Erste Scene

[85] Frau Schwartze. Franziska. Später Therese.


FRAU SCHWARTZE aufgeregt. Gott sei Dank, daß du kommst. Das ist heute morgen ein Trara.

FRANZISKA. So, so! Aha!

FRAU SCHWARTZE. Denk dir, da sind zwei Menschen aus dem Hotel gekommen. Ein Herr – sieht aus wie ein Fürst – und ein Fräulein wie eine Prinzessin. Das sind ihre Bedienten.

FRANZISKA. So ein Aufwand!

FRAU SCHWARTZE. Und die reden und schreien im ganzen Haus – und beide können kein Deutsch – und kein Mensch versteht[85] sie – und sie reden und reden und reden ... Und die Mamsell hat kommandiert: ein warmes Bad – das war nicht warm genug – und eine kalte Douche, die war nicht kalt genug – und Spiritus, den goß sie einfach durchs Fenster – und Toilettenessig – den gibt's gar nicht.

FRANZISKA. Solche Ansprüche! – Und wo ist denn eure berühmte Tochter?

FRAU SCHWARTZE. Die ist nach dem Bade noch einmal ins Bett gegangen.

FRANZISKA. Solche Liederlichkeit würd' ich nicht leiden in meinem Hause.

FRAU SCHWARTZE. Ich muß es ihr auch sagen! Schon wegen Leopold! Therese tritt ein. Was willst du Therese?

THERESE. Der Herr Regierungsrat von Keller – der hat seinen Diener hergeschickt und läßt fragen, ob der Herr Lieutenant schon dagewesen ist und was das gnädige Fräulein auf die Bestellung geantwortet hat.

FRAU SCHWARTZE. Welches gnädige Fräulein?

THERESE. Ja, das weiß ich nicht.[86]

FRAU SCHWARTZE. Dann sagen Sie nur, wir lassen schön grüßen, und der Herr Lieutenant wäre noch nicht dagewesen.

FRANZISKA. Er hat bis zwölf Uhr Dienst. Hernach wird er wohl kommen.

THERESE ab; während sie die Thür öffnet, hört man im Korridor ein Lärmen – eine Männer- und eine Frauenstimme, die in italienischen Lauten miteinander streiten.

FRAU SCHWARTZE. Nu hör bloß. Zur Thür hinaussprechend. Warten Sie doch nur! Ihre Signora wird ja schon kommen! Wird ja schon kommen! Schließt die Thür. Ach! Zurückkehrend. Und nun das Frühstück! – Was denkst du wohl, was sie trinkt?

FRANZISKA. Na Kaffee!

FRAU SCHWARTZE. Nein!

FRANZISKA. Also Thee?

FRAU SCHWARTZE. Nein ...

FRANZISKA. Am Ende gar Schokolade?

FRAU SCHWARTZE. Nein – aber Kaffee und Schokolade zusammengerührt.[87]

FRANZISKA entsetzt. Das ist ... Aber gut muß es schmecken.

FRAU SCHWARTZE. Und gestern sind noch ein halbes Dutzend Koffer aus dem Hotel gekommen. Und ebensoviel sind noch dort – – Ach, was da alles drin war! Ein Koffer allein für die Hüte! Und Pudermäntel ganz von echten Spitzen – und durchbrochene Strümpfe mit Goldstickerei und – Leiser. seidene Hemden –

FRANZISKA. Was? Seidene – –?

FRAU SCHWARTZE. Ja!

FRANZISKA die Hände über dem Kopf zusammenschlagend. Das ist ja Sünde!


Quelle:
Hermann Sudermann: Heimat. Stuttgart 61893, S. 85-88.
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