zur Hilfe aufbot, boten sie noch mehr auf, und ich floh aus dem Lande durch ödes Gefild nach Böhmen, und ich wurde dann flüchtig in fremde Länder, wo die Zahl ihrer Anhänger nicht ist. Das ist Strafe, hochehrwürdiger Bischof, und Silvester hat gesagt, daß sie kommen wird.«

»Und wenn es Strafe ist, hochehrwürdiger Bruder«, antwortete der Bischof von Passau, »so bist du durch Gott beglückt, daß du hienieden noch büßen kannst, wenn du gefehlt hast. Die er züchtiget, die liebt er, und wenn deine Gedanken, die Gutes wollten, nicht zum Guten taugten, so wird er dich zu dem Guten führen. Ich würde mich an deiner Stelle preisen, und ich bete, daß ich meine Sünden auf dieser Welt abbüßen könne. Wie oft habe ich gebetet, daß ich auf jener Stätte Buße zu tun vermochte, auf welcher mein Erlöser gelitten hat.«

»Gott wird dir diese Gnade gewähren«, sagte der Bischof Zdik.

»Wenn die Spanne meines Lebens nicht schon zu kurz ist, so werde ich die Pilgerschaft in die heiligen Länder beginnen«, antwortete der Bischof von Passau; »dir aber, Zdik, wird er den Kranz reichen, der nach der Strafe bestimmt ist, die Wilden werden Lämmer werden, und dein Volk wird zurückkehren, und vor den Altären auf die Kniee fallen.«

»Ich erwarte, was in der Hand des Herrn ist«, sagte Zdik.

»Er hat deinen Gegner gerührt, daß er dich beschützt hat«, sagte der Bischof Regimbert, »ist nicht dieser Jüngling auf dem Wyšehrad dir entgegen gestanden?«

»Ich bin bei der Wahl nicht ein Gegner des hochehrwürdigen Bischofes Zdik gewesen«, sagte Witiko, »ich bin[495] ein Diener des Herzoges Soběslaw gewesen, und habe der Wahl nur zugeschaut. Aber wenn ich auch ein Gegner des hochehrwürdigen Bischofes gewesen wäre, so hätte ich ihn doch geleitet und beschützt, wenn ich es gekonnt hätte. In meiner Sache hat mich der hochehrwürdige Bischof damals sehr unterstützt. Jedoch beschützen habe ich ihn jetzt nicht können, weil auf den Wegen, die wir geritten sind, nirgends eine Gefahr gewesen ist.«

»Ihr habt mich doch beschützt, Witiko«, sagte Zdik, »denn wer solche Wege wählt, daß es wie ein Tuch vor den Augen meiner Feinde ist, und wer solche Nachtlager findet, auf denen ich ruhig sein kann, der ist mein Beschützer wie der, der gerade die Waffe des Feindes zurückschlägt.«

»Welche Wege seid Ihr denn geritten, Witiko?« fragte der Bischof von Passau.

»Von Přic gleich in den Mittagwald«, sagte Witiko, »und in ihm auf Pfaden, die die Säumer nicht besuchen, über Elhenic, Tiš und über die Heide Ogfolds nach Plan in mein Häuschen zur Nachtruhe. Von Plan durch die Moldau, durch den ebenen Wald, an dem Berge des heiligen Ulrich vorüber zu dem Mittagsfuße der drei Sessel, wo wir in dem Waldhause Heinrichs von Jugelbach übernachteten. Von dem Waldhause über den breiten Berg und den Hauzenberg nach Passau.«

»Du hast gute Wege gewählt«, sagte der Bischof von Passau, »obgleich noch wildere und abgelegenere sind, darauf ein Fuß kaum gehen oder klettern kann.«

»Ja«, sagte Witiko, »von dem schwarzen See über den Blöckenstein oder über die drei Sessel zu der kalten Moldau, die durch lange und breite Wälder fließt.«

»Oder von dem Hohensteine auf der Waldschneide zum Arber, wo Luchse und Bären und Hirsche und Rehe sind«, sagte der Bischof Regimbert. »Hat euch Heinrich von Jugelbach erkannt?«[496]

»Mich hat er von früherer Zeit gekannt«, sagte Witiko, »er hat meinen Vater gekannt, und kennt meine Mutter. Er hat uns eine feste Wohnung in seinem Hause gegeben, hat den hochehrwürdigen Bischof beim Mahle unter den Knechten sitzen lassen, hat das eiserne Zugangsgitter zu unserer Wohnung mit seinen eigenen Händen gesperrt und geöffnet, und hat bei dem Abschiede zu mir gesagt: Ich danke Euch für das Vertrauen, welches Ihr mir heute in der Nacht erwiesen habt.«

»Er ist ein gewalttätiger ehrenhafter Mann«, sprach der Bischof von Passau, »und beschützt, wen er beschützen will. Hast du schon Botschaft an den Heiligen Vater getan, hochehrwürdiger Bruder?«

»Ich habe sie getan«, entgegnete Zdik, »und es kann in jeder Frist die Antwort nach Mähren gelangen.«

»Sie wird dahin gelangen, und eine Leuchte ihrer Taten sein«, sagte der Bischof von Passau.

»Möge es so werden«, antwortete Zdik.

»Heinrich von Jugelbach ist schon in sehr vielen Ländern gewesen«, sagte Regimbert, »und hat dich gewiß gesehen und kennt dich, ehrwürdiger Bischof von Olmütz. Er hat schon zum öftern die Gnade genossen, zu der Stätte dies Leidens und des Sterbens des Heilandes gelangen zu können, und er will wieder dahin gehen. Ich habe ihn vor sieben Jahren in großem Schmucke mit seinem Vater Werinhart gesehen, da die Klöster an dem Randshofe eingeweiht worden sind. Er wollte verhindern, daß, wie der Pfarrer Erimbert von Pfaffing das Ordenskleid nahm, desgleichen auch die Herren Ebo von Aua, Richer von Rohr und Stilicho von Engersheim täten, weil er nicht gemeint war, daß das weltliche Gut in die heiligen Hände gelange. Sie haben es aber doch getan, und er und sein Vater sind im Unmute von den Klöstern fort geritten. Sie sind immer der Habe und des Wachsens begierig gewesen. Werinhart, der Vater Heinrichs, hat wegen einiger[497] Rechte und einigen Besitzes mit dem Kloster Berchtesgaden Streit begonnen. Konrad, der Erzbischof von Salzburg, und Roman, der Bischof von Gurk, haben vermittelt, ja es ist sogar die Hilfe des Heiligen Vaters angegangen worden, und der Streit hat sein Ende bis in unsere Tage nicht erlangen können. Da der letzte Herr von Aschach gestorben ist, so hat die Tochter desselben, welche die Mutter Heinrichs von Jugelbach ist, das ganze Habe von Aschach geerbt. Und die zwei Brüder Heinrich von Jugelbach und Gebhart von Jugelbach wollen gegen Aschach gehen, und zwei Burgen bauen, indes der alte Werinhart in Jugelbach sitzt. Wenn die Abtei Wilhering, die man stiften will, entstehen kann, dann wollen sie ihr Totenlager von der Abtei Formbach nach Wilhering verlegen. Von Benedicta erbt Heinrich einmal die Wassermaut von Aschach, und da kann ich durch meine Schiffer mit ihm in Streit geraten, wie das Kloster Berchtesgaden mit seinem Vater in Streit geraten ist. Die zwei Brüder werden die Fittiche schon regen.«

»Das Totenlager verlegen sie«, sagte Zdik, »es ist allwärts wie bei uns, erst üben sie Gewalt, dann haben sie Reue, und begaben die Orte ihrer letzten Ruhe. In deinem Lande, ehrwürdiger Bruder, ist uns Gewalt begegnet. Man hat Bolzen auf uns gesendet, die abgeprallt sind.«

»Wer hat solches gewagt?« fragte der Bischof von Passau.

»Ich habe einen der zwei Männer fangen lassen«, entgegnete Witiko.

»Und habet Ihr ihn in unser Gericht gebracht?« fragte der Bischof.

»Nein«, antwortete Witiko, »ich habe ihn selber abgeurteilt. Weil ich durch Fragen im Hauzenberge erkannt hatte, daß er nur einen Gauneranfall hatte verüben wollen, so ließ ich ihn mit einer Drohung aus der Haft. Wir hatten nicht Frist zu Gerichtsdingen, und ich wollte[498] nicht, wenn ich den Mann bei unserem Weiterreiten mitziehen ließe, die Aufmerksamkeit der Leute auf uns richten.«

»Das ist gut, Witiko«, sagte der Bischof.

»Du darfst die Sache nicht beachten, hochehrwürdiger Bruder«, sagte Zdik, »die Bolzen stammen nicht aus dem Lande Mähren, und der Mann, der aus eigenem Rate auf uns geschossen hat, wird der Strafe nicht entrinnen.«

»Es ist arg, daß sich die Ordnung in diesen Tagen immer mehr verwirrt«, sagte Regimbert, »und am ärgsten, daß in unserm Lande Baiern kein Herr und Herzog ist. Der König hält das Land in seiner Macht, und es müßte vieles geschehen, wenn nicht der Markgraf Heinrich in Wien einen Teil davon erhielte.«

»Der König ist der Stiefbruder des Markgrafen Heinrich«, antwortete Zdik, »und weil er mit euerm stolzen Herzoge Heinrich und seinem Bruder Welf den schweren Krieg gehabt hat, so fürchtet er, wenn er dem Knäblein Heinrich zu Sachsen auch noch Baiern gäbe, daß es einst zu mächtig werden könnte. Und so kann es schon geschehen, wie du gesagt hast.«

»Dann ist der Sprengel des Bischoftumes Passau noch weiter in die Ostmark hinein gelegt, als jetzt«, sagte Regimbert.

»In unsern Zeiten werden die Dinge vielfältig von ihrer Stelle gerückt«, antwortete Zdik, »und die Kirche erleidet auch Änderungen.«

»Ja, es geschehen Zeichen und Wunder, und Mächte wachsen und vergehen, wie wir nicht geahnt haben«, sagte Regimbert, »wir sollten sorgsam auf diese Zeichen achten. Denke an Friedrich von Büren, und was er geworden ist. Er ist ein edler Mann gewesen, wie auch sein Vater ein edler Mann gewesen ist, und wie sein Großvater gewesen sein mag. Aber er ist nur ein edler Mann gewesen, und um sein Vorgeschlecht war Dunkelheit gehüllt.[499] Er stieg von seinem Dorfe Büren auf den Gipfel des hohen Staufen, und baute dort eine Burg. Und dann hat er mit seiner Hand und seinem Rate dem vierten Heinriche stets gedient, daß dieser endlich gesagt hat: Ich gebe dir meine Tochter Agnes zum Weibe, und verleihe dir das Herzogtum Schwaben. Und sitzt nicht der Sohn dieses Mannes Büren, Konrad, jetzt auf dem Königsstuhle der Deutschen, dem ersten weltlichen Stuhle auf dieser Erde, welcher gleich nach dem Stuhle des Heiligen Vaters kommt? Und wird dieses Geschlecht nicht wachsen? Hat er nicht die alten Welfe, die in Baiern und Sachsen mächtig waren, nieder geworfen? Und wird er nicht gegen Heinrich, den Sohn unsers verstorbenen stolzen Herzoges Heinrich, dem sie Sachsen gegeben haben, und in dem ein rächender Löwe heran wächst, einst streiten? Und wenn die Mächtigen streiten, kannst du sagen, Bruder Zdik, in welche Zeiten und in welche Länder sich der Streit fortpflanzen wird? Und wie der Mann Büren auf den hohen Staufen gestiegen ist, und seinem Geschlechte den deutschen Königstuhl errungen hat, so hat ein anderer Mann in der Zeit vor unsern Tagen seine Söhne ausgesendet, daß sie sich ihren Lebensunterhalt suchen, und sie haben Königskronen gefunden, die furchtbar sind, und die noch furchtbarer werden können. Es ist der Mann Tankred gewesen, der in dem Lande Normandie gehauset hat. Er ist auch nur ein edler Mann gewesen, und sein Geschlecht hat einiges Ansehen gehabt. Er hat die edle Jungfrau Moriella geheiratet, und sie hat ihm Töchter und fünf Söhne geboren. Und da sie gestorben war, hat er die edle Jungfrau Fresenda geheiratet, und sie hat ihm Töchter und sieben Söhne geboren. Und sie hat die Töchter und die Söhne erzogen. Und die Jünglinge waren in allen Tugenden der Männer und Ritter geübt. Da sagte der Vater: Wenn meine Habe unter euch geteilt wird, so hat jeder wenig, wenn sie aber einer bekömmt,[500] so kann er sein Geschlecht in Ansehen fortführen, und wenn die übrigen sich Ruhm und Habe erwerben, so könnt ihr alle bedeutsam sein. Da gingen drei Söhne, Wilhelm, Drogo und Humfried, nach Italien, und verdingten sich dem Fürsten von Capua. Als der Fürst kargte, gingen sie in den Dienst des Fürsten von Salerno. Derselbe übergab sie dem griechischen Kaiser Michael, und sie schlugen mit den Männern der Normandie, die nach gekommen waren, für ihn ein sicilisches und saracenisches Heer auf der Insel Sicilien. Die Griechen aber betrogen sie um die Beute, und waren arglistig, und die Männer mußten nach Italien fliehen. Dort errannten sie im Sturme die Stadt Malfi, machten aus ihr eine Veste, und sie sollte gemeinschaftliches Eigentum sein, und was man erobern würde, sollte geteilt werden. Wilhelm wurde als Haupt erkannt. Er führte sie gegen die Griechen, welche bestrebt waren, die Eindringlinge aus dem Lande zu werfen, und besiegte die Griechen. Aber er starb. Da wurde Drogo das Haupt, und es kamen wieder sieben Söhne Tankreds zu ihm. Weil die Griechen nicht zu siegen vermochten, und auch durch Geschenke die Fremden nicht aus dem Lande bringen konnten, dachten sie auf Hinterlist. Drogo wurde, als er in die Kirche von Montello ging, ermordet, viele seiner Leute wurden getötet, und es sollten an diesem Tage alle Normannen ermordet werden. Aber an Drogos Stelle trat Humfried, er rief die Seinigen zusammen, sie erstürmten Montello, töteten die Verräter, und befestigten ihre Macht. Nun wies sie der Heilige Vater Leo aus dem Lande, und befahl, daß sie aus Italien weichen sollten. Sie gehorchten nicht. Und so zog er mit den Leuten des Fürsten von Benevent, mit Griechen, und selbst mit Deutschen gegen sie. Allein sie siegten, und nahmen den Heiligen Vater gefangen. Sie bezeugten ihm große Ehrerbietung, und er belehnte sie mit dem, was sie hatten, und was sie in dem untern Italien[501] erwerben würden. Als Humfried starb, kam der nächste der Söhne Tankreds, Robert Guiskard, an seine Stelle. Sie sagen, daß Robert sehr schöne rote Wangen und blaue Augen und blonde Haare gehabt hatte. Aber die Männer gehorchten dem Haupte nicht mehr. Sie zerstreuten sich in Fehdefahrten, und wohnten auf Burgen. Robert baute sich ein Schloß, und mußte sich dahin Lebensmittel stehlen, er mußte einen falschen Leichenzug in ein Kloster führen, um von den Mönchen durch Schreck Geld und Nahrung zu erpressen, und er trug einen reichen Mann gegen sein Schloß, um Lösegeld zu erzwingen. Da kam nun auch der jüngste der Söhne Tankreds, Roger, nach Apulien. Er war schön und blond wie sein Bruder, aber größer. Zuerst war er mit seinem Bruder Robert vereinigt. Aber sie zerfielen dann, und bekriegten sich. Roger erhielt von einem Bruder eine Burg zum Geschenke, und er mußte Wegelagerung treiben, und stahl in der Nacht mit seinem Knechte Pferde. Die Brüder versöhnten sich wieder, und da sie versöhnt waren, bezwang Robert Länder in Apulien, und Roger machte Raubzüge nach Sicilien, und behielt die Stadt Messina in seiner Gewalt. Sie entzweiten sich dann wieder, und kämpften gegen einander. Da rettete Roger einmal seinen Bruder aus der Gefangenschaft und von dem Tode, und nun blieben sie vereint durch die Zeit ihres Lebens, und halfen einer dem andern. Roger besiegte die Saracenen in Sicilien, dann kam Robert zu ihm, und sie durchzogen die Insel. Dann gingen beide nach Apulien, bezwangen Städte durch Hunger, durch Sturm oder durch Schreck, und dann eroberten sie wieder Palermo, und dann die letzten Teile von Apulien. Roger wurde als Fürst von Sicilien und Robert als Fürst von Apulien anerkannt. Robert rüstete darauf ein Heer gegen den griechischen Kaiser Alexius, schiffte nach Griechenland, besiegte den Kaiser in mehreren Schlachten, und war daran, das ganze Reich zu bezwingen.[502] Da ward ihm zu Hause Empörung erregt, und der Heilige Vater Gregor der Siebente rief ihn zu Hilfe, weil er in der Engelsburg von dem Kaiser Heinrich belagert wurde. Robert ließ seinen Sohn Boemund in Griechenland, ging heim, schlug die Empörer, zog mit seinem Bruder nach Rom, und befreite den Heiligen Vater. Boemund besiegte in der Zeit die Griechen in drei Schlachten. Robert machte nun den zweiten Zug gegen sie; allein da starb er. Seine Söhne haderten, und endlich erlosch seine Nachkommenschaft gänzlich. Und da auch Roger gestorben, und da ihm sein Sohn desselben Namens Roger gefolgt war, kam alle Herrschaft in Sicilien und Apulien an diesen zweiten Roger. Er wurde dann König und vor zwölf Jahren in der heiligen Weihnachtzeit von dem Gegenpapste Anaklet durch einen Kardinal in der erzbischöflichen Kirche in Palermo gesalbt. Der im Himmel selige Kaiser Lothar hat wohl nach seinem Krönungszuge nach Rom das ganze Land Italien erobert, und Roger auf Sicilien zurück gedrängt, und den Heiligen Vater Innozenz auf seinen Stuhl nach Rom geführt; aber da Lothar nach Deutschland zurück gezogen, und auf dem Wege gestorben war, eroberte Roger wieder alle Länder des untern Italien, und wurde von dem Heiligen Vater Innozenz als König von Apulien, Calabrien, Capua und Sicilien erkannt. Und da steht er nun, der Enkel des Mannes Tankred, als ein gewaltiger Herrscher da, bereit, alles zu nehmen, und sei es so viel, als eines Menschen Haupt zu denken vermag. Und wie sind die Sachen indessen in dem oberen Italien gediehen? Wenn man mit Worten den Kaiser nennt, so achtet in Taten niemand sein, die Begierden herrschen, und Venedig kämpft mit Ravenna, Florenz und Pisa mit Lucca und Siena, Verona und Vicenza mit Padua und Treviso, Bologna mit Modena, und die Herren in dem Lande sind dabei, der Markgraf von Tuscien steht zu den Florentinern, der Graf Guido zu den Feinden derselben,[503] und es erheben sich Räuberhorden, die den Freund und den Feind plündern, und Bischöfe und Äbte anfallen. Und hat nicht der Abt von Clugny, der auch von Räubern ergriffen worden war, an den König Roger geschrieben: Oh, wenn nur das arme Land deinen Befehlen unterworfen würde? Und sind nicht diese Worte bekannt gemacht worden? Wenn nicht ein deutscher König zu retten kommt, so wird Roger das Land ergreifen, es mit einem Arme halten, und mit dem andern über die Alpen langen, und alles zu verschlingen streben, oder alles wird zerfallen.«

»So ist es, hochehrwürdiger Bruder Regimbert«, sagte Zdik, »das Erhobene wird gedemütigt, das Kleine wird erhoben. So stark wie dieser Roger, Robert, Boemund, Wilhelm und Drogo, so sind noch andere auf dieser Welt, und wer weiß, ob nicht der deutsche König und römische Kaiser schon unter uns wandelt, der die Rettung bringt.«

»Konrad wird jetzt auf seinen Römerzug gehen«, sagte Regimbert, »auch preisen viele den Knaben Friedrich.«

»Was ist alles vor den Augen Gottes«, antwortete Zdik, »Geschlechter steigen in die Grube, andere breiten sich aus, Reiche vergehen, und werden. Bei uns sind Männer von dem Herzogstuhle in das Elend gegangen, andere von dem Pfluge zur Herrschaft, Städte und Stämme haben geboten, und sind dahin. Aber Gott wirkt durch die Menschen Wunder, welche leuchten von dem Aufgange bis zu dem Untergange, und welche nicht vergessen werden, wenn wir sie auch durch Unreinheit des Herzens verlieren.«

»Du sagst es, Bruder Zdik«, antwortete Regimbert, »das ist die Befreiung des Heiligen Landes von der Schmach der Entweihung durch den Eifer gebrechlicher Menschen. Das ist das Wunder, das vor unserer Zeit geschehen ist, und das nicht vergessen werden kann. Es ist mein Gebet beim Tage, meine Betrachtung in der Nacht, und mein[504] Traum in dem Schlafe, daß ich einmal in das Land gelange. Ich erzähle mir, und wiederhole mir, wie es sich wundervoll zugetragen hat. Da ist ein Mann mit einem kleinen Körper, mit schwachen Gliedern, mit geschwärzten Wangen, und mit nackten Füßen, der Einsiedler Peter, zu dem Heiligen Vater Urban gekommen. Er hat erzählt, wie er nach Jerusalem gegangen ist, und wie ihn die Leute gepflegt haben, und wie ihm vornehme Frauen die Füße gewaschen haben; denn es hat sich ausgebreitet, daß die Pilgerungen zum Seelenheile dienen, damit man sich von Schuld löse, oder frömmer werde, oder Überbleibsel hole, die ewigen Segen bringen, und viele Menschen sind nach Jerusalem gewandelt, und immer mehrere, um des Heiles teilhaftig zu werden. Und je mehr Menschen nach Jerusalem gezogen sind, desto mehr Ungläubige sind aus dem Lande Asien heraus gezogen, und haben alles erobert bis an das Meer, und sind den Pilgern zum Schrecken und zur Gefahr geworden, und haben Zins begehrt, wenn man die heiligen Stätten betreten wollte. Aber die Pilger duldeten den Schrecken und die Gefahr, und leisteten den Zins. Siegfried, der Erzbischof von Mainz, Otto, der Bischof von Regensburg, Günther, der Bischof von Bamberg, Wilhelm, der Bischof von Utrecht, die große Geleite hatten, wurden angefallen, und verloren Habe und Männer. Von siebentausend Christen, die eine Wallfahrt unternommen haben, sind fünftausend getötet worden. Dietrich, der Graf von Trier, welcher Kuno, den Erzbischof von Köln, erschlagen hatte, ging, um die schwere Schuld zu sühnen, nach Jerusalem, und ist nicht wieder zurückgekehrt. Die pilgernden Herren von Wulfenberg, vom Thal, von Bingen sind verschollen, und ist nie mehr etwas von ihnen gehört worden. Eine schöne Äbtissin hat man bis zum Tode entwürdigt. Die Türken schändeten die heiligen Orte, die Kirchengeräte wurden zerstört, die Priester geschlagen[505] und mißhandelt, der Patriarch wurde bei den Haaren und dem Barte zu Boden geworfen, und es wurde ihm in das Angesicht gespien, und wenn die armen Pilger den Zins nicht zahlen konnten, so wurden sie zurück gejagt, und die Christen konnten ihnen nicht helfen, weil sie selber beraubt und geplündert worden waren, und da man die Pilger nicht pflegen konnte, mußten sie oft auf der Heimkehr verschmachten. Der Einsiedler zog Briefe heraus, die ihm Simeon, der Patriarch, gegeben hatte, die ihm andere Leute gegeben hatten, und die ihm unzählige Leute gegeben hatten. Der Heilige Vater antwortete, daß er auf Abhilfe denken werde. Peter ging darauf über die Alpen, und erzählte dort, und teilte Briefe aus. Auf den November des Jahres 1095 berief der Heilige Vater eine Versammlung nach Clermont. Es kamen über dreihundert Bischöfe und Äbte, und dann Fürsten, Edle, Ritter und Volk. Der Heilige Vater hielt die Versammlung unter dem freien Himmel, und sprach: Die Lehre des Heilandes ist durch viele hundert Jahre in dem Lande Asien geübt worden, sie ist von da in die ganze Welt ausgegangen; jetzt aber sind Ungläubige dort, und walten. Welch ein Jammer ist dieses! Und doch ist der Jammer noch größer. Die heilige Stadt Jerusalem und das Heilige Land ist in ihrer Gewalt. Der Erlöser, welcher die menschliche Gestalt angenommen hat, ist dort gewandelt, hat dort seine Worte gesprochen, seine Wunder gewirkt, hat dort gelebt, und ist dort gestorben. Jetzt ist dort keine Erlösung mehr. In der Kirche der Auferstehung, durch die er dem Tode die Macht genommen hat, werden Teufelsworte verkündiget, in dem heiligen Raume stehen Lasttiere, die Christen werden verfolgt, die Priester mißhandelt und erschlagen, und um das nur anblicken zu können, müssen die Pilger einen schweren Zins zahlen. Uns allen wäre besser, daß wir stürben, als daß wir leben, und dieses Unheil dulden. Ich sage: Jeder[506] verleugne sich selbst, jeder nehme das Kreuz des Heilandes, kein Christ streite mehr wider den andern, keiner rufe den andern vor Gericht, keiner sei tapfer gegen den Nachbar, sondern gegen die Heiden zur Vergebung der Sünden, keiner fürchte Gefahr; denn wer reinen Herzens für den Herrn streitet, dem sind die Feinde dahin gegeben, keiner fürchte Mangel; denn wer Gott gewinnt, ist reich, keiner lasse sich durch Klagen der Seinigen hindern; denn die Gnade schützet das Haus. Und der Heilige Vater konnte seine Worte nicht endigen; denn es entstand ein Donnerschrei in dem Volke, und es rief gesamt wie ein einziger Mensch: Gott will es! Und da es wieder stille geworden war, sagte der Heilige Vater: Wahrhaftig sind die Worte der Schrift: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, werde ich bei ihnen sein. Er ist bei euch gewesen, und hat durch euch wie mit einem Munde das Wort gerufen: Gott will es. Das Wort ist nun fortan euer Feldwort, und das Kreuz sei euer Zeichen, es ist das Zeichen der Macht und der Demut. Wer das heilige Unternehmen zu stören wagt, den trifft der Fluch des päpstlichen Stuhles, wer es fördert, dem wird sein Beistand im Namen des Herrn von Ewigkeit zu Ewigkeit. Da der Heilige Vater geendet hatte, kniete Ademar von Monteil, der Bischof von Puy, vor ihm nieder, und bat, daß er bei dem heiligen Zuge sein dürfe, dann kniete Wilhelm, der Bischof von Orange, nieder, und bat auch so, und dann knieten viele, und baten, und die meisten der Versammelten riefen auf, und gelobten den Zug. Man riß plötzlich, wo irgend ein rotes Tuch oder rote Seide oder rotes Linnen auf einem Kleide war, dasselbe herab, und schnitt Kreuze daraus, und heftete sich die Kreuze auf die Schultern. Alte Männer, welche zu jener Zeit gelebt haben, erzählen, daß sich die Kunde von dem, was zu Clermont geschehen ist, in allen Ländern der Christenheit zu der gleichen Zeit verbreitet hat. Die Bischöfe[507] und die Priester predigten nun das Kreuz, und die Pilger riefen zum Zuge. Der Mann trennte sich von dem Weibe, das Weib von dem Manne, die Eltern von den Kindern, die Kinder von den Eltern, der Bruder von der Schwester, die Schwester von dem Bruder, der Landmann vergaß den Acker, der Hirt die Herde, Mönche und Nonnen verließen ihre Zellen, und alle, Männer und Weiber, Hohe und Niedere wollten nicht ausgeschlossen sein von der Wanderung der Völker nach dem Heiligen Lande. Es war nicht mehr Frist, das auszuschließen, was nicht tauglich war, und wie ein brausendes Gewässer lief alles vorwärts. Unzählbare Menschen zogen sogleich mit dem Ritter Walter und mit dem Einsiedler Peter dahin; aber sie gingen zu Grunde. Dann zogen andere mit dem Grafen Emiko; aber sie gingen auch zu Grunde. Da zog der edle Herzog von Lothringen, Gottfried von Bouillon mit Ratschluß und Besinnung aus. Es zogen mit ihm seine Brüder Balduin und Eustathius. Es zogen mit ihm Robert, der Graf von der Normandie, der Bruder des Königs von England, dann Robert, der Graf von Flandern, es zogen mit ihm Hugo, der Graf von Vermandois, der Bruder des Königs von Frankreich, dann der Graf Stephan von Blois, der Burgen hatte, wie Tage im Jahre sind, dann Raimund, der Graf von Toulouse, welcher der reichste unter den Rittern war, dann Boemund, der Sohn des Normannen Robert Guiskard, der Enkel des Mannes Tankred, und mit ihm war sein Neffe Tankred, der in jungen Jahren schon hohes Lob gewonnen hatte, es zog mit ihm noch eine große Zahl von Herren, Rittern und Edlen. Sie gingen durch das Land Ungarn und durch das Reich der Griechen, und waren, als sie auf den Boden des Erdteiles Asien stiegen, eine halbe Million und hunderttausend Menschen. Darunter waren dreihunderttausend gewappnete Fußgänger und hunderttausend Reiter. Sie gingen in dem Erdteile Asien vorwärts, und waren[508] Leute aller Zungen und Völker. Sie litten durch Hunger und Durst, durch Feinde und Zank, durch Krankheit und Erschöpfung, durch Kämpfe und Aufenthalt, weil sie nicht ganz reinen Herzens waren. Und als sie sich gereiniget hatten, eroberten sie Nicäa, Edessa, und Antiochia, und am sechsten Tage des Brachmonates des Jahres 1099 hatten sie die Gnade, Jerusalem zu sehen. Sie fielen auf die Knie, sangen Loblieder, und weinten vor Freude. Dann näherten sie sich der Stadt, und rüsteten sich zur Belagerung, und am neununddreißigsten Tage nach ihrer Ankunft, am fünfzehnten des Heumonates erstiegen sie im Sturme die Stadt Jerusalem. Alle hatten die größte Anstrengung erwiesen, und man hatte diejenigen, welche auf dem Zuge gestorben waren, wieder unter den Kämpfern erblickt. Sie küßten den Erdboden, berührten alles mit ihren Händen, feierten in der heiligen Kirche den Gottesdienst, taten Buße, und gelobten mit lauter Stimme Besserung. Dann errichteten sie, da sie riefen: Gott will es, ein christliches Reich, und erwählten Gottfried zum ersten Könige von Jerusalem. Dieses ist im dritten Jahre, nachdem sie die Heimat verlassen hatten, geschehen. Siehe, mein Bruder Zdik, das ist das Wunder, das von Gott durch gebrechliche Menschen gewirkt worden ist, wie du gesagt hast. Es ist nichts Größeres seit dem Leben und Sterben des Heilandes auf der Welt gewesen. Eine Freude war in der ganzen Christenheit.«

»Es ist nichts Größeres gewesen«, sagte Zdik, »und ich halte es mir immer vor die Seele.«

»Aber die Menschen in Jerusalem sind nicht fortan reinen Herzens geblieben«, erwiderte der Bischof Regimbert.

»Nein, sie sind nicht reinen Herzens geblieben«, sagte Zdik, »und ich habe es selber in Jerusalem gesehen, daß sie nicht solchen Herzens geblieben sind.«

»Darum mußte auch wieder die Heimsuchung kommen«, antwortete Regimbert. »Der fromme König Gottfried[509] hat nur kurz geherrscht. Dann führte unter Mühen und Erwerbungen sein Bruder Balduin siebenzehn Jahre das Königtum. Dann kam der andere Balduin, sein Vetter, der Graf von Edessa, und stiftete ein Reich von Tarsus bis nach Ägypten. Er vermählte in unseren Tagen seine älteste Tochter Melisenda mit Fulko, dem Grafen von Anjou, und als er gestorben war, wurde Fulko König. Der König Fulko ist jetzt schon alt, er ist irdisch und unsicher, und auch die andern sind irdisch und habgierig. Da hat Gott zwei Feinde des Reiches erweckt. Der eine ist der griechische Kaiser Johannes, der Sohn des Kaisers Alexius, der in Griechenland geherrscht hatte, als Gottfried in die heiligen Länder gezogen war. Er ist ein tapferer Mann, und besiegte gleich nach dem Beginne seiner Herrschaft die Türken und Petschenegen. Darauf fingen die Ungarn gegen ihn Krieg an, weil er Almus, den flüchtigen Bruder ihres Königs, gütig aufgenommen hatte. Er war auch gegen die Ungarn siegreich. Da er diese Dinge beendiget hatte, zog er mit seinem Heere nach Asien, und drängte die Ungläubigen zurück. Es mögen jetzt fünf Jahre sein, daß er Tarsus und das ganze Cilicien eroberte, und vor die christliche Stadt Antiochia kam. Weil einmal diese Länder zu Griechenland gehört hatten, und weil die ersten Pilger dem Kaiser Alexius die Lehensherrlichkeit darüber versprochen hatten, so begehrte sie nun Johannes. Aber die jetzigen Pilger verweigerten sie, und so sind nun Christen wider Christen. Der zweite Feind ist Emadeddin Zenki, der Ungläubige. Er ist Herr von Aleppo, Syrien und des Landes zwischen den Flüssen. Er hat seine Waffen gegen die Christen gekehrt, und Raimund, den Grafen von Tripolis, gefangen, zugleich auch den König Fulko in einer Burg bei Akkon eingeschlossen. Den Grafen Raimund gab er gegen ein Lösegeld und den König gegen die Burg frei. Jetzt rüstet er gegen Edessa. Wenn nicht mit neuem Glauben und[510] neuem Eifer Pilger von uns in das Morgenland ziehen, kann alles verloren werden. Boemund hat ein irdisches Mittel angesagt. Man soll das griechische Reich erobern, dort eine starke abendländische Herrschaft stiften, und von ihr aus die weiteren Länder erwerben und anfügen. Gott wird aber die Seinigen ohne dieses Mittel retten und befreien.«

»Und wenn alles durch die Sünden der Menschen verloren wird, so wird alles einmal wieder gewonnen werden, und es wird ein Hirt und eine Herde sein«, sagte Zdik.

»Und glücklich sind, die zu diesem Gewinne werden auserkoren sein«, sprach Regimbert. »Sage, Zdik, wird der Herzog Wladislaw zu dem heiligen Kampfe seine Mitwirkung bringen?«

»Wladislaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, wird zuerst in seinen Ländern seine Macht in Sicherheit stellen«, antwortete Zdik, »und dann wird er tun, was der Kirche und den Menschen frommt.«

»Und Könige und Fürsten und alle, die die Macht haben, sollen dem Werke nicht fehlen«, sagte der Bischof von Passau, »und du, mein Sohn Witiko, wirst du auch deine Jugend in die heiligen Länder tragen?«

»Wenn mein geringer Dienst etwas wirken kann, werde ich ihn nicht versagen«, antwortete Witiko.

»Ich glaube es«, sagte der Bischof.

»Ihr habt in Eurer Rede einen Namen genannt, welchen ich kenne, hochehrwürdiger Bischof«, sagte Witiko, »Almus, der flüchtige Bruder des ungarischen Königs, den der griechische Kaiser Johannes gütig aufgenommen hatte, ist der Vater Adelheids, der Gemahlin des böhmischen Herzoges Soběslaw, gewesen, welche die Länder Böhmen und Mähren geliebt hat, welche in diesem Leben wie eine Heilige gewandelt ist, und mir Wohlwollen erwiesen hat. Und erlaubet mir auch, hochehrwürdiger Herr, daß ich von Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen[511] und Mähren, rede. Wenn es die Ehre und der Ruhm seiner Länder erheischt, wird er seine Banner über die Grenze zu entfernten Völkern tragen, und wir werden ihm folgen.«

»Ich habe Adelheid gekannt, mein Sohn«, sagte Regimbert, »sie genießt im Himmel den seligen Lohn. Wladislaw möge nicht nur die Ehre und den Ruhm seiner Länder wahren, sondern vielmehr tun, was die Ehre und der Ruhm Gottes erheischt.«

»Wie Gott durch alle Zeit hindurch die Zeiten lenkte«, sagte Zdik, »und die erweckte, welche er für die Zeiten brauchte, so wird er auch die erwecken, die in den weltlichen Dingen und auch in den himmlischen seine Ehre und seinen Ruhm erfüllen, und wenn es auch in so entfernten Jahren ist, dahin wir nicht zu sehen und nicht zu denken vermögen.«

»Amen«, sagte der Bischof von Passau, »so ist es gewesen, und so wird es sein. Und was für die jetzige Zeit not tut, wie du sagst, daß der Herzog Wladislaw seine Macht festigen muß, so wird der Heilige Vater einen Gesandten nach Böhmen schicken, der die geheiligten Dinge ordnet, und der Herzog kann dann weiter walten, und in Deutschland würde ein König taugen, der das Blut der Hohenstaufen und der Welfen zugleich in sich trägt, wie der junge Friedrich, damit der Streit zwischen ihnen ruhte, Italien muß gehorchen, der Heilige Vater Innozenz und der Kaiser, wenn er einmal gekrönt sein wird, sollten in Freundschaft sein, und dann würden die Zelte die nicht fassen, die zu dem Zuge in die heiligen Länder kommen, und den Herrn dort verherrlichen wurden.«

Als der Bischof noch diese Worte sprach, trat der Priester Konstantin in das Gemach. Er blieb in der Entfernung stehen, bis der Bischof ausgesprochen hatte.

»Nun, was hast du zu berichten, lieber ehrwürdiger Bruder Konstantin?« fragte ihn der Bischof.[512]

Der Priester trat näher, neigte sich, und sprach: »Es ist alles vollendet, was zur Aufnahme des hochehrwürdigen Bischofes von Olmütz notwendig gewesen ist, und der hochehrwürdige Herr kann in seine Wohnung kommen.«

»Wenn du in dein Gemach begehrest, hochehrwürdiger Bruder Zdik«, sprach Regimbert, »so wirst du es sagen.«

»Die Sonne ist untergegangen, wie ich an jenen Bergen sehe«, antwortete Zdik, »es wird an der Zeit sein, seine Wohnung zu suchen, um dort ein Abendgebet zu sprechen.«

»So gehe ein in dein Haus unter meinem Dache«, sagte der Bischof von Passau, »und die von Hagenau und von Peilstein und die von dem Bischoftume werden dich schützen.«

Er erhob sich nach diesen Worten von seinem Sitze.

Der Bischof Zdik in seinem braunen Gewande stieg auch von dem seidenen Stuhle herab, Regimbert nahm ihn bei der Hand, und sagte: »Lasse dich geleiten. Und du, edler Witiko, folge uns, daß dir auch deine Herbergstube gezeigt werde.«

Er führte den Bischof an der Hand gegen eine andere Tür, als durch welche die Wanderer herein gekommen waren. Witiko folgte den zwei Kirchenherren. Hinter Witiko ging der Priester Konstantin. Als sie in das Vorgemach gekommen waren, standen noch Priester, Kämmerlinge und Diener da. Sie reihten sich nach ihrer Würde dem Zuge an. Der Bischof Regimbert führte seinen Gast durch Gemächer mit Holzgetäfel und geschnitzten Gestalten von Aposteln und Heiligen, und dann über Tücher eines kurzen Ganges in einen andern Teil der kirchlichen Burg, und hielt vor einer Eichentür an, indem er sagte: »Gott segne den Eingang.«

Ein Diener öffnete die Flügel der Tür, und der Zug trat in ein großes Vorgemach, in welchem brennende Lichter[513] waren. Von dem Vorgemache konnte man in andere beleuchtete Gemächer sehen.

Der Bischof von Passau führte Zdik an der Hand in diese Gemächer.

Sie kamen zuerst in eines, welches mit roter Seide überzogen war. In demselben stand unter einem roten Seidendache ein Kreuz mit dem Heilande, davor ein Betschemel war, den rote Seide bedeckte. Dann kamen sie in ein Gemach von dunkelblauer Seide mit vielen dunkelblauseidenen Stühlen und mit Tischen. Dann gelangten sie in das Speisegemach. Es war mit dunkelm Birnholze getäfelt. In demselben standen die Speisegeräte. Sie waren schon zum Abendmahle bereitet. Dann war ein Wohnzimmer, das gleich dem Speisezimmer Birnholzgetäfel hatte. Dann ging der Zug in ein Zimmer, dessen Getäfel braunes Nußholz war. In dem Zimmer standen Schreine aus Eichenholz, deren Türen offen waren. In einigen Schreinen hingen Gewänder, welche ein hoher Kirchenherr in der Kirche, dann, welche er außerhalb derselben im Hause, im Felde und im Walde tragen konnte, und in andern Schreinen waren Trutz- und Schutzwaffen. Nach dem Gewandgemache war ein Ankleidegemach mit braunem Nußholze, und nach diesem Gemache war hinter einem gelbseidenen Vorhange die Schlafstelle.

Als der Bischof von Passau den Gast durch alle Gemächer geführt hatte, blieb er an dem seidenen Vorhange stehen, und sagte: »Ich habe dir deine Wohnung gezeigt, ehrwürdiger Bruder Zdik, benütze sie wie dein Haus, und offenbare jeden Wunsch zur Erfüllung eines Bedarfes. Erlaube, daß ich mich entferne. Gelobt sei Gott der Herr!«

Er ließ bei diesen Worten die Hand des Bischofes Zdik los.

Zdik sagte: »Gelobt sei Gott der Herr. Ich bringe dir den Dank, und werde dich geleiten.«[514]

Der Bischof von Passau trat den Rückweg an, und Zdik geleitete ihn bis in das Vorgemach. Regimbert ging aus dem Vorgemache, und es folgten ihm einige Priester, Kämmerlinge und Diener. Konstantin, zwei Priester, zwei Kämmerer und vier Diener blieben bei Zdik zurück.

Zdik wendete sich zu den Priestern, und sprach: »Ehrwürdige Herren, ich danke euch für euer Geleite, ich glaube, es ist nicht geziemend, daß ich euch noch ferner von euerem Gebete und eueren Obliegenheiten abhalte.«

»Wir sind zu dir gehörig, hochehrwürdiger Herr«, sagte Konstantin, »rufe uns, so du willst.«

»Ich werde es tun«, sagte Zdik.

Darauf entfernte sich Konstantin mit den Priestern aus dem Vorgemache.

»Harre ein Weilchen, Witiko«, sagte Zdik.

Nach diesen Worten ging er in das rote Zimmer, kniete dort auf den Betschemel vor dem Kreuze nieder, und betete.

Dann stand er auf, ging wieder hinaus, und sprach: »Zuerst der Dank an Gott, dann der Dank an dich, Witiko, du hast treue Christenpflicht an mir geübt; möge sie dir im Walde gelohnt werden, von dem Hause Heinrichs von Jugelbach bis an die Waldstelle, in der du wohnen wirst. Möge Wladislaw die Stelle zieren, und möge ich etwas hinzu tun können. Die Reisetage werde ich nicht vergessen, und die Vergeltung wird im Jenseits nicht vergessen werden.«

Nach diesen Worten legte er die Hände wie zum Segen auf den Scheitel Witikos.

»Hoher Herr«, sagte Witiko, »ich danke Euern Worten. Was ich getan habe, das habe ich nicht des Lohnes wegen getan, sondern weil ich meinte, daß es gut sei. Und darum habe ich es mit Liebe getan, die sich zur Liebe gegen Euch gesellte. Jedes Glück, das mich findet, ist eine[515] Gnade des Herrn, und das Glück im Walde ist meinem Herzen lieber als das Glück anderswo.«

»Lasse die Liebe zu mir dauern, Witiko, wie die meinige zu dir dauert«, sagte Zdik, »genieße die Ruhe nach dem Ritte, und zeige mir morgen wieder dein Angesicht.«

Dann wendete er sich zu den Dienern, und sagte: »Weise einer dem Ritter seine Schlafstelle.«

Ein Diener schickte sich zum Gehorchen an.

»Habt gute Ruhe, hochehrwürdiger Herr«, sagte Witiko.

»Du auch, mein Sohn«, sagte Zdik.

Darauf ging Witiko mit dem Diener aus dem Gemache.

Der Diener führte ihn über den erleuchteten Gang, dann über eine Treppe hinauf zu einer großen Eichentür.

Sie gingen durch die Tür in ein Vorgemach. In dem Vorgemache saßen zwei Diener und Raimund.

»Diese Männer sind zu Euern Diensten, hoher Herr«, sagte der, welcher Witiko geleitet hatte, und entfernte sich.

Die Diener in dem Vorgemache erhoben sich.

Witiko sagte zu Raimund: »Folge mir.«

Raimund erhob sich auch von seinem Sitze.

Witiko ging mit ihm von dem Vorgemache in ein zweites kleineres Vorgemach, in welchem ein Lager bereitet war, das er als das Nachtlager Raimunds erkannte. Dann gelangte er in ein Speisezimmer, in welchem der Tisch zum Abendessen gerüstet war. Aus dem Speisezimmer kamen sie in ein Gemach, in welchem Waffen und schöne Kleider waren. Und neben diesem Gemache befand sich das Schlafzimmer für Witiko. In allen Gemächern brannten Lichter.

»Nun hast du unsere Wohnung gesehen, Raimund«, sagte Witiko, »jetzt folge mir in den Stall.«

Er lehnte das Geleite eines Dieners ab, und führte Raimund in den Stall.

Dort sahen sie nach den Pferden, und gingen dann wieder in ihre Gemächer.[516]

Witiko ging mit Raimund in das Kleiderzimmer, dort setzte er sich nieder, nahm die Lederhaube von seinem Haupte, und strich sich die blonden Haare zurück.

»Siehe, Raimund«, sagte er, »nun ist die Mühsal überstanden. Sie haben uns in dieser kirchlichen Burg schöne Zimmer gegeben, und werden auf den Tisch bald Speisen stellen, die uns wohltun werden, und auf den guten Lagern wird die Ruhe gut sein.«

»Über mich aber wird harte Strafe kommen«, sagte Raimund.

»Warum wird Strafe kommen?« fragte Witiko.

»Ich habe dem hochwürdigsten Bischofe mein Pferd zu halten gegeben, und habe ihm gar den Strick des Diebes in die Hand gegeben«, antwortete Raimund. »Ihr habt mich nicht belehrt, und ich habe ihn nicht gekannt; denn das braune Gewand ist schlechter gewesen, als die weiten Gewänder, die sie im innern Lande tragen, es ist auch schlechter gewesen als das andere braune Gewand, das der Mann angehabt hatte, der Euch den Schwertgürtel des Herzogs und Eure andern Dinge in den obern Plan gebracht hat. In der großen Stadt Nürnberg hat der hochehrwürdigste Bischof ein veilchenblaues Kleid gehabt und eine goldene Kette und ein goldenes Kreuz und eine schöne Haube und einen gekräuselten Bart. So hätte ich ihn gekannt. Und in dem Hause, wo wir zur Nachtherberge waren, habe ich ihm die besten Speisen weggegessen.«

»Und was hättest du denn getan, wenn du ihn gekannt hättest?« fragte Witiko.

»Ich wäre auf die Knie gefallen, und hätte zu Martin und Lucia gesagt, daß sie auch auf die Knie fallen«, antwortete Raimund.

»Und hättest ihn verraten«, sagte Witiko, »du hast ihm gedienet, weil du ihn nicht gekannt hast. Der Herr des Waldhauses, in welchem wir eine Nacht gewesen sind,[517] hat ihn gekannt, hat ihn unter die Knechte gesetzt, und hat ihm so geholfen; denn der hochehrwürdige Bischof mußte auf der Flucht aus unsern Ländern sein, weil ihm dort Menschen nach Leib und Leben trachten.«

»Und trifft diese nicht ein fallender Baum oder die Strafe Gottes?« fragte Raimund.

»Es kann sein«, antwortete Witiko, »es kann aber auch sein, daß ihnen noch Frist gegeben werde.«

»Mir wird der hochwürdige Bischof alles nachtragen, was ich gegen ihn getan habe«, sagte Raimund.

»Er wird dir es nachtragen, daß er dir einen Lohn gibt«, antwortete Witiko, »du aber gedenke, wenn du wieder mit deinesgleichen bist, daß du ihnen nicht die besten Speisen wegissest.«

»Ich bin so hungrig gewesen«, sagte Raimund, »er wird immer daran denken.«

»Er denkt an vieles, aber an dieses nicht«, antwortete Witiko.

»Sagt es ihm«, sprach Raimund.

»Ich werde es tun«, antwortete Witiko.

Nun schwieg Witiko, und Raimund blieb vor ihm stehen.

Nach einer Zeit kamen Speiseknechte, brachten Speisen und Wein, und stellten alles auf den Tisch in dem Speisegemache.

Witiko erhob sich, befahl Raimund, ihm zu folgen, und ging in das Speisegemach hinaus. In demselben setzte er sich an den Tisch, und hieß Raimund sich zu ihm setzen, und mit ihm essen, und der Herr und der Knecht aßen an dem Tische der Bischofsburg, und die Diener walteten an ihnen ihres Amtes. Als sie gegessen und getrunken hatten, stand Witiko auf, ließ die Speiseknechte die Reste des Mahles fort tragen, und sagte zu Raimund, daß er in seine Kammer schlafen gehe, zu den Dienern, daß sie in allen Gemächern außer in seinem Schlafgemache[518] die Lichter auslöschten. Dann ging er in das Schlafgemach, schloß es zu, zündete die Nachtlampe an, löschte die andern Lichter aus, entkleidete sich, und legte sich auf sein Lager.

Da es Morgen geworden war, sorgte Witiko mit Raimund für die Pferde, dann gingen sie wieder in ihre Wohnung, und verzehrten ein Frühmahl, das ihnen die Speiseknechte gebracht hatten.

Als die Sonne an dem Himmel leuchtete, erschollen die Glocken in dem Münster der Bischofstadt. Witiko und Raimund gingen in den Hof der Burg, und von dort durch das offene Pförtchen in das Freie. Da waren viele Menschen, die harrten, den Bischof in die Kirche reiten zu sehen. Witiko und Raimund blieben unter den Menschen stehen.

Da eine Zeit vergangen war, hörte man Stangen und Riegel an dem Tore der Bischofburg rasseln, und Hans, der schön gewappnet war, und andere schön gewappnete Männer öffneten die beiden Flügel des Tores, und blieben an ihnen stehen.

Die Menschen drängten sich gegen die offene Wölbung. Odilo erschien mit seinen Untergebenen. Er war in schönen Gewändern, und trug einen schweren Stab in der Hand, mit dem er die Menschen zurück wies.

Sie erzählten sich wechselweise, daß ein Kardinal aus Rom gekommen sei, daß in der Nacht der Schenke und der Marschalk gekommen seien, und daß ein sehr schöner Kirchengang sein werde.

Da sie sprachen, kam der Zug vom Hofe durch das Tor heraus.

Zuerst ritten bischöfliche Männer, dann ritten Männer, die nach Peilstein und Hagenau dienstbar waren. Dann ritten in hellen Platten und schönen Pelzverbrämungen die Herren Marquard von Wesen, der Schenk des Hochstiftes Passau, und Chunrat von Heichenbach, der Marschalk[519] des Hochstiftes Passau. Ihnen folgten einige ihrer Dienstmannen. Dann ritten Dienstmannen anderer Herren. Dann kamen die zwei Bischöfe auf weißen Zeltern. Sie waren in veilchenblauen Gewändern, und die Kreuze waren aus Gold und Edelsteinen. Zdik ritt an der rechten Seite des Bischofes Regimbert. Das Volk warf sich auf die Knie, und die Bischöfe gaben den Segen. Hinter den Bischöfen kamen Priester und Herren, die in den bischöflichen Ämtern waren, dann priesterliche Schüler und Diener der Kirche. Dann wurde in einer Sänfte die Schwester des Bischofes von Passau getragen, die edle Frau Anna von Peilstein und Hagenau. Sie war in roten Sammet gekleidet, und neben ihr gingen Frauen und Jungfrauen. Dann kamen Männer von Peilstein und Hagenau und dann Männer des Bischofsitzes.

Als der Zug vorüber war, eilten die Menschen in die Kirche, um der heiligen Handlung beizuwohnen.

Raimund erhob sich auch von der Erde, und Witiko ging mit ihm in die Kirche.

Es sammelten sich in diesen Stunden noch mehrere Ritter und Männer des Bischofes in der bischöflichen Burg.

Am Mittage war in dem großen Saale ein Mahl, und Herren und Ritter und Frauen und Jungfrauen und Priester und Dienstmannen waren an dem Tische. Witiko war auch dazu gerufen worden, und saß neben Rudolph dem Steiner.

Nach dem Mittagmahle waren an dem Innflusse einige Waffenspiele.

Am Nachmittage, da Witiko mit dem Knechte Raimund in seine Wohnung gegangen war, kam ein Diener des Bischofes zu ihnen, und sagte, er bringe von dem hochehrwürdigen Bischofe von Olmütz ein Geschenk an den Knecht des jungen Ritters. Er nahm bei diesen Worten ein Beutelchen von rotem Leder aus seinem Wamse, und[520] reichte es an Raimund. Dann entfernte er sich wieder. Raimund öffnete das Beutelchen, und fand zehn Goldstücke darinnen. Witiko deutete ihm den Wert der Goldstücke, und sagte, er möge diese Menge des Geldes gut bewahren. Raimund versteckte das Beutelchen an der innern Seite seines Wamses, und band es dort an.

Am Abende kam Rudolph der Steiner zu Witiko, führte ihn in eine Stube der Burg, und sie erfreuten sich dort mit andern jungen Rittern an Wein und an mancherlei Scherzen.

Und alle Tage ritten nun die Bischöfe in die Kirche, um dort das Meßopfer zu feiern. Wenn Zdik zurück gekommen war, legte er in seiner Wohnung ein härenes Gewand an. Nach einiger Zeit kamen Dienstmannen des Bischofes Zdik nach Passau, und brachten auf Saumtieren Dinge, die zu dem Eigentume des Bischofes gehörten.

An einem Tage wurde eine Jagd abgehalten. Dazu kamen Marquard von Wesen, der Schenk des Hochstiftes Passau, Otto von Aheim, der Kämmerer des Hochstiftes von Passau, Chunrat von Heichenbach, der Marschalk des Hochstiftes Passau, Heinrich von Tannenbach, der Truchseß des Hochstiftes Passau, dann Cholo von Wilheringen, Werinhart von Martspach, Calhochus von Valchenstein, und andere Ritter und Kriegsherren. Die Bischöfe ritten mit Hüfthorn und Speer auf dem linken Ufer der Donau hinunter. Witiko war im Geleite des Bischofes Zdik. Dienstmannen, Edelknechte, Knechte, Jagdmeister und Hundemeister waren am Ende des Zuges. Sie ritten an hohem Waldlande, das mit dichten Bäumen jäh von dem Wasser empor stieg, dahin.

Der Bischof Zdik sagte zu Regimbert: »Das ist ein sehr schönes Gehege.«

»Es geht viele Wegestunden an dem Strome bis Aschach dahin, wo die Brüder von Jugelbach die zwei Burgen[521] bauen wollen«, antwortete der Bischof von Passau. »Der Wald da neben uns steigt hoch hinan, und geht dann in Absätzen immer höher bis zu dem Lande Böhmen fort, wie es an dem Wege ist, auf dem du zu mir gekommen bist. Oben ist es vielfach gereutet, und es stehen Ortschaften und Burgen da. Von den Burgen sind manche dem Hochstifte noch nicht unterworfen. Wir suchen aber zu erwerben, und die Kirche zu verstärken. Unser Gericht Velden ist vor kurzer Zeit wieder ausgedehnt worden. Dort sitzt der Gaurichter, und hält die Dinge zum Urteile. Wir geben den Insassen mehr Rechte als die weltlichen Herren. Füchse und Hasen darf sich jeder nehmen, für einen Marder und Iltis bekommen sie Geschenke, wer einen Wolf bringt, darf sich einen Hirsch erlegen, und die Bauern haben drei Haghackenwürfe weit von ihrem Felde in den Wald hinein das Holzrecht.«

»Und wenn ihr noch manches zuwendet, so werden die Fluren ein höheres Gedeihen und einen größeren Reichtum gewinnen«, sagte Zdik.

»Der Krummstab soll segenreicher sein als das Schwert«, entgegnete der Bischof von Passau.

»Und möge sich im Glauben noch alles mehr mildern und sänftigen«, antwortete Zdik.

Und als sie so gesprochen hatten, erscholl das Hüfthorn zur Versammlung, und sie ritten in den Wald empor zu der Jagd.

Ein anderes Mal war ein Jagen auf dem Gebiete der Grafen von Formbach und von Neuenburg.

Es war auch ein Kirchenfest bei Konrad, dem Erzbischofe von Salzburg.

Als vierzehn Tage vergangen waren, seit Witiko sich in der bischöflichen Burg befand, meldete er sich zur Abreise. Er verabschiedete sich bei den Bischöfen und bei den älteren und jüngeren Herren der Burg. Die Bischöfe gaben ihm schöne Gewänder und Gold zum Geschenke.[522] Er gab den jüngeren Rittern Geschenke, und sie gaben auch ihm Geschenke.

Am anderen Tage, ehe noch die Menschen in der Stadt ihren Geschäften nachgingen, und die Tore und die Fensterläden geöffnet waren, ritt er mit Raimund über die schwache Anhöhe zu der Donau hinab. Saumpferde mit seiner Habe folgten. Auf dem Wasser stand an dem Ufer ein schöngebordetes Schiff. Es hatte eine grüne Farbe und einen roten Schnabel. Auf dem Schiffe stand ein Haus von einer andern grünen Farbe und mit roten Zieraten. Es wurden Güter auf das Schiff geladen, und Menschen gingen auf dasselbe. Witiko und Raimund ritten zu dem Schiffe, stiegen von den Pferden, führten die Pferde über eine Brücke in das Schiff, brachten sie dort in ein Gelaß, in dem Borne und Heuleitern waren, und halfterten sie an. Dann wurde Witikos Habe in das Schiff geladen. Hierauf setzten sich Witiko und Raimund auf eine Bank, die auf dem Dache des Schiffhauses nach der Länge dahin ging. Als die Güterladung vollendet war, und alle Menschen sich auf dem Schiffe befanden, wurde die Brücke abgetragen, die Taue gelöset, und die Schiffer drückten mit Stangen den Schnabel vom Ufer. Als der Schnabel von dem Fahrwasser gefaßt worden war, wendete sich das Schiff, und glitt auf dem Wasser hinunter. Die Steuermänner walteten auf ihrem Gerüste mit dem langen Baume des Steuers, und die andern Ruder wurden in das Wasser gesenkt, und trieben das Schiff vorwärts. Es fuhr an den Häusern der Stadt vorüber, an der Mündung der schwarzen Ilz vorüber, und in das breite Wasser hinunter, wo sich die Flüsse Inn und Donau berührten. Die Stadt Passau rückte zurück, der klippige Ilzberg rückte zurück, und das Schiff ging in die Waldschlucht nieder, in welche Witiko mit den Bischöfen zur Jagd geritten war. Es war lauter Wald ohne eine lichte Stelle. An den Ufern waren Streifen Wiesen und[523] Felder, und es stand hie und da ein Haus. Auf den Waldhöhen war manche Burg. Die Augen aller Menschen sahen auf die Burg Martspach, in welcher der Ritter Werinhart wohnte. An dem andern Ufer stand in der Niederung auf einer grünen Wiese das Haus Marquards von Wesen, des Schenken des Hochstiftes Passau. Wo die obere und die untere Mihel in die Donau mündeten, waren feste Gebäude. Das rotschnablige Schiff fuhr beinahe den ganzen Tag in der Schlucht fort. Als die Sonne schon gegen den Abend neigte, kam es mittagwärts in ebnes Land hinaus. Man sah hier in der Ferne die Alpenberge, wie sie Witiko von dem Walde des heiligen Thomas erblickt hatte. Wo die Waldschlucht endigte, war der Ort Aschach. Es wurde hier das Schiff an das Ufer gelegt. Es wurde die Wassermaut gezahlt, es wurden Waren ausgeladen und eingeladen, und Menschen gingen aus dem Schiffe, und andere kamen wieder auf dasselbe. Dann fuhr man weiter gegen breite Auen hinab. Man fuhr zwei Stunden zwischen den Auen fort. Dann kamen wieder Berge an den Fluß. Auf dem linken Ufer waren waldige Höhen. Auf dem rechten stand ein finsteres Waldhaupt empor, und die Leute sagten, dort sei die Burg der Herren vom Kürenberge, die man aber nicht sehen könne. Witiko zeigte Raimund das Waldhaupt, und sagte, von da stamme der junge Ritter vom Kürenberge, der mit ihm ein Knabe des alten Bischofes Regimar gewesen sei, und damals schön gesungen und die Fiedel gespielt habe. Das Schiff fuhr eine halbe Stunde zwischen den Bergen, dann kam es wieder in freies Land, und auf dem rechten Ufer lag die Stadt Linz. Das Schiff wurde in dunkelm Abende an das obere Gelände der Stadt gelegt. Witiko und Raimund führten ihre Pferde über die errichtete Brücke auf das Land, und dort durch den Wasserturm in die Stadt. In der Wasserherberge fanden sie Unterkunft. Ehe sie aber die Ruhe suchten, rüsteten[524] sie die Pferde, und ritten, damit die Glieder derselben bewegt würden, eine Strecke an der Donau abwärts, und dann in die Stadt. Sie ritten in der Stadt herum, und betrachteten, wo ein Schein aus den Häusern kam, die Gebäude und die wandelnden Menschen. Dann ritten sie in ihre Herberge, pflegten sich und die Pferde, und begaben sich zur Ruhe.

Als am andern Tage das erste Morgenlicht an dem Himmel war, fuhr das Schiff wieder weiter abwärts. Witiko und Raimund saßen wieder auf der Bank des Daches. Das Schiff fuhr gegen Auen hinab, und zwischen Auen fort. Nach zwei Stunden sah man auf dem rechten Ufer die Zinnen und Mauern der Stadt Enns, an welcher Stelle die alte Stadt Lorch gestanden war. Die Donau wurde nun ein großer Strom, weil die Flüsse Traun und Enns hinzu gekommen waren. Und wieder nach zwei Stunden sah man auf dem nämlichen Ufer die große Burg der Herren von Walse. Darauf fuhr das Schiff in eine finstere Schlucht ein, wie die gewesen war, welche man unterhalb Passau durchfahren hatte. Das Wasser wurde in der Schlucht eingeengt, und floß mit größerer Schnelligkeit dahin. Als das Schiff eine Zeit in der Schlucht gefahren war, kamen von einem hölzernen Hause, das auf dem Ufer stand, drei Männer in einem Kahne an das Schiff, hefteten den Kahn an dasselbe, bestiegen es, und die Schiffer übergaben ihnen die Leitung des Fahrzeuges. Sie lenkten es an dem Orte Grein vorüber. Unterhalb des Ortes wurde die Schlucht noch wilder. Es standen auf großen Felssteinen Türme, und auf einem Inselfelsen stand auch ein Turm. Über den Schiffschnabel hin sah man auf dem Strome eine Fläche, die so weiß wie Schnee war. Die Leute sagten, man komme zu den Stellen Strom und Wirbel, die den Schiffen sehr gefährlich seien. Alle sammelten sich nach und nach auf dem Dache des Schiffes. Als man zu der weißen Fläche gekommen war, stimmten[525] die Menschen ein lautes Gebet an. Die Männer, denen die Leitung des Schiffes anvertraut worden war, späheten sorgsam, arbeiteten emsig, und lenkten das Schiff in ein schnelles tiefes Wasser zwischen dem Inselturme und der weißen Fläche, welche schäumendes tosendes Wasser über Geklippe war. Das Schiff ging geschwinde in dem tiefen Wasser hinunter, wurde um einen Fels gelenkt, und hinter dem Felsen sah man den Wirbel, der sich in großen Ringen drehte. Die Männer lenkten das Schiff an dem Rande der Ringe vorüber. Dann ruheten sie, blickten nach vorwärts, und ließen das Schiff in das breitere stillere Wasser hinaus gehen. Das Hilfegebet der Menschen verwandelte sich in ein Dankgebet. Als es geendiget war, erhielten die Männer, welche das Schiff gelenkt hatten, ihren Lohn, bestiegen den Kahn, und fuhren wieder an das Ufer. Dann kam ein anderes Schifflein herzu, aus welchem Menschen an einer langen Stange einen hölzernen Kübel empor hielten, und eine Gabe für die Armen und für eine Kirche zur Behütung der Schiffe verlangten. Alle legten eine Gabe in den Kübel. Hierauf kam noch ein größeres Schiff, und heischte Wassermaut und Wasserzins. Die Wassermaut und der Wasserzins wurden bezahlt. Dann ging das rotschnablige Schiff zwischen kleineren Waldhöhen in freies Land mit Wiesen und Feldern und Wäldern und Kirchen und Burgen hinaus. Das Land war zu beiden Seiten des Stromes das des Markgrafen von Österreich. Auf dem rechten Ufer lag die Stadt Ybbs, und auf dem linken eine alte dunkelbraune Kirche. Dann kam an gerade emporstehenden Felsen der Ort Marbach. Dort legten sie das Schiff an, und hielten Nachtruhe.

In der Morgendämmerung fuhren sie wieder weiter, und Witiko und Raimund saßen wieder auf dem Dache. Sie fuhren an der alten Stadt Bechelaren vorüber, an der Veste und dem Münster Melk, und kamen dann wieder[526] in eine Schlucht hinunter, die größer und tiefer war als diejenigen, durch welche sie bisher gefahren waren. Auf den dichten Waldhöhen standen Burgen, die dem Geschlechte Chunring oder andern angehörten, an dem Saume des Wassers waren Kirchen und Ortschaften, Wiesen und Felder, und es grünete der Weinstock. Bei dem Orte Stein endigte die Schlucht, und die Schiffer fuhren in ein sehr weites ebenes Land hinaus. Sie fuhren an den Städten Stein und Krems vorüber, und an der alten Stadt Tuln. Als die Sonne schon dem Untergange nahe war, kamen sie wieder zu einem Berge. Es war der Kahlenberg, auf dem die Burg der Markgrafen von Österreich stand. Sie fuhren an dem Berge vorüber. Sie fuhren noch an Gärten und Wäldchen und Häusern vorüber, und als die Nacht schon dunkelte, landeten sie an dem Gestade der Stadt Wien. Die Menschen gingen nun aus dem Schiffe. Witiko und Raimund führten ihre Pferde auf das Ufer. Dann ließ Witiko seine Habe aus dem Schiffe tragen und auf Saumtiere laden, und ritt neben den Säumern mit Raimund in die Herberge des Salzgrießes. Dort verbrachten sie die Nacht.

Am nächsten Morgen pflegten sie die Pferde, dann ging Witiko durch das Tor der Stadt in das Kirchlein des heiligen Rupert, welches auf der Höhe des Gestades stand, und betete. Als er zurück gekommen war, rüsteten sie die Pferde, bestiegen sie, und ritten fort. Sie ritten an dem Rande des Stadtgrabens bis zu einer Stelle, welche die Freiung hieß, weil sie fliehenden Missetätern einen Schutzraum bot. Sie ritten an der Freiung vorüber, dann von der Stadt hinweg in ein grünes Gefilde, auf dem manches Häuslein stand, mancher Garten eingezäunt war, hie und da Bäume empor ragten, und an manchem Pflocke und an manchem Gitter Weinreben angebunden waren. Sie ritten an Häusern, Gärten, Bäumen und Weinreben vorüber, bis sie in den Wald gelangten, der zu der Höhe[527] des Kahlenberges empor ging. Sie ritten auf dem Pfade des Waldes zu der Burg der Markgrafen von Österreich hinauf.

Als sie vor dem Tore der Burg angekommen waren, ließ Witiko den Klöppel des Tores erschallen. Da öffnete sich das kleine Pförtchen neben dem Tore, und der Torwart trat heraus. Er fragte um den Namen des Reiters. Witiko nannte ihn. Darauf ging der Torwart wieder hinein, und es wurde ein Flügel des Tores geöffnet. Die Reiter ritten in den Hof. Dort stiegen sie von den Pferden, und es kam ein Mann herzu, welcher sagte, er diene dem Marschalke des durchlauchtigsten Markgrafen, und werde die Pferde besorgen. Witiko und Raimund brachten mit diesem Manne die Pferde in einen Stall, und gaben ihnen die erste Pflege. Dann führte sie der Mann in ein Wartegemach, und ging fort. Nach einer Zeit kam ein anderer Mann, der sagte, daß ihm der von den Reitern, welcher Witiko heiße, folgen solle. Witiko befahl dem Knechte, der Pferde zu achten, und auf ihn dann in dem Stalle oder in dem Gemache, in dem sie jetzt wären, zu harren. Dann ging er mit dem Manne fort. Dieser führte ihn über eine Treppe empor, dann über einen Gang, und dann in ein Gemach, in welchem junge Mädchen saßen, die spannen. Hier ließ er Witiko stehen, und ging wieder durch die Tür hinaus. Eines der Mädchen stand von seiner Spindel auf, öffnete die Tür in ein weiteres Gemach, und ging hinein. Nach einer Weile kam es wieder heraus, und sagte, Witiko möge hinein gehen.

Witiko ging in das Gemach. Es war eine geräumige Stube in einer Ecke der Burg mit vier Fenstern in zwei Seiten. An einer Rückwand stand ein hölzernes Kreuz mit dem Heilande. Vor dem Kreuze stand ein Betschemel mit braunem Tuche, und über dem Kreuze war ein Dach von dem nämlichen Tuche. Die ganze Stube war mit Eichenholz getäfelt. An einem Tische waren vier Frauen,[528] die dunkelgraue Gewänder hatten. Die Gewänder wurden durch einen Gürtel zusammen gehalten. Auf dem Haupte trugen sie weiße Hauben. Die Frauen waren an einem großen Tuche mit der Nadel beschäftigt, eine Stickerei darauf zu verfertigen. Zwei von ihnen waren jung, eine war in mittlerem, die andere in höherem Alter. Die Frau mittleren Alters saß etwas tiefer als die ältere, die jungen noch tiefer. Die Frau hatte ein sanftes Angesicht von feiner weißer, ein wenig rot schimmernder Farbe. Ihre Augen waren blau, und die Haare, die unter der Haube hervor sahen, waren blond, und schienen blasser zu werden. Die älteste der Frauen hatte ebenfalls ein sehr feines Angesicht voll Freundlichkeit; aber das Rot darauf war schwächer als bei der andern. Die Augen waren dunkelblau, und die Haare waren weiß wie die Haube.

Als Witiko in dieses Gemach gekommen war, nahm er seine Haube ab, daß die blonden Haare sein Angesicht umwallten, neigte sich und sprach nicht.

Die ältere der Frauen erhob sich von ihrem Sitze, legte die Nadel auf den Tisch, und sagte: »Du bist verwundert, Witiko, daß du in diese Stube der Frauen gekommen bist. Verharre ein Weilchen hier, und nimm zum Zeichen, daß du uns nicht verschmähest, einen Sitz.«

Eine der jungen Frauen stand auf, und wollte einen Stuhl gegen Witiko rücken. Er kam ihr aber zuvor, nahm den Stuhl, und da sie wieder zu ihrem Platze gegangen war, setzte er sich auf denselben nieder.

Die ältere Frau hatte auch ihre Stelle wieder eingenommen.

Dann sprach sie: »Witiko, da du jetzt unter uns bist, grüße ich dich. Ich bin Agnes, die Witwe Leopolds, des vorvorigen Markgrafen von Österreich, die Tochter des Kaisers Heinrich des Vierten.«

Witiko stand schnell von seinem Sitze auf.

Sie aber sagte: »Bleibe auf deinem Stuhle, und wenn du reden willst, so rede von ihm aus.«[529]

Witiko setzte sich nieder, und sprach: »Hocherlauchte Frau, da es sich so gefügt hat, so erlaubt, daß ich Euch meinen Dank für die Aufnahme in diesem Gemache sage, und für die Huld, die Ihr mir erweiset.«

Agnes aber sprach: »Witiko, als mein Vogt in dieses Zimmer kam, uns deinen Namen zu sagen, so befahl ich, weil deine Mutter hier war, dich zu uns zu führen. Verzeihe mir; meine Augen wollten sehen, wie ein guter Sohn zu der guten Mutter komme. Unterlasse den Empfangsdank, und grüße deine Mutter; denn das ist dein erstes.«

Witiko stand nach diesen Worten auf, näherte sich der Frau des mittleren Alters, ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder, und sagte: »Ich grüße dich, meine gute vielgeliebte Mutter!«

»Ich grüße dich, mein treuer Sohn«, antwortete die Frau.

Sie zog ihn an seiner Hand empor, und legte ihre Hände auf sein Haupt.

Da sie dieselben herab genommen hatte, beugte er sich auf ihre rechte Hand nieder, und küßte sie.

Als er sich wieder erhoben hatte, und in ihr Angesicht schaute, waren in ihren Augen Tränen, und es waren in seinen Augen Tränen.

Die zwei jungen Frauen hörten zu sticken auf, und sahen auf die Mutter und den Sohn.

»Gehe wieder auf deinen Platz, Witiko«, sagte die Mutter, »und erweise der hohen Frau, die dich vor ihr Angesicht gerufen hat, deine Verehrung.«

Witiko aber blieb auf seiner Stelle stehen, und sprach: »Ja, die Verehrung, welche der erhabenen Frau gebührt, die Verehrung, welche sich gegen die Tochter des denkwürdigen Kaisers Heinrich geziemt, die Verehrung, welche der Mutter des deutschen Königs Konrad zukömmt, die Verehrung, welche ich der Mutter Gertruds, der Gattin Wladislaws, des Herzogs von Böhmen und Mähren,[530] zolle, die bei der Belagerung von Prag eine Heldin geworden ist, die Verehrung, welche ich gegen die Frau hege, die in ihren Söhnen und Töchtern auf geistlichen und weltlichen Stühlen und auf den Kriegsfeldern und im Fürstenrate waltet, und die Verehrung, die der Jüngling der Frau bringt.«

»Witiko«, antwortete Agnes, »meine Schwiegertochter Maria hat mir erzählt, daß ihr Vater Soběslaw, der Herzog von Böhmen und Mähren, gesagt hat, du könnest, wenn du auch noch jung bist, deine Worte gut stellen, und du hast uns ein Zeichen davon gegeben. Ich glaube, daß du mich verehrest, aber es ist für meine weißen Haare und für meinen gebeugten Körper, wie stets ein Alter wirkt, über welches Gott viel verhängt hat.«

»Hocherhabne Frau«, sagte Witiko, »der Herzog Soběslaw ist immer mild gegen mich gewesen, und meine Worte rede ich nach meinen Gedanken, und kann oft die Gedanken nicht in Worte bringen. In dir aber verehre ich, was du bist, und verehre auch dein Alter.«

»Gehe zu deinem Sitze, Witiko«, sagte Agnes, »und harre noch eine Frist, ich werde dich deiner Mutter nicht lange entziehen.«

Witiko ging zu seinem Stuhle, und setzte sich auf denselben nieder.

»Bist du von Přic gekommen?« fragte Agnes.

»Ich bin von Přic gekommen«, antwortete Witiko; »aber ich habe von Přic den hochehrwürdigen Bischof von Olmütz, Zdik, der auf der Flucht ist, nach Passau geleitet, und bin dann von Passau donauabwärts nach Wien gefahren.«

»So ist der Bischof Zdik auf der Flucht?« fragte Agnes.

»Wegen der Mächtigen in seinem Lande, die einen schweren Groll gegen ihn tragen«, sagte Witiko.

»Es ist immer so, und immer so«, entgegnete Agnes.

»Wie lange hast du deine Mutter nicht gesehen, Witiko?«[531]

»Vier Jahre«, antwortete Witiko.

»Er ist in dem nämlichen Gewande gekommen, in welchem er Abschied genommen hat«, sagte die Mutter.

»So hast du dein Jugendgewand angelegt?« sprach Agnes.

»Ich habe das Gewand angelegt«, antwortete Witiko, »weil ich dachte, daß auch die Mutter daran Freude habe, und dann ziemt mir ein schönes Ritterkleid noch wenig, weil ich noch keine Rittertaten habe vollbringen können, die von dem Herrn des Landes, dem man dient, und von fürstlichen Gebietern mit Verleihungen ausgezeichnet werden, und die den Ruhm und den Glanz vor den Menschen erringen.«

»Dieser junge Ritter spricht auch wieder von Taten«, sagte Agnes, »und weiß man denn, was Taten sind? Siehe, Witiko, heute ist hier ein Gedenktag, und ich habe, als du kamest, eben den Frauen von der Vergangenheit erzählt. Ich will weiter erzählen, dir kann es auch fruchten, Witiko, wenn du es hörst, und in deinen Gedanken überlegst.«

Sie schwieg eine Weile, dann sprach sie: »Mein Vater hat seinen Sohn Konrad zum erwählten römischen König gemacht, und er sollte nach ihm römischer Kaiser werden. Aber Konrad stand gegen den Vater auf, und wollte ihm die Herrschaft entreißen. Die Fürsten entsetzten ihn auf dem Reichstage in Mainz seines Königtumes und seines Anrechtes auf das Kaisertum, weil keine Gewalt auf Frevel gegründet werden sollte. Der Vater zog jetzt seinen geliebten jungen Sohn Heinrich hervor, und derselbe wurde zum römischen Könige und Nachfolger des Vaters erwählt. Er wurde in Aachen gekrönt, und schwur, daß er dem Vater in allem gehorchen, und sich nie gegen seine Pflicht erheben werde. Mich vermählte der Vater, da ich noch sehr jung war, dem herrlichen Manne, Friedrich von Büren, der immer treu gewesen war, der sich die Burg auf dem hohen Staufen erbaut hatte, und den der[532] Vater zum Herzoge von Schwaben gemacht hatte. Ich gebar ihm die Söhne Friedrich und Konrad. Als fünf Jahre nach der Krönung meines Bruders verflossen waren, ging dieser zu den Empörern nach Baiern. Der Vater sandte meinen Gatten, dann die Erzbischöfe von Trier und Köln zu ihm, daß sie ihm seinen Schwur und das vierte Gebot vorhielten. Aber er blieb unbeweglich. Er gewann die Sachsen und manche andere, und zog gegen den Vater. Da starb mein Gatte. Der Bruder sagte, er wolle nicht gegen den Vater kämpfen, er wolle nur, daß sich derselbe von dem Banne löse, und mit seinen Kindern, die ihm dann gehorchen werden, christlich lebe. Im Erntemonate kam die Heeresmacht meines Vaters bei Regensburg gegen die Heeresmacht meines Bruders. Die Heeresmacht des Vaters war größer als die Heeresmacht des Bruders. Es waren viele getreue Herren bei dem Vater, es war Leopold, der Markgraf von Österreich, bei ihm, es war Bořiwoy, der Herzog von Böhmen und Mähren, bei ihm, und es waren noch andere bei ihm. Es war vorauszusehen, daß, wenn eine Schlacht würde, dem Vater der Sieg bliebe. Da ging der Bruder in der Nacht vorher zu dem Markgrafen Leopold, und sagte, er wolle mich ihm zur Gemahlin geben, wenn er dem Vater in der Schlacht nicht beistünde. Leopold versprach es, ging zu dem Vater, und sagte ihm, daß er für ihn nicht kämpfen werde. Darauf sagte Bořiwoy, der Herzog von Böhmen und Mähren, man könne dann überhaupt nicht kämpfen, weil die Macht zu geringe sei. Als dieses geschehen war, sandte mein Bruder einen Boten an den Vater, der melden sollte, es sei eine Verbindung in dem Heere des Vaters geschlossen worden, ihn zu verlassen, und ihm nach dem Leben zu streben. Weil der Markgraf Leopold den Kampf verweigert hatte, weil der Herzog Bořiwoy gesagt hatte, daß man nicht kämpfen könne, glaubte der Vater die Botschaft, er verzweifelte, und floh in der Nacht aus dem[533] Lager. Mein Bruder ließ mich am andern Tage in seine Zelte bringen, und sagte mir, ich sei die Braut Leopolds, des Markgrafen von Österreich. Ich weiß, daß ich einen Schrei tat, und daß mir dann die Sinne vergingen. Als ich erwachte, lag ich auf dem Boden. Mein Bruder stand vor mir, und sah mich an. Die Frauen halfen mir nicht, weil sie den Bruder fürchteten. Da saß ein böhmisches Mädchen bei meinem Haupte auf der Erde, das Mädchen träufelte Wasser auf meine Stirne, und befeuchtete meine Lippen damit. Und als ich wieder in dem Leben war, drückte es seinen Mund auf den meinen, und streichelte meine Wangen, und liebkoste mich. Ich faßte mit meiner Hand den Arm des Mädchens, und das Mädchen half mir auf einen Stuhl. Und es ist den ganzen Tag und dann mehrere Tage bei mir geblieben. Dann zog es wieder mit den Ihrigen in das Land Böhmen. Ich sagte, daß ich Leopold, den Markgrafen von Österreich, ehelichen werde. Es ist das Sterbejahr meines Gatten gewesen, und es sind seitdem siebenunddreißig Jahre verflossen. Das böhmische Mädchen aber habe ich erforscht, es ist meine Freundin geworden, ich bin seine Freundin geworden, und wir haben uns Liebe durch das ganze Leben gewährt. Das Mädchen hat den böhmischen Herrn Zaton geheiratet, und das erstgeborne Kind dieser Ehe ist deine Mutter geworden, Witiko, und diese hat mir auch ihre Liebe während des Lebens und nach dem Tode ihrer Eltern gegeben.«

»Meine Mutter hat nur eine Christenpflicht geübt«, sagte die Mutter Witikos.

»Und mein Dank ist auch nur eine Christenpflicht gewesen«, antwortete Agnes.

Dann sprach sie: »Mein Eheleben mit Leopold ist sehr glücklich geworden. Er ist fromm und gut gegen seine Untertanen gewesen, er hat Münster und Klöster gestiftet, durch diese Fenster kann man auf das Kloster der[534] neuen Burg hinab schauen, das er gegründet hat. Unsere Kinder sind in der Liebe zu uns und in der Liebe zu einander aufgewachsen. Dann ist er gestorben, und ich trauere hier um ihn.«

Sie schwieg eine kleine Zeit, und die andern schwiegen auch.

Dann sprach sie wieder: »Der Vater ist nach Böhmen geflohen. Der Herzog Bořiwoy ist ihm nachgezogen, und hat ihn dann ehrerbietig behandelt. Er geleitete ihn zu seinem Schwager Wipprecht von Groitsch. Wipprecht von Groitsch geleitete ihn weiter, bis er an den Rhein kam. Bei Koblenz sammelte er ein neues Heer. Mein Bruder zog auch an den Rhein, und es standen wieder die Männer des Sohnes gegen die Männer des Vaters. Da schickte mein Bruder Boten an den Vater, welche die Worte melden mußten: Auf die heilige Weihnachtzeit ist ein Reichstag nach Mainz angeordnet worden, ich bitte meinen Vater demütig, daß wir vorher zusammen kommen, und bereden, was unserer beiden Sache ist, und daß wir uns versöhnen. Der Vater kam zu der Unterredung, und als er den Sohn erblickte, flossen Tränen aus seinen Augen, und er sagte: Heinrich, um Gott des Allmächtigen willen bitte ich dich, lade nicht die Tat auf dich, die weder in diesem Leben noch in jenem Leben verziehen wird. Wir müßten beide verzweifeln. Mein Bruder fiel auf die Erde, und faßte die Knie des Vaters, und sagte, er bereue alles, was er gegen ihn getan habe, er bitte um Verzeihung, er werde gehorsamen, der Vater möge sich mit der Kirche versöhnen, und beide wollen sie auf den Reichstag nach Mainz gehen, und dort die Versöhnung besiegeln. Der Vater verzieh. Dann sagte mein Bruder, er wolle nach Mainz gehen, und dort alles vorbereiten, der Vater möge indessen warten. Er ging fort, der Vater wartete. Er kam wieder zurück, und schwor, er sei bereit, für den Vater Leib und Leben zu opfern, und er[535] wolle ihn weiter geleiten. Sie zogen fort, und kamen bis gegen Bingen. Ein jeder hatte dreihundert Begleiter. Auf dem Wege wurden die Begleiter meines Bruders immer mehr. Vor Bingen sagte er: Vater, meine Besorgnis wächst, daß Euch der Erzbischof von Mainz wegen des Bannes nicht in seine Stadt einlassen werde. Bleibet in Bingen, und feiert dort das Weihnachtfest, ich werde nach Mainz gehen, und für Euch wirken. Der Vater antwortete: Heinrich, Gott richtet zwischen mir und dir, ich vertraue auf dich. Mein Bruder schwor zum dritten Male, daß er das Leben für den Vater lassen wolle. Er zog nach Mainz, der Vater nach Bingen. Aber in Bingen wurde er von Männern meines Bruders Heinrich, welche dort waren, und von Männern Gebharts, des Bischofes von Speyer, welche sich zu ihnen gesellt hatten, umringt, die Männer des Vaters wurden besiegt, und er wurde gefangen genommen. Und in der Haft wurde ihm des Leibes Bedürfnis und Bequemlichkeit versagt. Und es kamen dann von Mainz die Erzbischöfe von Mainz und Köln, der Bischof von Worms, und der Markgraf von Meißen. Sie sagten zu dem Vater: Gib die Kleinode heraus, die Krone und den Purpur und den Ring, daß wir sie deinem Sohne Heinrich bringen. Mein Vater fragte: Wo ist das Recht zu dem Begehren? Sie sagten: Weil du priesterliche Stellen für Geld verkauft hast, weil du in dem Banne bist, und weil alle im Reiche an Leib und Seele Schaden leiden, so wollen der Heilige Vater und die Fürsten dich deiner Würde entsetzen. Der Vater rief: Du, Rothart, Erzbischof von Mainz, du, Friedrich, Erzbischof von Köln, und du, Adalbert, Bischof von Worms, was habt ihr mir für eure Stellen gegeben? Sie antworteten: Nichts. Der Vater sagte: Nun also bin ich hierin gerechtfertigt; denn ihr hättet mir viel für eure Stellen zahlen müssen. Euch aber sage ich, beflecket diese Stellen und die kaiserliche Würde nicht. Wollen die Fürsten über die andern Dinge[536] einen Entschluß fassen, so werde eine Frist zur Untersuchung gesetzt, und werde ich schuldig befunden, so werde ich selber die Krone von meinem Haupte nehmen. Die Abgesandten sagten, eine Frist werde nicht gewährt, der Kaiser müsse sogleich willfahren. Darauf entfernte sich der Vater aus dem Gemache, und kam dann wieder in dasselbe zurück, angetan mit dem Purpur, die Krone auf dem Haupte, und den Ring an dem Finger. Er sprach: Der Kaiser hat sonst dem Verbrecher Frist und Gehör bewilligt, dem Kaiser werden sie nicht bewilligt. Wohlan, so nehmet, wornach euch gelüstet. Als er dieses gesagt hatte, standen die Boten, und regten sich nicht. Da sprach der Markgraf von Meißen: Unser König Heinrich hat gesagt, wenn der Kaiser schnell einwilligt, so kann sein Leben gerettet werden. Der Erzbischof von Mainz sagte: Wenn wir den Würdigsten auf den Kaiserstuhl setzen dürfen, warum sollen wir den Unwürdigsten nicht absetzen dürfen? Und da dieses gesprochen war, nahmen sie dem Vater die Krone von dem Haupte, zogen ihm den Ring von dem Finger, und entkleideten ihn des Purpurs. Er aber rief: Herr, ich leide für die Sünden meiner Jugend. Ihr aber habt das Amt des Rächers nicht, und die Strafe wird euch ereilen wie den Verräter des Herrn. Und die Boten brachten dann die Kleinode nach Mainz, und die Fürsten und die Priester und die Abgesandten des Heiligen Vaters verlangten, der Kaiser solle nun kommen, soll Buße tun, und freiwillig dem Reiche entsagen. Der Bruder ließ den Vater nach Ingelheim bringen, die Fürsten und die Versammelten gingen auch dahin. Sie droheten dem Vater, und sagten, er solle die Herrschaft freiwillig niederlegen. Der Vater fragte: Wenn ich das tue, werde ich dann Ruhe und Sicherheit haben? Darauf antwortete Gebhart, der Bischof von Konstanz, welcher der Gesandte des Heiligen Vaters war: Nein, du wirst so lange nicht Ruhe und Sicherheit haben, bis du eingestehst, daß[537] du an der Kirche und an ihrem Haupte gefrevelt hast. Der Vater sagte: So setzet ein Gericht aus Fürsten und Priestern zusammen, daß es untersuche und entscheide. Gebhart sprach wieder: Du bleibest lebenslang gefangen, wenn du dich nicht sogleich entschließest. Der Vater sagte: Und wenn ich bekenne, und wenn ich die Herrschaft niederlege, wirst du dann den Bann von mir nehmen? Gebhart antwortete: Das ist nicht in meiner Macht. Der Vater sagte: Wer die Beichte hört, muß auch lossprechen können. Gebhart antwortete: Das wird vielleicht der Heilige Vater tun, wenn du nach Rom pilgerst, und Genugtuung leistest. Nach diesen Worten fiel mein Vater auf die Knie, und rief: Um der Gnade und Barmherzigkeit des Himmels willen bitte ich euch alle um Milde und Gerechtigkeit, und an dich, Heinrich, mein Sohn, richte ich die Beschwörung, vollbringe nicht an mir das Unwürdigste und Entsetzlichste. Vielen Fürsten rannen nun die Tränen von den Wangen, Gebhart blieb bei seinen Worten, Heinrich, mein Bruder, sagte nichts, und blickte nicht auf den Vater. Da sprach der Kaiser: So entsage ich also dem Reiche, und werde der Kirche genügen, und nach dem Gebote der Verzeihung empfehle ich euch meinen Sohn. Sie wählten und weiheten dann darauf noch einmal meinen Bruder Heinrich zum Könige. Den Vater aber ließen sie nicht fort. Da eine Zeit vergangen war, bat er Gebhart, den Bischof von Speyer: Gib mir eine Pfründe in deinem Stifte, daß ich zum Chore gehen kann. Der Bischof verweigerte es. Und da der Vater dachte, daß sein Leben nicht sicher sei, so versuchte er die Flucht, und sie gelang ihm. Er floh nach Köln, und zog dann mit einem kleinen Geleite gegen Lüttich. Als sie auf dem Wege waren, hörten sie Jagdhörner, und der Herzog von Lothringen, den der Vater einmal abgesetzt hatte, trat ihm mit seinen Männern entgegen, und sagte: Du hast sehr unrecht an mir gehandelt. Der Vater antwortete:[538] Ich leide jetzt dafür und für das andere. Der Herzog aber sagte: Ich will zu dir stehen, der du verfolgt bist. Und er ging darnach mit allen seinen Kriegsmännern zu dem Vater nach Lüttich. Und Köln und Jülich und andere Städte erklärten sich nun für den Vater, und es kam ein Kriegsheer zusammen. Da sandte nun mein Bruder Heinrich Boten zu dem Vater, ihn demütig zu grüßen, und zu sagen, daß er sich mit ihm aussöhnen, und daß er bei ihm in Lüttich das Osterfest feiern wolle. Der Vater antwortete: Ich vertraue dir nicht, ich bin an das Ende des Reiches gegangen, um Ruhe zu finden, und du bleibe fern, das Volk hier ist dir feindlich. Mein Bruder aber ging mit einem Heere gegen Lüttich, er wurde geschlagen, und rettete kaum sein Leben. Der Vater ließ einen Brief ergehen, darin stand: Ich klage Gott und den Heiligen mein Leid von der Kirche; aber ich will mich ihr unterwerfen, und ihr Genugtuung leisten, und so ist die Ursache gehoben, um die mein Sohn gegen mich ist, es müßte nur sein, daß er einzig nach der Gewalt strebt. Mein Bruder sammelte wieder ein Heer, und belagerte Köln durch lange Zeit, bis Hunger und Krankheit seine Leute dahin nahmen. Dann verließ er Köln, sammelte neuerdings Männer, und zog gegen Lothringen. Da kam eines Tages Burkhard, der Bischof von Münster, zu ihm, und sagte: Dein Vater, der Kaiser, sendet dir das Reichsschwert, welches damals nicht in Bingen gewesen ist, du sollst es hinfort führen; denn er ist am siebenten Tage des Erntemonates in Lüttich gestorben. Er läßt dich bitten, daß du ihn begrabest, und den Seinigen verzeihest. Aber Heinrich begrub den Vater nicht. Der Bischof von Lüttich begrub ihn christlich; aber er mußte ihn wieder ausgraben, weil er im Banne gestorben war. Die Leiche stand nun auf ungeweihetem Grunde auf einer Insel der Maas, und nur ein einziger Pilger aus Jerusalem betete und sang bei ihr. Dann wurde sie mit dem Willen meines Bruders[539] in einem steinernen Sarge nach Speyer gebracht. Der Diener des Vaters, Erkenbald, wollte sie mit Priestern und Volk in der Kirche der heiligen Jungfrau Maria, welche der Vater gebaut hatte, begraben; aber der Bischof von Speyer gestattete es nicht. Von da stand sie fünf Jahre in einer ungeweiheten Kapelle. Nach dieser Zeit wurde sie begraben, und der Bruder feierte das Begräbnis. Er waltete nun fortan als das weltliche Haupt der Christenheit. Heute ist der Tag des Gedächtnisses an jenen Tag, an welchem mir endlich nach vielem Beten von Gott die Gnade verliehen worden ist, meinem Bruder gänzlich verzeihen zu können, was er an dem Vater gesündigt hat. Darum war feierlicher Gottesdienst, und darum erzähle ich davon. Es ist meinem Bruder auch die Gnade zu Teil geworden, seine Schuld noch hier ein wenig büßen zu können. Der Schoß seines Weibes blieb unfruchtbar, er wurde in den Bann der Kirche getan, und er starb in den Mannesjahren an einem kleinen Geschwüre, das sich vergrößerte, und ihn dahin raffte. Die deutsche Krone ist auf den Sachsen Lothar übergegangen. Rothart, der Erzbischof von Mainz, der den Namen von Hartesberg trug, starb drei Jahre nach dem Vorgange in Bingen, Adalbert, der Bischof von Worms, zwei Jahre darauf, Friedrich, der Erzbischof von Köln, der den Namen Ortenberg hatte, lebte noch über zwanzig Jahre, ist aber jetzt auch tot. Eben so ist jener Markgraf von Meißen dahin gegangen, der so schnell gestiegen ist, und dessen Geschlecht dann so Unglückliches erlebte.«

Agnes schwieg nun. Die Mutter Witikos nahm das Wort, und sagte: »Hohe Frau, lasse diese traurigen Dinge nicht in deinem Gemüte empor leben, sie sind vergangen, Gott hat sie geschehen lassen, und richtet über sie. Denke an die Gegenwart. Du bist verehrt wie eine der Frauen, die im Leben heilig gewandelt sind, das Volk in diesen Ländern heiligt das Andenken deines Gemahles, und du hast[540] wohlgeratene Kinder. Der Kaiser Lothar, der Sachse, ist tot, und die Herrlichkeit der deutschen Königskrone ist auf das Haupt deines Sohnes Konrad gekommen, und auf die Königskrone wird die Kaiserkrone folgen. Das neue starke Geschlecht der Hohenstaufen wird von der Krone geziert, und ziert die Krone bis in Zeiten, die in der entfernten Zukunft sind. Dein Sohn anderer Ehe, Heinrich, herrscht als Markgraf in diesem schönen Lande, er hat sich die Witwe seines Feindes in Liebe verbunden, er wird den Herzoghut tragen, und die Österreicher werden mit den Hohenstaufen in Freundschaft des gleichen Weges gehen bis in die Zeiten, von denen ich gesagt habe.«

»O Wentila«, entgegnete Agnes, »die traurigen Dinge leben nicht in meinem Gemüte empor, sie leben in demselben immer fort, und wenn sie auch vergangen sind, und Gott über sie richtet, so ist die Vergangenheit doch in mir, und ich bin in ihr. Und heilig kann ich nicht wandeln, ich kann nur für meine Sünden büßen, und für die Lebenden und Toten beten. Die Macht und die Kronen aber sind Dinge, welche tauglich sind, mit ihnen Gutes zu tun, sonst sind sie nichtig.«

»Und die Deinigen haben mit diesen Dingen schon Gutes getan«, sagte Wentila, »Konrad hat den wilden Krieg des trotzigen Mannes aus Baiern beendigt, er hat die Kraft des deutschen Landes viel befestigt, und wird sie noch mehr befestigen, und dann seine Augen auf Jerusalem und Bethlehem richten. Heinrich waltet in seiner Mark. Er wird der erste Herzog derselben sein, und die Dinge in den heiligen Ländern können durch ihn auch an Gedeihen gewinnen.«

»Mögen die Hohenstaufen die Macht immer zum Guten wenden«, sagte Agnes, »und durch sie nicht in Verwirrung geraten, wie die, welche die Macht vor ihnen gehabt haben. Ich habe Taten genug gesehen, die gepriesen worden sind, und Übles gestiftet haben. Wer seine Ehefrau[541] liebt, seine Kinder in Gott erzieht, seine Habe ehrbar mehrt, und seine Untertanen schützt und fördert, hat rechte Taten getan. Und wer weiß es, ob es nicht eine bessere Tat ist, wenn wir hier dieses Tuch zum Dienste der Kirche sticken, oder auch nur zum weichen Fußtritte eines Greises, als wenn wir Herzogtümer eroberten oder zertrümmerten.«

»Hohe Frau«, sagte Wentila, »es sind der menschlichen Dinge unzählbare, wie es unzählbare Bäume und Kräuter gibt.«

»Sie sind«, sagte Agnes, »und Gott leitet sie. Witiko, meine Schwiegertochter hat von dir geredet, mein Sohn hat von dir geredet, und deine Mutter hat mir erzählt, wie gut du bist. Ich habe dich gesehen. Gehe jetzt mit deiner Mutter in ihre Kammer, und redet, wie ihr redet, wenn ihr allein seid. Bleibe bei uns und deiner Mutter auf dem Kahlenberge, so lange du willst. Gehe zu meinem Sohne Heinrich, und gehe zu den alten und zu den jungen Rittern, und sage dann in der Heimat deinen Freunden, wie es bei uns ist. Hecila, melde Kunigunden, daß sie den Vogt anweise, Witiko seine Wohnung zu zeigen.«

Eine von den zwei jungen Frauen erhob sich von ihrem Sitze, und ging aus dem Gemache.

»Du beurlaubest uns, erlauchte Frau«, sagte Wentila, »und wir entfernen uns.«

Sie stand von ihrem Sitze auf, und Witiko stand auch auf.

Er sprach, da er stand: »Nehmet noch einmal den Dank für die gute Aufnahme, hocherlauchte Frau, und den für die Gewährung der Beherbergung, ich werde ihrer in Gemeinschaft mit meiner Mutter pflegen, und mich bestreben, sie zu verdienen.«

»Genieße mit deiner Mutter«, sagte Agnes, »wie es ist, wenn Eltern und Kinder einig sind.«[542]

Die junge Frau, welche aus dem Gemache gegangen war, kam wieder zurück.

»Du hast deinen Auftrag vollbracht, Hecila«, sagte Agnes.

»Es ist geschehen«, antwortete die Frau.

»Nun, so wollen wir, die wir zurück bleiben, wieder an die Arbeit gehen, und sie zu fördern suchen«, sagte Agnes.

»Gehabe dich wohl, hohe Frau«, sagte Wentila.

»Du auch«, entgegnete Agnes.

Wentila und Witiko neigten sich vor Agnes, und verließen das Gemach.

Sie gingen durch die Stube, in welcher die jungen Mädchen spannen, und als sie draußen waren, setzte Witiko die Lederhaube wieder auf sein Haupt.

Wentila geleitete Witiko durch einen Teil des Ganges, und führte ihn zu einer Tür. Sie öffnete dieselbe, und sie traten in ein Gemach, in welchem ein Mädchen saß, und nähte.

Das Mädchen stand auf, da die Mutter und der Sohn herein kamen.

»Sei gegrüßt, Lutgart«, sagte Witiko.

»Seid gegrüßt, hoher Herr«, antwortete das Mädchen.

Es ging zu einer Tür, und öffnete sie in eine zweite Stube.

»Sorge, daß wir nicht gestört werden«, sagte Wentila.

»Ich werde es tun, hochverehrte Frau«, antwortete das Mädchen.

Wentila führte Witiko in die zweite Stube, und das Mädchen schloß hinter ihnen die Tür.

»Lege deine Haube auf diesen Tisch, Witiko, und lege dein Schwert dazu«, sagte Wentila.

Witiko nahm seine Haube von dem Haupte, und legte sie auf den Tisch. Dann lösete er sein Schwert ab, und legte es zu der Haube.

Hierauf sagte er: »Sei mir nun erst recht gegrüßt, meine liebe, ehrwürdige Mutter.«[543]

»Sei mir gegrüßt, mein guter Sohn des guten Wok«, antwortete Wentila.

Sie nahm ihn mit beiden Händen an dem Haupte, und küßte ihn auf die Stirne.

Dann streichelte sie mit den Händen seine Wangen.

»Setze dich zu mir auf eine dieser Bänke«, sagte sie darauf, »und genießen wir die Einigkeit, wie die Frau Markgräfin gesprochen hat.«

Sie setzte sich auf eine gepolsterte Bank, und Witiko setzte sich zur ihr.

Er nahm ihre Hand, und drückte seine Lippen ehrerbietig darauf.

Sie sah ihn freundlich an, und sprach: »Wo hat dich denn mein Bote getroffen?«

»Er ist nach Přic zu mir gekommen«, antwortete Witiko.

»Als ich dir durch Smitan auf deine Botschaft zurück hatte sagen lassen, daß ich dir eine Kammer in Landshut richten werde«, sagte Wentila, »ritt Gerhard, der Marschalk Ottos, des Bischofes von Freising, nach Landshut, und meldete mir, daß mich Agnes, die verwitwete Markgräfin von Österreich, zu sich auf den Kahlenberg entbietet, weil ein Geschwader des Bischofes nach Wien geht, das mich geleiten würde. Ich willigte ein, und schickte dir gleich den alten Michael mit der Nachricht zu.«

»Er ist über Plan nach Přic geritten«, sagte Witiko, »ich mußte nur vorher den Bischof Zdik nach Passau geleiten.«

»Und auf einem Schiffe bist du von Passau nach Wien gefahren?« fragte Wentila.

»Auf einem Schiffe«, antwortete Witiko.

»Ich habe dich lange nicht gesehen«, sagte Wentila.

»Es werden jetzt bald vier Jahre, seit ich von Passau über den Wald geritten bin«, entgegnete Witiko.

»Vier Jahre sind eine lange Zeit«, sagte Wentila.[544]

»Mutter«, antwortete Witiko, »ich mußte manche Tage harren, ob sich etwas ereigne, daran ich mitwirken könnte, und ob ich auch etwas zu vollbringen vermöchte, zu dir kommen zu können; aber endlich wollte ich dich wieder sehen, und mit dir über verschiedene Dinge sprechen. Ich habe dir in manchen Zeiten Nachrichten geschickt.«

»Ich habe sie empfangen, und habe dir Nachrichten zurück geschickt«, sagte Wentila. »Und in dem Kleide bist du zu mir gekommen, in dem du von mir weg geritten bist.«

»Ich habe das Kleid deinetwillen angelegt«, entgegnete Witiko, »und auch eines andern Menschen willen, von dem ich dir später sagen werde.«

»Du bist viel stärker geworden, Witiko«, sagte Wentila.

»Ich habe es nicht beachtet«, antwortete Witiko.

»Auch deine Wangen sind röter geworden«, sagte Wentila.

»Das kann von den freien Lüften herrühren«, entgegnete Witiko.

»Gott im Himmel wird dir ferner noch Gedeihen geben«, sprach Wentila. »Witiko, sage, befolgst du die Lehren der heiligen Kirche?«

»Ich suche nach dem zu leben, wie mich der ehrwürdige Vater Benno angeleitet hat«, entgegnete Witiko.

»Dann wirst du gottgefällig leben wie er«, sagte Wentila. »Bist du gütig und freundlich gegen alle Menschen, auch gegen die Geringen?«

»Ich liebe die Menschen, und strebe, gegen sie gut zu sein«, antwortete Witiko.

»So ist dein Vater Wok gewesen und dein Großvater Witek«, sprach Wentila. »Der ehrwürdige Vater Benno sagt, daß das recht gewesen ist, was du getan hast, Witiko.«

»Sagst du das auch, Mutter?« fragte Witiko.

»Benno weiß es besser«, antwortete Wentila, »und ich sage, es wird schon recht sein.«[545]

»Da ist auch der hochehrwürdige Silvester«, sagte Witiko, »welcher Abt in dem Kloster an der Sazawa gewesen ist, dann erwählter Bischof von Prag wurde, wegen Ungerechtigkeit zurückgetreten ist, und jetzt wieder in dem Kloster an der Sazawa wohnt. Er sagt, daß man nur das Gute tun soll, und alles andere ist damit verbunden. Er lobt nicht alles, was ich getan habe. Ich möchte unter allen, die ich kenne, zuerst dir, Mutter, Genüge tun, und dann Benno und Silvester, und dann noch einem Menschen.«

»Witiko, öffne mir dein ganzes Gemüt«, sagte Wentila.

»Ich bin lange in Plan gewesen«, antwortete Witiko.

»Ich weiß es«, entgegnete Wentila.

»Dort sind die Gründe Waldland«, sagte Witiko. »Von dem Walde sind Gerölle, Grobsand und Steinmehl in unsern Äckern. Aber Martin und Raimund und Lucia bewirtschaften mit Taglöhnern das kleine Anwesen gut. Das Haus ist nicht schadhaft, und liegt handsam in dem Walde.«

»Du hast dort Arbeiten wie ein Knecht verrichtet«, sagte Wentila. »Florian, den mir Mathias geschickt hat, ist ein guter Bote gewesen.«

»Ich habe geholfen, und es ist mir dabei gut geworden«, sagte Witiko.

»Und in Přic hast du auch geholfen«, sagte Wentila.

»Přic hat einen besseren Boden, und es wird noch immer besser werden«, antwortete Witiko. »Kuto ist ein treuer Diener, er versteht die Pflege, und ist gelassen und sparsam. Kan und Peko und Mira und Glota dienen ihm gerne. Die Brücke ist fertig geworden, das Dach ist verbessert, und die zwei Kühe sind von dem Fichtelberge gekommen.«

»Es ist gut, Witiko«, sagte Wentila, »deine Vorfahrer haben kleine Besitzungen gehabt, sind für sie sorgsam gewesen, und haben auch gerne selber die Hände angelegt.«

»Im Wangetschlage ist der harte Boden doch gedeihlich,[546] und wird gut gehalten«, sagte Witiko. »Das Häuschen bedarf noch lange keiner Ausbesserung, und die Wiesenmauer hat Jakob aus Steinen gelegt. Huldrik wacht auch über die Tiere, und sucht überall nachzuhelfen.«

»Er ist in seinen Sendungen richtig, und die Knoten seiner Merkschnüre sind genau«, sagte Wentila.

»Und er nimmt für sich das Armseligste«, antwortete Witiko.

»Ich weiß es«, sprach Wentila.

»Er hat mich nach Friedberg geleitet«, sagte Witiko, »und hat mir das Pferd wie ein Knecht geführt.«

»Weil er uns für ein vornehmes Geschlecht hält«, antwortete Wentila.

»Das Pferd hat er ledig von Friedberg durch den Wald in die untere Moldau hinauf geführt«, sagte Witiko; »denn ich bin von dem Ufer, das bei Friedberg ist, durch die Waldlehne bis auf den Kamm hinauf gestiegen, wo ein Platz ist, auf dem einmal eine Denksäule des heiligen Apostels Thomas gestanden ist.«

»Ich kenne den Platz«, sagte Wentila, »man sieht von ihm auf Baiern, Böhmen und Österreich, und der Wald ist um ihn.«

»Ja, so ist es«, sagte Witiko.

»Und dann bist du auf dem langen Wege durch den Thomaswald in die untere Moldau hinab gegangen, wo die Herberge steht«, sagte Wentila.

»Ja«, entgegnete Witiko, »und in der Herberge haben Huldrik und Jakob mit dem Pferde auf mich gewartet.«

»Ich habe jetzt lange diese Dinge nicht gesehen«, sagte Wentila, »der Wald ist dort sehr groß und sehr schön.«

»Er ist dort am schönsten«, antwortete Witiko.

»In dem schönen Walde ist Huldrik«, sagte Wentila, »und möchte in einem Schlosse Marschalk sein.«

»Er soll zu mir kommen, wenn ich mir einmal einen festen Ort erwähle, und er dann noch lebt«, sagte Witiko.[547]

»Nun, er sagt ja«, sprach Wentila, »daß die Angehörigen seines Stammes sehr alt werden, und daß er dieses auch hofft.«

»Gott gewähre es ihm«, sagte Witiko.

»Er gewähre es ihm nach meinem Wunsche«, antwortete Wentila.

»Mutter«, sprach Witiko, »ich habe dir in meinen Botschaften etwas nicht erzählt, ich will es dir jetzt sagen. An jenem Sonntage, an welchem ich in dem Walde der drei Sessel betete, habe ich ein Mädchen des Namens Bertha kennen gelernt, das damals dunkelrote Waldrosen, die du liebst, als gutes Zeichen auf dem Haupte trug. Ich bin, da ich den hochehrwürdigen Bischof Zdik nach Passau geleitete, wieder in dem Hause der Eltern Berthas gewesen, und habe mich mit Bertha in Zuneigung und Liebe geeinigt, daß wir Ehegatten werden wollen. Sie ist die Tochter Heinrichs von Jugelbach.«

»Er wird sie dir nicht geben«, sagte Wentila.

»Es ist noch ungewiß«, sprach Witiko.

»Du hast die Sache den Eltern Berthas geoffenbart«, sagte Wentila.

»Ich habe sie dem Vater geoffenbart«, entgegnete Witiko, »und er hat zurück geredet: wenn die Rose, welche ich auf dem Berge Wysoka in dem weißen Schilde getragen habe, in einer Burg ist, und wenn sie in die Geschicke unserer Länder hinein blüht, solle ich wieder kommen, und fragen.«

»Ich weiß nicht, ob es so gewesen ist, wie der Vater Benno sagt«, antwortete Wentila, »daß unsere Vorfahren einst reiche Güter gehabt haben, und die Herren in dem Walde gewesen sind; aber die Geschlechter werden reich, und wieder arm, und können wieder reich werden, und es wechseln die Geschicke. Wenn du Bertha zu deinem Eheweibe gewinnen kannst, so erfreue dich darüber; wenn es aber nicht möglich ist, so trage es gelassen.«[548]

»Ich werde es tragen«, sagte Witiko.

»Wiulfhilt, die Mutter Berthas, ist sehr gut«, sprach Wentila, »und Bertha wird auch gut sein.«

»Sie ist gut und starkherzig«, sagte Witiko, »und haßt die schlechten Taten wie die Frau Markgräfin, aber anders, und liebt die großen und herrlichen. Sie hat gesagt, ich solle tun, daß mir keiner gleich sei in dem Felde der goldenen Ähren und in dem Walde der Wipfel der Bäume.«

»Strebe nicht mit Hoffart nach deinem Ziele, Witiko«, entgegnete Wentila. »Und wenn du auch nicht tust, daß dir keiner gleich ist in dem Felde der goldenen Ähren oder in den Wäldern der Wipfel der Bäume, und wenn dir nur die Gnade verliehen ist, Geringeres zu tun, was recht ist, wie du mir die Meinung Silvesters gemeldet hast, so wird es am besten sein.«

»Ich werde suchen, das Gute zu tun, wie es dein und Silvesters Gedanke ist«, antwortete Witiko.

»Tue es, mein Sohn«, sagte Wentila. »Ich habe Bertha gesehen, da sie ein kleines Kind war. Vielleicht sehe ich sie wieder, wenn ihre Eltern nach Jugelbach heimkehren, und ich auf der Rückreise bin.«

»Wenn du zu ihr kommst, so wirst du wissen, daß meine Neigung gut ist«, sagte Witiko.

»Ich weiß es schon«, antwortete Wentila, »weil ich dir vertraue.«

»Und wann meinst du wieder nach Landshut zurückzukehren?« fragte Witiko.

»Wenn es die hohe Frau, die mich auf diesen Berg geladen hat, anordnet«, entgegnete Wentila. »Es wird ihr Sohn Otto, der Bischof von Freising, kommen, und ich glaube, daß ich mit seinem Geleite nach Baiern zurückreisen werde.«

»Ich habe auch Berthas willen das Lederkleid angelegt, weil sie mich zuerst darin gesehen hat«, sprach Witiko.[549]

»Ich denke es mir«, sagte die Mutter.

»Und nun, Mutter«, sprach Witiko, »wie lebt denn der hochehrwürdige Vater Benno?«

»Er lebt in Gesundheit«, antwortete Wentila, »er hält seinen Gottesdienst in der Kirche des heiligen Martin, er stellt Betrachtungen an, und schreibt in ein großes Buch die Dinge der Kaiser ein; denn er sucht alles zu ergründen, was einmal geschehen ist. Er hat mir aufgetragen, dir einen feierlichen Gruß von ihm zu sagen.«

»Bringe ihm den Dank, wenn du heimkehrst«, sagte Witiko, »und bringe ihm meine Ehrerbietung.«

»Ich werde es tun«, antwortete Wentila, »und es wird ihn freuen, weil er dich liebt, wie, da du noch ein Kind warest. Er sagt, daß die Baiern mit Sorge auf Österreich schauen, seit Konrad, der Halbbruder des Markgrafen Heinrich, in Deutschland herrscht, und seit der Markgraf die Witwe ihres verstorbenen Herzogs geheiratet hat.«

»Wird er denn auch wieder einmal nach Přic kommen?« fragte Witiko.

»Přic erweckt ihm seit dem Tode deines Vaters Traurigkeit«, antwortete Wentila, »aber er wird schon kommen.«

»Die Leute dort lieben ihn«, sagte Witiko.

»Die Leute aller Orten lieben ihn«, entgegnete Wentila.

»Und wie lebt denn die Base Hiltrut?« fragte Witiko.

»Sie ist fromm«, antwortete Wentila, »genießt der Gesundheit des Leibes, sorgt in dem Hause, und denkt deiner, wie sie dachte, da sie dich noch in den Windeln pflegte.«

»Ich möchte ihr recht viel Gutes tun«, sagte Witiko.

»Das tust du«, entgegnete Wentila, »da du ihr beständig die guten Grüße schickest, die ihr angenehm sind.«

»Mir ist es auch angenehm, Grüße zu schicken«, antwortete Witiko; »bringe ihr wieder einige, wenn du hier fort gehst.«[550]

»Sie bedarf ja nichts als Zuneigung«, sagte Wentila.

»Und diese empfängt sie von uns reichlich«, antwortete Witiko.

»Du bist in Plan zu den Leuten in ihre Stuben gegangen«, sagte Wentila.

»Ja, Mutter«, entgegnete Witiko.

»Wir haben es auch immer so gepflegt, wenn wir dort lebten«, sagte Wentila, »sie sind gut, ernsthaft und treu.«

»Sie sind dieses alles in ihrer Armut und in der Härte und Stärke ihres Körpers«, sagte Witiko. »Sie haben in dem vergangenen Kriege der Gerechtigkeit zur Entscheidung geholfen, sind meine Gefährten geworden, und ich bin ihr Gefährte geworden.«

»Du hast sie auch in deiner Stube versammelt«, sagte Wentila.

»Ja, sie haben dort Brod und Salz gegessen«, antwortete Witiko.

»Es ist gut so«, sagte Wentila, »das Land des Waldes ist vielen Menschen noch unbekannt; aber es ist sehr bedeutsam. Was wirst du denn nach der jetzigen Zeit tun, Witiko?«

»Ich werde wieder nach Plan und Přic gehen«, antwortete Witiko, »dann werde ich nach Prag zu dem Herzoge reiten. Im Frühlinge wird der Krieg gegen die mährischen Fürsten beginnen, und ich werde in ihm sein.«

»Du wirst tun, was dir obliegt, mein Sohn Witiko«, sagte Wentila, »und du wirst klug und vorsichtig sein.«

»Ich werde tun, wie ich es nur immer als gut und recht einsehe«, entgegnete Witiko.

»Und Gott wird das Gute und Rechte schützen«, antwortete Wentila, »und nach dem Kriege werde ich mit der Base Hiltrut nach Přic kommen.«

»Ich werde euch von Landshut holen und nach Přic geleiten«, sagte Witiko.

»Bleibe jetzt eine Weile auf diesem Berge, mein Sohn«,[551] sagte Wentila, »Agnes, die hohe Frau, ist gegen mich und dich gut gesinnt. Siehe nur, welch ein schönes Gemach mit den gepolsterten Gesiedeln und der Aussicht in das ganze Land sie mir gegeben hat. Ihr Sohn Heinrich hält seinen Hof in Wien, und um ihn sind die Herren der Kirche und die Männer des Rittertumes und der Künste, und befleißigen sich zierlicher Sitten. Du wirst zu ihm gehen, und wirst manches sehen, was dir gut ist.«

»Ich bleibe bei dir, und werde öfter nach Wien gehen«, antwortete Witiko, »es müßte nur sein, daß ich in unserem Lande nötig werde, dann reite ich schnell in dasselbe.«

»Es wird sich alles erweisen«, sagte Wentila. »Jetzt, Witiko, ruhe. Lasse dir deine Kammer zeigen, und wenn es dich gemahnt, dann komme wieder zu mir. Richte dich hier ein, und möge es dir gefallen.«

Sie stand bei diesen Worten auf, Witiko auch.

Er setzte seine Haube auf das Haupt, und befestigte sein Schwert an seiner Seite.

Dann machte sie ein Kreuz auf seine Stirne, und er küßte ihre beiden Hände.

Hierauf verabschiedeten sie sich. Witiko verließ die Stube, sie blieb in derselben zurück.

Als Witiko in das Vorgemach gekommen war, in welchem das Mädchen Lutgart saß, sah er auch einen Mann auf einem Stuhle sitzen. Es war der nämliche Mann, welcher ihn in das Gemach der spinnenden Mädchen geführt hatte.

Der Mann stand auf, und sagte: »Ich bin der Hausvogt der hocherhabenen Frau Markgräfin, Ezelin, und bin von der hohen Frau Markgräfin befohlen, Euch, edler Witiko, in Eure Herberge in dieser Burg zu geleiten.«

»So geleitet mich, edler Vogt Ezelin«, sagte Witiko.

Die zwei Männer verließen nun die Vorstube.

Der Vogt führte Witiko über eine Treppe empor in ein Gemach, an welchem noch eine zweite Stube war.[552]

»Hier sollet Ihr mit Euerm Diener wohnen«, sagte er, »und der Speisemeister und der Gewandmeister und der Meier und der Marschalk sind angewiesen, Euch zu gehorchen, wie Ihr wünschet.«

»Ich danke Euch für Euer Geleite, edler Vogt«, sagte Witiko, »ich bedarf zu dieser Zeit keines andern Dinges als der Stube.«

»So verabschiede ich mich«, sagte der Mann.

»Gehabt Euch wohl«, entgegnete Witiko.

Der Mann entfernte sich, und Witiko stand allein in dem Gemache.

Dasselbe war nicht groß, hatte weiße getünchte Wände, und es standen starke Geräte aus Eichenholz darinnen. Durch die zwei schmalen Fenster, welche spitzige Bögen hatten, sah Witiko auf einen Wald und dann auf ebenes Land, das gegen Morgen hin ging, und in welchem die Donau floß. Die zweite Stube war kleiner, war auch weiß, und hatte auch Eichengeräte.

Witiko verließ diese Herberge wieder, und ging in das Wartezimmer um Raimund. Raimund war nicht in dem Zimmer. Darauf ging Witiko in den Stall. In dem Stalle stand Raimund bei den Pferden. Witiko führte ihn in die Herberggemächer, und zeigte sie ihm. Dann sagte er: »Rüste dein Pferd, reite in die Stadt Wien hinab, und lasse unsere Habe in die Burg herauf bringen.«

Raimund schickte sich an, den Befehl Witikos zu vollführen. Er verließ das Zimmer, und nach einer halben Stunde ritt er in dem Walde des Berges hinunter.

Witiko aber blieb in seinem Gemache, ging an ein Fenster, und sah auf das Land Österreich hinab. Der Wald des Berges trug nicht wie die Wälder, die an den Ufern der jungen Moldau stehen, die dunkle Tanne, die grüne Buche, die leuchtende Birke, den langarmigen Ahorn, die Eibe, die Ulme, die Esche, die Erle und den zackigen Wacholder, sondern gleichartiges Laubwerk der Buche,[553] Esche, Eibe, des Haselstrauches und das Dämmer der Föhre und andern Nadelgehölzes. In der Donau waren breite und gestreckte Inseln, welche Auwald trugen, und auf dem ebenen Lande war Auwald. Dem Kahlenberge gegenüber sah Witiko wieder einen Berg. Und von diesen zwei Bergen floß die Donau in der Ebene gegen das Land Ungarn hinaus.

Als es Mittag war, kam ein Mann, und führte Witiko in das Speisegemach. Dasselbe war ein Saal mit langen Tischen, Stühlen und Speisegeräten. In dem Saale waren Männer in schönen Gewändern. Sie waren die Mannen der Markgräfin. Sie gingen Witiko entgegen, und grüßten ihn, und er grüßte sie. Dann setzten sich alle an den Tisch, ein Priester sprach das Gebet, und es wurden ihnen gute Speisen und guter Wein aufgetragen.

Nach dem Essen ging Witiko wieder zu seiner Mutter, sie wandelten auf verschiedenen Wegen des Waldes, und saßen dann in Wentilas Stube.

Des Nachmittages kam Raimund aus Wien zurück, und ein Säumer brachte auf einem Saumtiere das Reiseeigentum Witikos. Dasselbe wurde in die Beherberggemächer gebracht, und dort geordnet.

Am andern Tage des frühen Morgens rüstete sich Witiko zum Ritte an den Hof des Markgrafen Heinrich. Er hatte sein Ledergewand an, und trug sein Petrusschwert an Soběslaws Gürtel. Er ritt auf seinem eisengrauen Pferde den Weg zwischen dem Laubwerke des Berges hinunter. Raimund ritt in seinem Waldgewande hinter ihm. Sie kamen in das grüne Gefilde, und durch dasselbe bis zu der Freiung, und von da über die Brücke des Grabens in die Stadt.

Sie ritten an vielen Menschen und Dingen vorüber an das Haus, das der Markgraf baute, um mit Gertrud darin zu wohnen. Es war groß und gewaltig, und an manchen Teilen waren noch Gerüste. Man wies die Reiter in einen[554] Hof. Dort standen Pferde und Knappen, Reiter stiegen auf oder stiegen ab, und Männer in Kriegesgewändern waren da. Witiko stieg von seinem eisengrauen Pferde, und gab die Zügel desselben in die Hände Raimunds. Er ging gegen eine Treppe, an welcher Männer in schönen Kleidern standen. Einer, der sehr langschnäblige purpurrote Schuhe, einen grauen Bart und graue Haare hatte, rief ihn an, und sprach: »Nun, du Ledermann, wohin gehst du?«

»Was frägst du?« entgegnete Witiko.

»Ich frage, weil ich frage«, sagte der Mann.

»Und ich gehe, weil ich gehe«, sagte Witiko.

»Und hast du ein Recht?« fragte der Mann.

»Und hast du ein Recht?« fragte Witiko.

»Wenn Thiemo von der Aue kein Recht hat, wer soll es denn haben?« fragte der Mann.

Die umher standen, lachten nach diesen Worten.

»Wenn du ein Recht hast«, sagte Witiko, »so wisse, daß ich zu Heinrich, dem erlauchten Markgrafen von Österreich, will.«

»Und will Heinrich, der erlauchte Markgraf von Österreich, auch, daß du zu ihm willst?« fragte der Mann.

»Das weiß ich nicht«, sagte Witiko, »und das werde ich erfahren, wenn er gefragt wird.«

»Und wer wird ihn fragen?« sagte der Mann.

»Wer Geleite zu ihm geben kann«, antwortete Witiko.

»Thiemo von der Aue kann Geleite geben«, sagte ein Mann, der ein dunkelgrünes Gewand und einen braunen Mantel hatte, »ich bin Marchard von Hintberg, und wenn du ein Anliegen hast, mein Kind, lasse deinen Namen sagen, der Markgraf wird dir behilflich sein, er ist gut.«

»Ich habe kein Anliegen«, antwortete Witiko, »ich will nur den erlauchten Markgrafen sehen, und ihm meine Ehrerbietung bezeigen. Ich bin in dem Zuge gewesen, als[555] der erhabene König Konrad mit Wladislaw, dem Herzoge von Böhmen und Mähren, gegen Prag ging, um die Empörer zu besiegen, und der erlauchte Markgraf ist auch in dem Zuge gewesen.«

»Ihr seid also Kriegsgenossen«, entgegnete der Mann. »Nun ich bin auch ein solcher Kriegsgenosse, ich bin auch in dem Zuge gewesen, und Thiemo von der Aue ist in dem Zuge gewesen, und Gebhard von Abbadesdorf, und Ebergus von Aland, und Werinhard von Brun, und Juborth von Tribanswinchel, und Viricus von Gaden, die alle hier stehen. Du bist aus einem fremden Lande, wie wir sehen, und kennest die österreichischen Degen noch nicht.«

»Ich kenne sie nicht«, sprach Witiko, »aber ich will dir meinen Namen sagen, ich heiße Witiko, stamme vom Lande Böhmen, und diene dem Herzoge Wladislaw.«

»Du bist Witiko«, sagte Marchard von Hintberg, »der die Herzoge aus Mähren gefangen, und dann hat weiter reiten lassen.«

»Ich habe den Herzogen die Flucht gestattet«, antwortete Witiko.

»Du bist Witiko«, rief Gebhard von Abbadesdorf.

»Witiko«, sagte Viricus von Gaden.

»Du bist Witiko, und bist noch so jung«, sprach Ebergus von Aland.

»Er hat sie geschlagen, und hat sie dann wacker davon gejagt«, sagte Thiemo von der Aue.

»Du hast sie nicht einen Deut geachtet, Witiko«, sagte Juborth von Tribanswinchel, »sei uns gegrüßt.«

»Seid gegrüßt«, sagte Witiko.

»Du hast närrisch gehandelt«, sprach Werinhard von Brun, »aber sei gegrüßt, hat dich dein Herzog getadelt?«

»Er hat mich geehrt«, antwortete Witiko.

Und die Männer traten herzu, und reichten Witiko die Hand.[556]

»Du hast heute den guten Tag gewählt«, sagte Thiemo von der Aue, »der Markgraf wird dich anhören, morgen würde es nicht sein können, weil Kahlenbergritt ist.«

»Wir werden dich geleiten«, sagte Marchard von Hintberg.

Die Männer gingen nun mit Witiko über die Treppe in das Innere des Hauses hinan.

Sie kamen in einen Gang und dann durch eine Tür in einen Vorsaal.

In dem Vorsaale waren wieder Männer in verschiedenen schönen Kleidern, es waren Jünglinge da und auch Knaben in feinen Gewändern.

Thiemo von der Aue schritt gegen einen Mann, der ein dunkles weites Gewand und ein silbernes Kreuz hatte.

»Rudpert«, sagte er zu dem Manne, »da bringe ich einen, der drei goldene Fische gefangen, und sie in das Wasser geworfen hat. Er ist Witiko, von einem böhmischen Schlosse, wie heißt es?«

»Kein Schloß, nur der Hof Přic«, sagte Witiko.

»Ich weiß alles«, entgegnete der Mann, »ich bin als Kapellan mit dem Markgrafen auf die Vogelweide gegangen, und Witiko hat die Vögel verjagt. Was willst du denn hier, mein Sohn?«

»Er will mit dem erlauchten Markgrafen sprechen, weil derselbe sein Kriegsgenosse gewesen ist«, sagte Thiemo.

»Es ist gebührlich, Freundschaft mit Kriegsgenossen zu halten«, sagte der Kapellan. »Dort steht Tibert, der Kämmerer. Komme nur, Witiko.«

Nach diesen Worten faßte er Witiko an dem Arme, und führte ihn im Geleite der andern Männer gegen einen Ritter, der in einem dunkelrotbraunen Kleide dastand.

Er sprach zu dem Ritter: »Tapferer Tibert, da ist ein Mann aus Böhmen, der mit seinem Herzoge Wladislaw in unserem Kriegszuge von Nürnberg nach Pilsen und Prag gewesen ist. Er hat unser Land besucht, den hocherlauchten[557] Markgrafen zu sehen. Man nennt ihn Witiko von Přic.«

»Du bist Witiko, du junges Blut?« sagte der Kämmerer. »Sie haben von dir übel geredet wegen der mährischen Herzoge, und gut wegen deiner Tapferkeit im Frühlingskriege und bei Pilsen. Bist du dieser Mann?«

»Ich war in dem Kriege wie ein anderer«, sagte Witiko, »und habe bei Pilsen nach meiner Einsicht getan.«

»Nun der hohe Markgraf wird schon mit dir sprechen«, sagte der Kämmerer.

Dann rief er gegen die Knaben: »Komm her, du kleiner Chunring.«

Ein Knabe in einem Gewande, das rot und weiß war, ging herzu.

»Lauf zu dem Herrn Otto von Lengenbach hinein, und sage ihm, daß ein Ritter aus Böhmen da ist, der Witiko heißt, und der zu dem Herrn Markgrafen will«, sprach der Kämmerer zu dem Knaben.

»Ja«, sagte der Knabe, und ging von dem Saale in ein Gemach.

Nach einer Weile kam er wieder heraus, und sagte zu dem Kämmerer: »Der Herr Ritter soll hinein kommen.«

Tibert, der Kämmerer, und Thiemo von der Aue führten Witiko in das Gemach, aus welchem der Knabe die Botschaft gebracht hatte.

In dem Gemache waren wieder Herren und Ritter, und auch Frauen, welche warteten.

Ein alter Ritter in einem grünen Kleide sagte zu Witiko: »Du mußt ein wenig harren, junger Kriegsmann, der erlauchte Markgraf ist beschäftigt.«

Witiko blieb stehen, und wartete.

Die Männer sprachen mit einander.

Nach einer Zeit kam ein alter Mann aus der Tür eines weiteren Gemaches, grüßte die, welche da waren, und ging dann in den Vorsaal hinaus.[558]

»Nun ist es an dir, Witiko«, sagte der Ritter in dem grünen Gewande.

Er wies mit der Hand gegen die Tür, aus welcher der alte Mann gekommen war. Witiko ging gegen die Tür, ein Greis in einem Gewande, das rot und weiß war, stand vor derselben, öffnete sie, und Witiko ging hinein.

Er kam in ein Gemach, das mit Birnholz getäfelt war. An verschiedenen Stellen hingen rote Stoffe in langen Falten herab. An einem Tische saß in ritterlichen Kleidern Heinrich, der Markgraf von Österreich, aus dem Geschlechte der Herren von Babenberg. Eine schöne Haube aus rotem Sammet lag vor ihm auf dem Tische. Er hatte blonde Locken und blaue Augen.

Witiko nahm seine Haube ab, und stand vor ihm.

»Sei gegrüßet, du junger Degen«, sagte der Markgraf, »bist du in unser Ländlein Österreich gekommen?«

»Ich bin in das Land gekommen«, sprach Witiko, »und die erhabene Frau Markgräfin, deine erlauchte Mutter, hoher Herr, hat gesagt, daß ich mich unterfangen dürfe, dir den Ehrfurchtsgruß zu bringen.«

»Ich danke dir für den Gruß, mein Sohn«, sagte der Markgraf, »unsere erlauchte Mutter hat dir gut geraten, ich nehme dich so lieb auf wie andere fremde Männer, die mich mit einem Heimsuche bedenken und achte dich, weil mein Schwager Wladislaw und meine Schwester dich genannt haben, daß du in ihrer Sache mit Entscheid gehandelt hast.«

»Ich habe gemeint, das Geziemende zu tun«, antwortete Witiko.

»Der Herzog sagt, daß du nach Gerechtigkeit strebest«, entgegnete der Markgraf.

»Ich möchte sie nur so einsehen können, wie die weisen Männer, welche um den Herzog sind«, antwortete Witiko.

»Das wird in den Jahren kommen, welche noch vor dir[559] sind, Witiko«, sagte der Markgraf. »Du bist mit deiner Mutter auf dem Kahlenberge bei unserer vielgeliebten Mutter als Gast.«

»Meine Mutter ist früher da gewesen, ich bin dann gekommen, und es hat mir die erlauchte Frau Markgräfin Herberge gewährt«, sagte Witiko.

»Unsere Mutter liebt deine Mutter als die Tochter ihrer Mutter ungemein«, antwortete der Markgraf, »genießet die Herberge, und komme oft zu mir und meinen Männern herunter. Ich werde meinen Herren und Kriegsleuten befehlen, daß sie gütlich mit dir umgehen. Erheitere dich in unserer Weise, da noch die Waffenruhe vor dem Kriege gegen die Mährer, die du entlassen hast, dauert.«

»Ich dachte, daß der Krieg leichter gegen jeden Fürsten allein sein wird, als gegen ihre Vereinigung«, antwortete Witiko, »und dann werden wir den Streit auch ohne fremde Hilfe vollführen können.«

»Das liegt bei Gott, Witiko, und das werden die Kriegsherren ermessen und die weisen Männer, von denen du sagst, daß sie bei dem Herzoge sind«, entgegnete der Markgraf. »Fahre im Guten fort, Witiko, du bist noch jung, und kannst vieles erstreben, ich bin auch nicht alt, und so mir Gott hilft, werde ich das Ehrengrüßen, das du bringst, und das mir andere bringen, erst recht verdienen. Bleibe lange bei uns, und wenn du scheidest, lasse dir nicht leid sein, daß du gekommen bist, und wenn du eine österreichische Sitte gelernt hast, lasse dich's nicht kränken, und komme wieder.«

»Es wird mir nicht leid sein«, sagte Witiko, »und ich werde suchen, von dir und den Deinigen zu lernen.«

»So etwas zu lernen ist«, erwiderte der Markgraf. »Bringe unserer geliebten Mutter einen Gruß, grüße deine Mutter, und gehabe dich wohl.«

Er stand nach diesen Worten auf, und reichte Witiko die[560] Hand. Witiko sah, daß die Hand weiß und schön gebildet sei.

Er faßte sie, und sagte. »Lebe glücklich, hoher Herr!«

»Das wäre ein guter Wunsch, wenn Gott ihn erfüllen will«, antwortete der Markgraf.

Darauf verneigte sich Witiko, und verließ das Gemach.

In dem Vorgemache grüßte er den Ritter in dem grünen Gewande, und setzte dann seine Lederhaube wieder auf das Haupt.

Der Ritter aber sagte. »Ich bin Otto von Lengenbach, und so du einmal in meine Veste kommen willst, Witiko, so wirst du freundlich aufgenommen werden.«

»Ich danke Euch, Herr«, sagte Witiko, »es könnte sich fügen, und dann nehme ich die Einladung an.«

Hierauf wurde er von Tibert, dem Kämmerer, und Thiemo von der Aue in den Vorsaal geführt.

Von dem Vorsaale ging er im Geleite derer, die mit ihm gekommen waren, über die Treppe hinab.

In dem Hofe waren nun Pferde von den Knechten der Ritter, die bei ihm waren, herbei geführt worden.

Witiko bestieg sein Pferd, die Ritter bestiegen auch die ihrigen, und Marchard von Hintberg sagte: »Wir werden dich eine Strecke geleiten, Witiko.«

»Ich freue mich eurer freundlichen Art«, entgegnete Witiko.

Alle die Männer und hinter ihnen ihre Knechte ritten nun aus dem Hause auf den großen Platz hinaus.

Dort rief Thiemo von der Aue: »Wo hast du denn deine Herberge, du junger fahrender Ritter, der du da fremde Länder besuchst?«

»Ich bin nicht genau ein fahrender Ritter«, sagte Witiko, »meine Mutter ist in euerm Lande, und ich bin zu ihr gekommen und so auch gerne in euer Land.«

»Und wo herbergt denn deine Mutter, so du jetzt etwa zu ihr reitest?« fragte Thiemo von der Aue.[561]

»Ich reite zu ihr«, antwortete Witiko, »und sie herbergt auf dem Kahlenberge bei der hocherlauchten Frau Markgräfin Agnes, zu der sie beschieden worden ist.«

»Das ist die böhmische Wentila«, rief Thiemo von der Aue, »und herbergest du auch bei ihr auf dem Kahlenberge?«

»Ich herberge auch dort«, entgegnete Witiko.

»Dann werden wir dich morgen sehen, weil Kahlenbergritt ist«, sagte Marchard von Hintberg, »du mußt dich anschließen, und mit uns reiten.«

»Wenn es sich ziemt«, sagte Witiko.

»Es ziemt sich«, rief Ebergus von Aland, »und es ist deine Ritterpflicht und Kriegerpflicht, weil du dem Markgrafen einen Heimsuch gemacht hast.«

»Dann werde ich mitreiten«, entgegnete Witiko.

»Und ich werde dich schützen«, rief Thiemo von der Aue.

»Ich hege großen Dank für deinen Schutz«, sagte Witiko, »aber ich denke, ich werde mich selber schützen, oder eines Schutzes nicht bedürfen.«

»Gegen den Witz schütze ich dich«, rief Thiemo, »und gegen den Witz kann dich kein anderer so schützen.«

»So schütze mich, Vater«, antwortete Witiko.

»So bist du ein folgsamer Knabe«, rief Thiemo.

»Ich werde dir immer gehorsamen«, sagte Witiko.

»Das wird zu deinem Heile sein«, antwortete Thiemo.

Die Männer ritten durch das Tor der Stadtmauer gegen den tiefen Graben hinaus. Sie ritten über die Brücke des Grabens, und an der Freiung vorüber.

Dann nahmen sie Abschied.

»Reite wohl, Witiko«, rief Marchard von Hintberg.

»Gehabe dich gut«, sagte Viricus von Gaden.

»Gedenke des Gehorsams«, rief Thiemo von der Aue.

»Freue dich in unserem Lande«, sagte Werinhard von Brun.

»Bleibe recht lange da«, rief Gebhard von Abbadesdorf.[562]

»Habet Dank, ihr Herren«, rief Witiko entgegen, »und gehabet euch wohl.«

»Gehabe dich wohl«, riefen mehrere, und sie riefen ihm noch zu, daß er sie in ihren Vesten besuchen solle.

Dann wendeten sie ihre Pferde, und ritten der Freiung entlang wieder gegen die Stadt.

Witiko aber ritt mit Raimund auf den Kahlenberg.

Nach dem Mittagessen zeigte Ezelin, der Vogt, Witiko die ganze Burg, er zeigte ihm ihre Vorräte und ihre Waffen, und zeigte ihm, wie sie den Ungarn Widerstand geleistet habe, und wie sie in Zukunft zu verteidigen wäre.

Ehe an dem folgenden Tage die Sonne aufgegangen war, begannen sich die Männer auf dem Kahlenberge zum Empfange derer, die da kommen sollten, zu rüsten. Sie schmückten sich und ihre Pferde, und luden Witiko ein, das gleiche zu tun. Er aber rüstete nur sein Pferd, legte sein Hausgewand ab, tat das Ledergewand an, und gürtete an dasselbe sein Schwert mit dem Soběslawgürtel. Dann bestiegen alle die Pferde, ritten vor die Burg, und stellten sich in eine Reihe.

Als sie eine Zeit gewartet hatten, kam ein Zug von Reitern und Reiterinnen auf dem Pfade des Laubwaldes herauf. Der erste in dem Zuge war Heinrich, der Markgraf von Österreich. Er hatte ein blaßrotes Kleid, und auf der dunkelroten Sammethaube eine weiße Reigerfeder. Sein Pferd war schwarz. Neben ihm ritt die Markgräfin in einem weißen Kleide und einem grünen Schleier. Sie hatte blonde Haare, blaue Augen und ein helles Angesicht. Die Farbe ihres Pferdes war goldbraun. Hinter dem Markgrafen und der Markgräfin ritten Herren und Frauen in schönen Gewändern. Die Herren hatten Obsorge, daß die Frauen gut ritten.

Als der Zug zu dem Tore der Burg gelangte, ritt Agnes, die verwitwete Markgräfin von Österreich, durch das Tor[563] heraus. Sie hatte ein graues Gewand und einen weißen Schleier. Ihr Zelter war weiß. Hinter ihr ritten Herren und Frauen. Die Herren hatten schöne Kleider, die Frauen aber nur graue. Unter den Frauen war Wentila, Witikos Mutter.

Als Agnes zu dem Markgrafen und der Markgräfin gekommen war, wurde sie von ihnen ehrerbietig gegrüßt. Sie dankte des Grußes. Dann sprachen sie noch ein wenig mit einander. Dann stellten sie ihre Pferde neben einander, und ritten von der Burg weg auf einem Pfade, der gegen Abend führte. Die Männer und Frauen, die zu Heinrich und Gertrud und die zu Agnes gehörten, folgten ihnen. Vorn ritten solche, welche Hofämter hatten. Dann kamen die andern. Die Männer der beiden Geleite vermischten sich, wie es sich ergab, oder ihr Wunsch es fügte. Am Ende des Zuges ritten die jüngeren Leute, und waren auseinander gestreuter. An den Seiten des Zuges standen die grünen Bäume, und streckten ihre Zweige gegen die bunten und schimmernden Gewänder, gegen die Panzergeflechte und gegen die Waffen.

Witiko ritt zwischen Weringand von Plaien und Poto von Potenbrun. Sie zeigten ihm Männer und Frauen, die vor ihnen ritten, und nannten ihre Namen.

Gebhard von Abbadesdorf lenkte sein Pferd herzu, und sagte: »Sei gegrüßt, Witiko, tummle dein Roß unter österreichischen Reitern.«

»Sei gegrüßt«, antwortete Witiko, »auf diesem Pfade ist wenig zu tummeln.«

»So komme zu uns hinab, wo der Raum größer ist«, sagte der andere.

»Ich werde kommen«, entgegnete Witiko.

Dann ritten Ebergus von Aland und Viricus von Gaden herbei, und Ebergus sagte: »Bist du da, junger Reiter?«

»Ich bin da«, entgegnete Witiko, »du hast ja gesagt, daß es meine Pflicht ist.«[564]

»Und du erfüllest sie«, sagte der andere.

»Ich werde sie immer zu erfüllen streben«, sagte Witiko.

»Dann erfülle sie auch gegen die Frauen, und huldige ihnen, sie sind schön, und verdienen es«, sprach Viricus von Gaden.

»Ich bin in Huldigungen nicht geübt«, antwortete Witiko.

»So übe dich, und nimm von Thiemo deinen Unterricht, der sich schon lange übt.«

Marchard von Hintberg kam herzu, und sagte: »Sei gegrüßt, du Freund von gestern, es ist gute Art, daß du bei uns bist, nun lebe recht wacker mit uns.«

»Sei gegrüßt«, antwortete Witiko, »wie es sich fügt und schickt.«

»Es fügt sich und schickt sich«, entgegnete Marchard.

Dann kam Werinhard von Brun, und sagte: »Böhmischer Rittersmann, du bist in dem Zuge, nun lasse es dir gefallen, wie es auch andern gefallen hat, die gekommen sind.«

Hierauf ritt Thiemo von der Aue von hinten nach vorne gegen Witiko, und sagte: »Sei gegrüßt, Witiko, ich habe jetzt nicht Zeit, ich werde später wieder zu dir kommen.«

Dann ritt er vorwärts, und schloß sich an die älteren Männer an.

Und so kamen noch andere Männer herzu, und ritten wieder weg, und sprachen mit einander.

Nach einer Zeit hörte Witiko hinter sich schnellere Pferdetritte, wie wenn einer näher reitet, und dann hörte er die Worte: »Es hat mir an dem Herzen viel dicke weh getan, daß mich es des gelüste, das ich nicht mochte han.«

Er blickte um, und es war ein sehr junger Mann in blauen Kleidern auf einem weißen Pferde hinter ihm.

Witiko rief: »Der Fiedler vom Kürenberge.«

»Ja, du Lederhaube, so bist du in Österreich«, antwortete der Mann.[565]

»Ich bin bei meiner Mutter und der Frau Markgräfin auf dem Kahlenberge«, entgegnete Witiko.

»Ich weiß es«, sagte der Mann, »und mußte dich im Zuge mit den Augen herausstechen, wie man eine Lerche an den Pfeil heftet.«

Nach diesen Worten trieb er sein Pferd vorwärts, bis er neben Witiko war.

»Und wie bist du denn nach Österreich gekommen?« fragte Witiko.

»So wie du in die Welt gegangen bist«, antwortete der Ritter vom Kürenberge. »Als der alte Regimar tot war, und als du fort warest, ritt ich von Passau hinweg. Ich bin in vielen Gebieten und Burgen gewesen, und dann bin ich an den Hof der Markgrafen von Österreich gezogen. Als der Krieg kam, der zwischen dem Markgrafen von Österreich und dem Herzoge von Baiern war, zogen wir nicht in den Krieg, es zog mein Vater nicht, die Ritter von Rohre zogen nicht, der alte Heinrich von Oftering zog nicht, der unser Nachbar ist, die Herren von Wilheringen zogen nicht, der Ritter von Traun zog nicht, und viele nicht, die um uns waren. Wir halfen aber auch dem Markgrafen von Österreich nicht. Ich ritt zu meinem Vater auf den Kürenberg, und blieb auf dem Kürenberge. Als der Krieg geendiget war, und als der Ruf ging, daß wir nach Böhmen ziehen werden, um die mährischen Fürsten zu züchtigen, so kamen wir aus den Gauen der Traun und der Enns und der Donau zusammen, und zogen mit unseren Fähnlein den bayrischen Wald hinan, und vereinigten uns bei dem Orte Furth mit dem Könige Konrad. Und als die Sache aus war, und als ich von Prag wieder auf den Kürenberg gekommen war, ritt ich eine Weile zu Erlustigungen nach Linz und nach Wels und nach Eferdingen und nach Enns und nach Kremsmünster und nach Rohre, und dann ritt ich nach Wien an den Hof Heinrichs, des Markgrafen von Österreich;[566] denn die Babenberge sind doch anders als die Welfe, und das Herzogtum Baiern ist jetzt ledig, und weil der Markgraf Heinrich der Stiefbruder des Königs Konrad ist, so wird er von dem Könige Konrad mit Baiern belehnt werden, und wenn er auch damit nicht belehnt wird, so kann das bayrische Land zwischen der Enns und dem Inn losgetrennt und zu Österreich gefügt werden, und der Markgraf Heinrich wird dann der erste Herzog von Österreich sein, und wir werden Mannen des Herzoges von Österreich sein.«

»Ich habe Zdik, den Bischof von Olmütz, der auf der Flucht ist, von Böhmen nach Passau geleitet«, sagte Witiko, »und bin dann auf einem Schiffe die Donau herab nach Wien gefahren, und da ich gegen Linz kam, habe ich auf den Wald des Kürenberges geschaut, und habe deiner gedacht.«

»Hast du meiner gedacht?« rief der Ritter vom Kürenberge, »nun so habe meinen Dank dafür. Auf der Burg des Kürenberges sitzt nun mein Vater allein. Er reitet nicht mehr an den Hof. Es ist kein Hof in Baiern, und zu dem Hoflager des Königs reitet er nicht, und an den Hof des Markgrafen auch nicht. Er waltet mit den Knechten, streicht die Fiedel, läßt noch seine Stimme erschallen, gibt Rat, tröstet meine Mutter, wenn sie ein Leid hat, und sendet mir Botschaften. Unten an dem Kürenberge, wo die kleinen Föhren gegen die Stadt Wels hingehen, sitzt auf dem ebenen Boden der alte Heinrich von Oftering, der noch manchen Streitsang hegt. Er ist der Vater des jungen Heinrich von Oftering, der mit uns ein Knabe bei dem alten Regimar gewesen ist, du weißt noch die roten Wänglein und die blonden Haare.«

»Ich weiß es«, sagte Witiko.

»Und wie ist es denn bei euch in Prag?« fragte der vom Kürenberge.[567]

»Der Hof des Herzogs Wladislaw ist bisher mit Sorgen und mit Krieg erfüllt gewesen«, sagte Witiko.

»Der Krieg ist auch herrlich«, sprach der Ritter vom Kürenberge, »er ist nach dem Sange das Herrlichste, und gibt den Ruhm.«

»Uns hat er Zerstörung und Jammer gegeben«, sagte Witiko.

»Und der Ritter Gertrud und ihr Knappe Dimut sind jetzt in dem Munde aller Sänger an dem Hofe ihres Bruders Heinrich«, entgegnete der Ritter vom Kürenberge.

»Das geschieht mit Recht«, antwortete Witiko, »wer ein Großes tut, dessen Name soll in Ewigkeit genannt werden.«

»In Ewigkeit«, rief der Ritter, »und sein Sänger dazu.«

»Es sind auch alte Helden in dem Kampfe gewesen«, sagte Witiko.

»Wir wissen es, und ehren sie«, antwortete der Ritter. »Bist du nach dem Kriege in die Heimat gegangen?«

»Ich bin in die Heimat gegangen«, antwortete Witiko.

»Ich habe erst von dir reden gehört, als wir auf dem Rückwege nach Deutschland waren«, sagte der Ritter.

»Da ist nicht viel zu reden«, antwortete Witiko.

»Sie haben hingeredet und haben widergeredet«, sagte der Ritter, »du solltest jetzt bei uns bleiben.«

»Ich diene meiner Heimat«, entgegnete Witiko.

»So diene ihr, wie wir im Deutschen dienen«, antwortete der Ritter, »aber du sollst recht lange in Wien bleiben.«

»So lange es sich fügen mag«, entgegnete Witiko.

»Wenn der Hof des alten Regimar fröhlich gewesen ist«, sagte der Ritter, »wenn der Hof Regimberts noch fröhlicher ist, so ist der Hof zu Wien nur wonniglich. Der Hof der Markgrafen von Österreich ist der Erste in der Christenheit, zu dem die Jugend wandert. Die alten lobebaren Recken sind da, die sich im Ernste und im Schimpfe umtun, und Ruhm gewinnen, und es sind die[568] jungen zierlichen Degen da, die alle kommen. Heute sind manche versammelt. Der hinter dem Markgrafen reitet, und den braunen Mantel trägt, ist der von Chunring. Er ist in dem Geleite gewesen, das der Schwester des Markgrafen, Gertrud, mitgegeben worden ist, da sie die Brautfahrt nach Böhmen gemacht hat. Sein Gemüt ist tapfer; er achtet aber des Klanges nicht. Der in dem dunkeln Gewande ist der Kapellan Rudpert. Der in dem schwarzen Gewande reitet, und die weiße Feder hat, ist Rudeger, welcher bei dem Markgrafen fünf Männer gilt. Er ist ein Degen der Ehren, stark und viel kunstreich, und hat die schönste Hausfrau in den Landen. Neben ihm reitet Tibert, der Kämmerer, in dem grünen Kleide, ein guter Mann und vieledler Degen. Dann kömmt Chunrad von Aspan, der auch im Brautgeleite gewesen ist, und an seiner rechten Seite reitet Gotescalc, der Abt von Heiligenkreuz. Dann kommen Bruno von Pusinberg, Albero von Chunring, ein starker Degen, Heinrich von Mistelbach, Hartung von Ruhenegk, Udalrich von Marbach und Heinrich von Gundramsdorf. Siehst du dann den Mann, der ein gelbes Gewand hat und ein grünes Wams und eine rote Feder?«

»Ich sehe ihn«, sagte Witiko.

»Der ist Thiemo von der Aue«, sagte der Reiter von dem Kürenberge, »er hat Kleider wie ein Zeisig und Füße wie Krebsscheren. Seine roten Schuhschnäbel werden immer länger, daß er sie an den Gürtel wird binden können, und seine Ärmel werden weiter, daß sie auf die Schuhschnäbel reichen mögen. Er trägt die Farbe des Fräuleins Kunigunde von Hartheim, das er in Regensburg gesehen hat, als er mit dem vorvorigen Markgrafen dort gewesen ist, und das er heiraten gewollt hat. Neben ihm reitet ein junger Mann im blauen Kleide auf einem weißen Pferde.«

»Ich sehe ihn«, sagte Witiko.

»Der ist der junge Heinrich von Oftering«, sprach der[569] Ritter, »wir tragen immer gleiche Kleider. Und auf der andern Seite reitet einer mit einem grünen Mantel.«

»Ich kann ihn sehen«, sagte Witiko.

»Der ist der junge Ruhenegk aus der Waldschlucht«, entgegnete der Ritter. »Oftering und Ruhenegk zwingen den alten Knaben immer, daß er Reimzeilen sagt, die so ungefüg sind wie die Wollkittel der böhmischen Männer Bořiwoys, die er in Regensburg gesehen hat. Er hält die Reime aber immer für höfisch. Sie lassen ihn nicht zu dir zurück, wie er sonst täte, weil er alle Fremden beschützt. Du solltest schöne Kleider anziehen, so lange du bei uns bist, Witiko.«

»Ich habe das Leder in Freud und Leid getragen, und werde es fortan tragen«, erwiderte Witiko.

»Du bist noch so töricht wie du in Passau gewesen bist«, sagte der Ritter vom Kürenberge; »aber ich will dir weiter von unserem Hofe erzählen. Da ist das Werfen der Speere, das Schießen der Pfeile und das Brechen der Lanzen, wenn man in vollen Platten in den Bügeln steht, und gegen einander reitet, daß die Splitter fliegen, und der Palast und der Saal ertost, und wenn man dann doch mauerrecht in dem Sattel sitzt, daß die Frauen und Jungfrauen auf dem Söller jubeln, und mit dem Scheine ihrer Augen herab sehen.«

»Ich würde es vorziehen«, antwortete Witiko, »durch das, was ich vollbringe, nicht den Schein der Augen einer Jungfrau zu gewinnen, sondern ihr Herz zu treffen, daß es nichts anderes kennt als die Liebe zu mir, und daß ich ihr die größte Lust auf der Erde bin, wenn ich es nämlich vermag.«

»So triff das Herz, du waghalsiger Mann«, sagte der Ritter vom Kürenberge, »hier und allerwärts sind die schönsten Jungfrauen. Oder hast du es schon getroffen?«

»Ich habe noch nichts Großes zu vollbringen vermocht«, sagte Witiko.[570]

»Und wer dann im Stechen die Ehren gewann«, sprach der Ritter vom Kürenberge, »der erhält im Angesichte aller den Preis, und sein Name wird genannt in den Ländern und Burgen. Und wie die liebe Sonne auf das Land Österreich scheint, so ist ein Klingen und Singen in dem Lande, und wird viel geehrt, und es wird noch immer höher und höher gehen. Wer da Geltung hat in Sang und Klang, der geht nach Österreich, und der Preis, den er gewinnt, ist dem der Waffen gleich. Die von Babenberg sollten Kaiser sein. Da würde das Hoflager bald in Würzburg, bald in Nürnberg, bald in Speyer, bald in Frankfurt, bald in Regensburg schimmern, und es würde das schimmerndste auf der Erde sein. Die neuen Herzoge in Schwaben, die sich erst ihre Burg auf dem hohen Staufen erbaut haben, und schon die Königskrone tragen, mögen herrlich sein, wie der starke Büren gewesen ist, und wie der junge Friedrich werden wird, dem der goldene Bart wächst, der Neffe der verwitweten Markgräfin Agnes: aber Österreich ist alt und aller Ehren und aller Freuden voll. Seine Männer ziehen in den Krieg in Schmuck und Zier, und reiten klar und sonder Umschweif in den Feind, daß er weicht, und die Rückkehr scheut, und sie ziehen auf die Jagd, und wieder an den Hof zu Sitten und Spielen.«

»In unseren Landen ist auch ein altes Volk, das seine Sitten und seine Tapferkeit wahrt«, sagte Witiko.

»Ja, ja«, entgegnete der Ritter vom Kürenberg. »Sage, Witiko, tragt ihr auch schon die glänzenden Harnische?«

»Einige tragen sie«, antwortete Witiko, »andere haben die biegsamen Waffenhemden, und viele haben Leder. Das Leder schützt besser, und ist leichter. Und der Schild ist das Schwert, welches ein Rad vor dem Leibe macht, und dem Zudringen der Waffen wehrt.«

»Das wäre ein Zeug gegen die Ungarn«, sagte der Ritter.[571] »Diese kämpfen nicht nach der Sitte. Und wenn wir noch so zierlich gegen sie reiten, so achten sie die Zier für nichts, sie fliehen, und fliehen um unseren Waffenbann herum, und senden Pfeile herzu, daß mancher Mann und manches Pferd verwundet oder getötet wird, indes wir sie nicht erreichen, und in unsern Helmfässern hungern können. Du würdest an sie kommen, wenn du ein Pferd dazu hast, würdest sie treffen, und ihre Pfriemen würden an deinem Elen oder Schelch, oder was es für ein Getier ist, hängen bleiben.«

»Sie blieben hängen«, sagte Witiko.

»Und wenn ihr nicht in dem Kriegsgewande geht«, sprach der Ritter, »so habt ihr weite Kittel, daß es eine Schande ist, und bindet sie mit einem Riemen oder Stricke zusammen, und die Männerzier, die Locken, schneidet ihr zu einem Strohdächlein herab, und auf der Haube habt ihr die gerade Feder wie einen Pfahl.«

»Die gerade Feder ist der Trotz«, sagte Witiko, »und wenn ich meine Haube abtäte, so würdest du meine Locken sehen.«

»Trägst du die Locken nach deutscher Art?« fragte der Ritter.

»Wie sie die jungen Männer in Böhmen und Mähren tragen, habe ich sie nicht«, antwortete Witiko, »weil ich aus andern Ländern kam; aber unsere Ritter nähern sich schon eurer Kleidersitte; obgleich ich sagen muß, daß, wenn der alte Bolemil oder Lubomir in das dunkle fließende Gewand gekleidet sind, und die reichen Gürtel tragen, es erhabener aussieht, als eure schimmernden Fähnlein. In dem Mittage des Landes haben sie enge Gewänder aus grober Wolle. Ich trage sie auch, wenn ich dort bin.«

»Die werden wohl in diesen Gewändern nicht turnieren«, sagte der Ritter vom Kürenberge.

»Diese turnieren gar nicht«, entgegnete Witiko, »wo sie[572] mit ihren Keulen oder Hämmern oder Eisenstangen hinschlagen, gilt es gleich auf das Leben.«

»Ich bin von den Bäumen, die in unserem Lande mit der unendlichen Obstblüte und der unendlichen Obstfrucht stehen, nicht zu euern Buchen und Tannen hinein gekommen«, sagte der Ritter, »und habe keinen Bären gesehen, der seinem Feinde die Haut abziehen, oder ihn erdrücken will.«

»Wir werden in dem nächsten Kriege sehen, was der Bär vermag«, sagte Witiko, »wenn dann auch kein zierlicher Sänger von ihm singt.«

»So muß ein unzierlicher singen, wenn sie unzierlich kämpfen«, sprach der Ritter.

»Er singe, wie sie kämpfen«, sagte Witiko.

»Lasse uns vorwärts zu Heinrich von Oftering reiten«, sagte der Ritter vom Kürenberge, »er wird sich freuen, daß du da bist. Heinrich und ich werden einmal einen Sang anheben von dem hörnernen Sifrid und von den Burgonden und von Island und von dem Könige Etzel und von Dietrich von Bern. Es möge nur nicht so werden, wie mit der schönen Frau in Passau, von der ich als Büblein die Farbe trug, und die ich nicht mochte han, was mir an meinem Herzen viel dicke weh getan.«

»So hast du das Lied von Passau nicht vergessen?« fragte Witiko.

»Ich habe es von Passau nach Wien getragen«, antwortete der Ritter; »aber ich achte jetzt mehr auf das Lied als auf die Frau. Witiko, reite recht oft zu mir in die Stadt Wien hinab, ich werde dir zeigen, was man tut und baut und singt, und werde dich zu Männern und Leuten führen.«

»Ich werde kommen«, sagte Witiko.

»Nun aber trachten wir zu dem hochgemuten Degen Heinrich von Oftering«, sprach der Ritter.

»So tun wir es«, sagte Witiko.[573]

»Mit Vergunst, ihr Herren«, sprach der Ritter vom Kürenberge zu den Männern, die um Witiko waren, »gebt euerm Gaste Urlaub, wir reiten zu Heinrich von Oftering, der ihm ein Freund ist.«

»Reitet zu ihm, und gehabt euch in der Frist wohl«, sagte Poto von Potenbrun.

»Gehabt euch wohl«, sagte Witiko.

Und sie setzten ihre Pferde in schnellere Bewegung, und waren bald bei Heinrich von Oftering. Witiko grüßte ihn, er grüßte Witiko, und Witiko ritt nun auf seinem grauen Pferde zwischen den zwei Männern mit den blauen Gewändern und den weißen Pferden, und sie begannen zu sprechen.

Der Zug des Markgrafen ging nach mehrerer Zeit auf einem Wege in dem Walde nach abwärts. Er kam in ein enges Tal, in welchem ein Bach floß. Die Männer und Frauen ritten an dem Bache dahin. Dann kamen sie in ein weiteres Tal, ritten in demselben fort, bis die Bäume des Waldes zu Ende waren, und das Münster der neuen Burg vor ihnen stand. Sie ritten in das Münster, in dem Vorhofe stiegen sie von den Pferden, die Pferde wurden den Knechten zur Wahrung übergeben, Hartmann, der Abt, kam herzu, begrüßte die Mutter des Markgrafen, den Markgrafen und seine Gemahlin, und geleitete sie in die Kirche. Die Ritter, die Frauen und Jungfrauen folgten. Der Markgraf und die Markgräfinnen wurden zu einem geschmückten Platze geführt, die andern nahmen ihre Plätze ein, das Volk sammelte sich in dem hinteren Teile der Kirche, und es wurde ein feierlicher Gottes dienst gehalten. Nach dem Gottesdienste gingen die Gäste in den großen Saal, es wurde Wein und es wurden Speisen gereicht, und verschiedene Gespräche wurden geführt. Dann bestiegen die, welche von dem Kahlenberge gekommen waren, ihre Pferde, und ritten wieder auf den Berg zurück.[574]

Dort wurden die Pferde in die Ställe gebracht, und die Reiter und Reiterinnen gingen in die Gemächer der Burg.

Am Mittage wurde in dem Saale ein Mahl abgehalten.

Nach dem Mahle waren Gespräche, und es war Lustwandeln in dem Walde.

Gegen den Abend ritten die, welche aus der Stadt gekommen waren, wieder in die Stadt zurück, und Männer der Burg, unter denen auch Witiko war, geleiteten sie über die Höhe des Waldes hinab.

Dann ritten sie wieder in die Burg zurück.

In den Tagen, die nun kamen, schloß Witiko Genossenschaft mit den Männern der Burg, und lernte die Frauen und Jungfrauen kennen, und diente ihnen nach der Sitte, wie er hier sah.

Eines Tages ritt er mit Raimund in die Stadt Wien hinunter. Er ging zu dem Fiedler vom Kürenberge und mit ihm dann zu Heinrich von Oftering. Sie grüßten ihn, und wandelten dann mit ihm in der Stadt herum. Sie zeigten ihm den Bau des Markgrafen, an dem geschaffen wurde. Sie zeigten ihm die Kirchen, und dann Häuser, die schon von alten Zeiten her da standen, und solche, welche neu emporgerichtet wurden. In den Gassen und auf den größeren Plätzen sah Witiko Männer und Frauen, Herren und Knechte, Ritter und Reisige, Feiernde und Arbeitende, Jünglinge und Kinder teils herumstehen, teils wandeln, teils reiten, teils sogar fahren. Er sah Werkstätten der Waffen, der Stoffe, der Gewänder, und Stätten, wo Gold und Silber verwendet wurde, und kostbare Edelsteine in Fassung kamen. Er betrachtete die Hütten, in denen Dinge zum Verkaufe lagen, und betrachtete freie Gassenschenken, wo die Leute Wein, Bier, Met und Zugehöriges genossen, und ein Harfner zu Zeiten Weisen ertönen ließ. An einem Hause sang ein Mann Lieder von einem Gerüste herunter, und viele hörten ihm zu, und an einer andern Stelle tanzten auf Brettern[575] zu der Fiedel bunte Männer und Frauen. Die wandernden Krämer schrieen ihre Waren aus, die sie trugen. Auch manchen fremden Mann und manche fremde Frau sah Witiko in der Tracht des Landes Ungarn oder der Länder Böhmen und Mähren oder des weiteren deutschen Reiches. An dem Saume der Stadt waren Gärten mit grünen Bäumen, mit Blumen, Gemüsen und Früchten, und mit Wegen zum Wandeln. Die jungen Ritter führten Witiko an diesem Tage auch zu Chunrad von Asparn, zu Werinhard von Brun, zu Udalrich von Marbach, zu Wolftrigil von Stein und zu Thiemo von der Aue. Dann aß und trank Witiko mit mehreren Rittern, und kehrte am Abende wieder auf den Kahlenberg zurück.

Und so kam er nun öfter in die Stadt, und trachtete, sie immer mehr zu ergründen. Er ging auch zu älteren Herren und Rittern, und hielt mit den jüngeren Genossenschaft. Er lernte auch Frauen und Jungfrauen kennen, und wurde in manche Wohnungen geladen. Zu Zeiten ritten einige seiner neuen Freunde auf den Kahlenberg, und pflegten mit ihm ihrer Übungen.

Einmal wurde ein Fest des Hofes angesagt, und Witiko dazu entboten. Man errichtete auf einem Anger außerhalb der Stadt vor den Häusern der Wollzeile viele Schranken. An den Schranken wurde ein Gerüste mit Sitzen und Söllern gezimmert, und noch andere Gerüste wurden herum errichtet. Über die Gerüste wurden kostbare Tücher gebreitet, und über die Söller seidene Dächer gespannt. An dem Tage des Festes saßen der Markgraf und die Markgräfin auf dem höchsten Söller unter dem seidenen Dache, und auf den andern Söllern und Sitzen saßen die Herren und Frauen des Hofes und die hohen Männer und Frauen des Landes, und Ritter und Ritterfrauen und Jungfrauen. Außerhalb der Schranken war viel Volk. Auf einem sehr schön gezierten Gerüste erhoben Ritter in prächtigen Gewändern ihre Stimme zum[576] Gesange, und übten die Fiedel. Der Ritter vom Kürenberge und Heinrich von Oftering waren unter den Männern. Hierauf wurden die Preise in Gold und in Seide und in Kleinodien ausgeteilt. Dann ritten die Männer zum Turniere. Witiko ritt auf seinem grauen Pferde und einem schönen Sattel, dessen Schemel Goldränder hatten, in die Schranken. Er trug einen Ringpanzer, einen Helm mit goldenen Zierden und an dem Arme einen weißen Schild, darauf eine Waldrose war, die fünf Blätter und die dunkelrote Farbe hatte. Er erstritt sich den Preis einer Binde aus Goldstoff mit edlen Steinen. Die Markgräfin reichte ihm die Binde. Der Ritter vom Kürenberge, Heinrich von Oftering, Wolftrigil von Stein, Udalrich von Marbach, Werinhard von Brun, Chunrad von Asparn und Erchambert von Mosebach erhielten Preise. Thiemo von der Aue ritt auf einem weißen Pferde in die Schranken. Er hatte eine weiße und eine grüne und eine rote Feder auf dem Helme. Sein Harnisch glänzte silbern, die Beinschienen waren blau und der Schild gelb. Über den Harnisch trug er eine veilchenblaue Schärpe, welches die Farbe des Fräuleins von Hartheim war. Er legte drei Ritter in den Sand, erhielt einen kostbaren Preis, und ritt zu den jungen Männern zurück, bei denen er seinen Stand hatte. Das Volk erhob großen Jubel über die Spiele, Zinken und Pfeifen ertönten zu Zeiten, und helle Rufe stiegen empor, da der Markgraf, die Markgräfin und die Herren und Ritter und die Frauen und Jungfrauen in die Stadt zurückkehrten.

Als dreiunddreißig Tage vergangen waren, als Witiko und seine Mutter über alles geredet hatten, was sie im Sinne und Gedanken trugen, und als sie sich geeint hatten, was in ihrem Eigentume noch geschehen solle, rüstete sich Witiko zur Fortreise. Er ging zur Markgräfin Agnes, den Abschiedsdank zu sagen. Sie sprach zu ihm: »Witiko, ziehe mit Gottes Gnade, und bleibe gut. Denke an uns,[577] und denke auch an meinen Vater, und bete einmal für ihn. Er ist schön an Gestalt gewesen, sein Geist hat viele Gaben gehabt, von seinen Lippen sind demütige Worte gegangen, und er hat so Herbes erdulden müssen.«

»Ich werde an Euch und an Euern Vater und an alle hier gedenken, und mein Gebet für sie zu Gott richten«, antwortete Witiko.

Sie gab ihm ein leuchtendes Gewand und eine schöne Helmzier zum Geschenke.

Dann verabschiedete er sich von seiner Mutter. Sie gab ihm ein Sammetbeutelchen mit so viel Gold, als sie vermochte. Er nahm es im Danke an.

Dann verabschiedete er sich von den Herren und Frauen der Burg.

Dann sagte er Lutgart, dem Mädchen seiner Mutter, einen Scheidegruß.

Dann ordnete er seine Habe, übergab sie Säumern, und ritt mit Raimund in die Stadt Wien.

Dort verabschiedete er sich von allen seinen neuen Genossen, und noch besonders von dem Ritter vom Kürenberge, von Heinrich von Oftering und von Werinhard von Brun.

Dann ritt er mit Raimund aus der Stadt Wien über die lange Donaubrücke hinaus, und schlug den Weg nach dem oberen Plane ein.

Quelle:
Adelbert Stifter: Gesammelte Werke in sechs Bänden, Band 5, Wiesbaden 1959, S. 444-578.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Witiko
Witiko
Witiko
Witiko: Roman
Witiko: Roman
Witiko

Buchempfehlung

Schlegel, Dorothea

Florentin

Florentin

Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?

134 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon