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[209] Belmont und Werneck.
BELMONT. Hier Werneck, hier ist Freundschaft vonnöthen, hier müssen Sie rathen – handeln – alles thun – denn ich kann nichts – ich kenne keinen Weg kein Mittel – es ist dunkel vor mir her. Geht unruhig herum. Sagen Sie mir, was soll ich thun?
WERNECK. Was ich Ihnen immer sage, Gedult haben, lassen Sie Ihre Freundin handeln, Sie liebt Sie viel zu zärtlich, als daß Sie jemals einwilligen sollte.[209]
BELMONT. Sagen Sie das? Sie liebt mich zu zärtlich, sagen Sie, und seit sechs Monat keinen Laut von Ihr, könnte Sie weniger thun, wenn Sie mich haßte.
WERNECK. Weiß Sie Ihren Aufenthalt auch?
BELMONT. Ohne Zweifel, wenn ihr mein letzter Brief in die Hände gekommen ist.
WERNECK. Sie vermuthen wohl ohne meine Erinnerung, daß man sich alle Mühe giebt, ihre Briefe aufzufangen!
BELMONT. O trösten Sie mich nicht mit Vermuthung, mit Möglichkeiten, erinnern Sie sich, daß Julie zum Gehorsam, zur Sklaverey gewöhnt ist, daß ihr Oncle ein wilder Bösewicht ist, der ihren Vater verhärtet, und jeder Empfindung der Menschlichkeit in sein Herz zurück treibt! o ich zittere, wenn ich dran denke, wenn Sie gehorcht, Freund, wenn Sie gehorcht, ha so – bin ich im Abgrunde des Elends.
WERNECK. Mein Gott! wie trübe Sie alles sehen, haben Sie nicht eben von ihrem Widerstand gehört? trauen Sie ihr nach so langen Kämpfen keine Standhaftigkeit zu?[210]
BELMONT. Kämpfe sind es, Werneck, das ist wahr, gegen einen Vater den Sie liebt, gegen einen Oncle den Sie fürchtet, zum Vortheile eines Liebhabers, der nach ihrer Meynung weit von Ihr ist, den Sie nicht sieht, dessen Stimme Sie nicht hört, der todt seyn kann; wenn man meine Briefe auffängt, womit sollte sich diese Liebe wohl nähren? wie kann sie immer stark genug seyn, sich gegen Drohungen, gegen da noch weit mehr mächtige Bitten Ihres Vaters zu behaupten? Nein Werneck, schmeicheln Sie mir nicht mit einer betrügerischen Hoffnung, gewöhnen Sie mich lieber nach und nach auf die Donnerwolke zu sehen, die über meinem Haupt hängt, die mich zerschmettern wird. Aber was das für ein Mann seyn muß – dieser Woldemar – verabscheuen Sie ihn nicht?
WERNECK. Weil Er Ihre Julie eben so liebenswürdig findet als Sie – weil Er eine Verbindung vollziehen will, die schon so lange unter den Vätern geschlossen ist? verachten? ich kann das nicht sagen, Belmont, man sagt, daß er ein verdienstvoller Mann ist –
BELMONT. Sind Sie mein Freund? nennen Sie den einen verdienstvollen Mann, der sich mit dem Ansehen eines[211] Vaters waffnet, um die Unschuld zu unterdrücken – der Ihre Thränen sieht, Ihre Seufzer hört, und da steht, wie ein Fels, nichts fühlt, so wenig wie ein Henker bey der Marter eines Heiligen, dessen unzärtliche Seele den Gedanken erträgt, ein Mägdchen an sich fesseln zu lassen – die voll von der Liebe zu einem andern ist! der durch die lange Reihe ihres künftigen Elends, durch die Auftritte einer jämmerlichen Ehe hindurch sehen kann, und nicht durch sein ganzes Gebeine zittert! den kalten Bösewicht nennen Sie – ein Unmensch ist er – ich muß ihn sprechen.
WERNECK. Belmont – Sie werden gewiß mit dieser Hitze noch alles verderben – was das für Ausbrüche sind – wenn Sie noch länger meinen Rath erwarten – so müssen Sie gelassener seyn.
BELMONT. Gebieten Sie dem Sturmwind zu säuseln – und der Flamme zu säumen; mir gebieten Sie Gelassenheit? o Werneck – Sie sind kalt – Sie kennen die Leidenschaft nicht –
WERNECK. Und ich sage Ihnen, liebster Belmont, alle Umstände, die Sie bisher wissen, sind nicht nachtheilig – ein Mägdchen, das so lange Muth gehabt hat, ist[212] auszuhalten fähig. Sie sollten wenigstens Ihrer Gedult nachahmen – Kommen Sie Freund – man wird Sie entdecken.
BELMONT. Lassen Sie mich – Sie muß wissen, daß ich hier bin.
WERNECK. Damit Sie alles verdoppeln, Drohungen und Bitten, damit man die Gewalt zu Hülfe ruft, damit Sie das Unglück der Julie entscheiden, fort Belmont, eine nähere Entwickelung müssen Sie abwarten. Seyn Sie ein Mann.
BELMONT. Führen Sie mich hin, wohin Sie wollen.