|
[164] 1.
Doch in der Stadt ermannt am andern Theile
Der Heide sich durch Hoffnung bessrer Art.
Denn frischer Vorrath kam bei nächt'ger Weile
Zu dem hinzu, den man noch aufgespart;
Auch ward die Mauer gegen Nord in Eile
Durch Kriegsgezeug und Waffen so verwahrt,
Daß sie, geschützt durch Höhe, Stärk' und Größe,
Nicht der Belagrer Würfe scheut noch Stöße.
2.
Und dennoch wird vom König sie noch immer
Bald stärker hier, bald höher dort gemacht,
Beim goldnen Sonnenglanz, beim Silberschimmer,
Den Mond und Sterne leihn der dunkeln Nacht;
Und neue Wehr zu schaffen ruhet nimmer
Der Schmiede Volk, schon matt und überwacht.
Indem der Fürst so die Vertheid'gung rüstet,
Erscheint vor ihm Argant und spricht entrüstet:
[165]
3.
Wie lange hältst du noch in diesen Hallen
In schimpflicher Belagrung Haft dein Heer?
Wohl tönt der Amboß, Waffen hör' ich schallen,
Es klirren Helm und Panzer, Schild und Speer:
Doch seh' ich nicht wozu; denn nach Gefallen
Ziehn diese Räuber keck im Land' umher,
Und Keiner ist, der ihre Kühnheit strafe,
Noch stört sie je die Kriegstrommet' im Schlafe.
4.
Ihr Mittagsmahl darf Niemand unterbrechen,
Und nichts vergällt ihr nächtlich Lustgelag;
Vielmehr in gleicher Ruh geht diesen Frechen
Die Nacht dahin, so wie der lange Tag.
Doch euch wird Elend bald und Hunger schwächen,
Wird zwingen euch zu schimpflichem Vertrag;
Wo nicht, hier zu empfahn den Tod der Feigen,
Wenn sich nicht bald Aegyptens Völker zeigen.
5.
Doch nicht hinab in des Vergessens Schauer
Soll meine Tage ziehn unedler Tod;
Und nicht umschlossen mehr von dieser Mauer
Gewahre mich das neue Morgenroth.
Das Schicksal walt' ob meines Lebens Dauer,
Wie es die Macht dort oben ihm gebot;
Ich aber will nur mit dem Schwert in Händen,
Nicht ohne Ruhm noch ohne Rach', es enden.
[166]
6.
Und fänd' ich nur an euch von jenem ächten
Gewohnten Muth noch irgend einen Schein:
Nicht edlen Tod in rühmlichen Gefechten,
Nein, Sieg und Leben würd' ich prophezeihn.
Laßt uns dem Feind' und des Geschickes Mächten
Entgegen ziehn in muthigem Verein:
Denn oft, je grauser uns Gefahr umpreßte,
Ist für den Mann der kühnste Rath der beste.
7.
Doch scheust du dich, in so bedrängter Lage,
Mit deiner ganzen Macht hervor zu gehn:
Laß uns den großen Streit, mit Einem Schlage,
Durch zweier Krieger Kampf entschieden sehn.
Und daß Bouillon um so viel eher wage,
Den Vorschlag, den ich thun will, einzugehn:
So mag er jeden Vortheil sich erringen,
Die Waffen wählen und den Kampf bedingen.
8.
Hat der, mit dem ich kämpfe, nur Zwei Hände
Und Einen Geist, wie kühn auch und entbrannt:
So fürchte nicht, daß deine Herrschaft ende;
Das Recht, das Ich vertheid'ge, hat Bestand.
Und ob sich Glück und Schicksal von dir wende,
Vollkommnen Sieg verleiht dir diese Hand
Und reicht sich selber dir zum sichern Pfande,
Daß, traust du ihr, geschützt sind deine Lande.
[167]
9.
Er schweigt, und ihm der Fürst: Obwohl die Schwere
Des Alters mich, o rascher Jüngling, drückt;
Doch ist mein Arm nicht so entwöhnt vom Speere,
Noch mir so ganz des Geistes Kraft entrückt,
Daß mir ein Tod voll Schande lieber wäre,
Als der mit Ruhm und Preis den Kämpfer schmückt:
Müßt' ich nur irgend jener Noth und Plagen,
Wovon du sprichst, Furcht oder Sorge tragen.
10.
Gott wende solche Schmach! Jetzt, im Vertrauen,
Entdeck' ich dir, was Keiner weiß bisher:
Fürst Solyman, der einst Nicäa's Gauen
Beherrscht, will rächen seine Schmach nunmehr
Und sammelt' in Arabien jene rauhen
Zerstreuten Horden bis von Libyen her,
Um nächt'ger Weil' auf unsern Feind zu dringen,
Uns aber Hülf' und Mundbedarf zu bringen.
11.
Bald ist er hier. Der Feind indessen wohne
In unsern Schlössern, bis ihn der vertreibt;
Nicht kümmern soll uns das, wenn nur die Krone
Und dieser edle Königsitz mir bleibt.
Du aber mäß'ge diese Kühnheit, schone
Der raschen Glut, die ohne Maaß dich treibt,
Und wart' in Ruh bis eine Zeit erwache,
Gedeihlich deinem Ruhm und meiner Rache.
[168]
12.
Gewalt'ger Zorn erfaßt den Saracenen,
Der Solymans Mitwerber lange war;
Denn mit Verdruß erfährt er, daß auf Jenen
Der Fürst so fest vertrauet in Gefahr.
Krieg wähl' und Frieden, Herr, nach eignem Wähnen,
Versetzt Argant; ich schweige ganz und gar.
So zögre denn, bis Solyman erscheine;
Er, der sein Reich verlor, schütz' er das Deine.
13.
Er komme, wie von Himmelshöhn gestiegen,
Und mag des Heidenvolks Befreier sein;
Ich aber will, mir selbst genug zum Siegen,
Die Freiheit danken diesem Arm allein.
Nun, da die Andern all' in Ruhe liegen,
Laß mich hinabziehn in der Feinde Reihn,
Daß ich als Ritter, nicht dein Kriegsgeselle,
Den Franken dort zum Einzelkampf mich stelle.
14.
Der König spricht: O würde Zorn und Degen
Von dir bewahrt zu würdigerm Gewinn!
Doch bin ich deinem Wunsche nicht entgegen,
Beharrt auf einem Kampf dein kühner Sinn.
Und Jener nun, ohn' andres Ueberlegen,
Sagt einem Herold: Geh ins Lager hin
Und bringe dort, vor seinem Heeresbunde,
Dem Feldherrn diese nicht geringe Kunde:
[169]
15.
Ein Ritter, sprich, unwillig, daß als Feigen
Ihn dieser starke Mauerkreis versteckt,
Wünscht mit den Waffen in der Hand zu zeigen,
Wie viel sein Muth und seine Kraft erzweckt.
Zum Zweikampf in das Feld hinabzusteigen,
Das von der Stadt zum Lager sich erstreckt,
Ist er bereit, und ruft den in die Schranken,
Der sich am meisten zutraut von den Franken.
16.
Nicht Einen oder Zwei nur aus den Mitten
Des Christenheers verlangt er zum Gefecht;
Der Viert' und Fünfte folge gern dem Dritten,
Die Herkunft sei erhaben oder schlecht.
Man leiste Sicherheit; nach Kriegessitten
Sei der Besiegte des Besiegers Knecht. –
So ordnet er; und mit dem Goldgeschmeide
Schmückt Jener sich und mit dem Purpurkleide.
17.
So wie er in Bouillons und der Barone
Erhabner Gegenwart alsdann erschien,
Fragt' er: O Feldherr, wird, mit freiem Tone
Zu reden, den Gesandten hier verliehn?
Es wird verliehn, sagt ihm Bouillon, und ohne
Die mindste Furcht kannst du dein Amt vollziehn.
Jetzt also, spricht der Herold, wird man schauen,
Ob meine Botschaft Freud' erregt, ob Grauen.
[170]
18.
Dann eilt' er, sein Begehr zu offenbaren,
Und fuhr in aufgeblasnen Reden fort.
Laut knirschten hier vor Grimm die tapfern Schaaren,
So tief verdroß sie das verwegne Wort.
Schnell ließ Bouillon ihm Antwort widerfahren:
Wohl Schweres unternimmt der Ritter dort;
Auch wird er bei so mißlichen Entwürfen,
Ich glaub' es fast, des Fünften nicht bedürfen.
19.
Doch komm' er nur; frei aller Fährlichkeiten,
Sei ihm der Kampf gewährt auf sichrer Flur,
Und Einer aus der Schaar wird mit ihm streiten
Ohn' allen Vortheil; dies verbürgt mein Schwur.
So spricht Bouillon; der Herold, seiner Seiten,
Kehrt um zur Stadt auf schon betretner Spur
Und hemmet eher nicht des Schrittes Eile,
Als bis er Antwort dem Argant ertheile.
20.
Herr, spricht er, waffne dich; was säumst du lange?
Die Christen sagen zu, was du begehrt.
Nicht bloß die größten Helden sind zum Gange
Mit dir bereit, auch die von minderm Werth;
Und tausend Blicke drohten zum Empfange,
Und tausend Hände griffen an das Schwert.
Der Feldherr will dir sichern Raum verschaffen.
So sagt er ihm, und Jener heischt die Waffen.
[171]
21.
Er legt sie an, und schon, zum Kampfesorte
Hinab zu eilen, treibt ihn die Begier.
Drauf zu Clorinden spricht der Fürst die Worte:
Nicht recht ist, wenn er geht, du bleibest hier.
Drum folg' ihm du, zu seinem Schutz und Horte,
Und tausend unsrer Leute nimm mit dir.
Doch Er nur soll zum rechten Kampf sich stellen;
Du bleibst zurück mit deinen Kriegsgesellen.
22.
Der König schwieg; nachdem man sich bereitet,
Zieht nun die Schaar ins freie Feld hinaus,
Und im gewohnten Waffenschmucke reitet
Der kühne Held den Andern stolz voraus.
Dicht vor der Stadt, bis an das Lager, breitet
Weit und geräumig sich ein Blachfeld aus,
Wo nichts sich ungleich oder steil erhoben,
Als sei's mit Fleiß gemacht zu Kampfesproben.
23.
Dorthin nun kam allein, dort hielt der wilde
Argant, gesehn von aller Feinde Zahl.
Kühn stand er da, ein drohend Schreckgebilde,
Stolz auf Gestalt und Muth und Kraft zumal,
Wie ehmals im Phlegräischen Gefilde
Enceladus, wie Goliath dort im Thal.
Doch Viele sind, die keine Furcht verwundet,
Weil sie nicht völlig seine Kraft erkundet.
[172]
24.
Noch hatte nicht den Tapfersten von Allen
Der fromme Gottfried zum Gefecht ernannt;
Doch sah man Aller Blick' auf Einen fallen
Und zu Tancred verlangend hingewandt,
Der durch der Mienen deutlich Wohlgefallen
Ward als der Tapfern Würdigster erkannt.
Auch nennt ihn das Gemurmel schon nicht leise,
Und nun winkt auch Bouillon ihn aus dem Kreise.
25.
Schon wich der Andern jeder gern dem Hehren,
Auf dem die Wahl des Feldherrn sichtbar ruht:
Geh, spricht er nun, dir will ich's nicht verwehren,
Geh hin und bänd'ge dieses Frevlers Wut.
Der kühne Jüngling, stolz, zu solchen Ehren
Ernannt zu sein, im Antlitz Freud' und Muth,
Verlangt vom Knappen Helm und Roß, und reitet
Zum Wall hinaus, von vielem Volk begleitet.
26.
Noch war er fern von jenen ebnen Auen,
Wo ihn Argant erwartet voll Begier,
Da zeigt sich ihm die tapferste der Frauen
In ihrer Schönheit wundervoller Zier.
Weiß, wie der Schnee auf Alpenhöh'n zu schauen,
War ihr Gewand, und von des Helms Visir
Ihr Antlitz unverhüllt; so, ganz vollkommen,
Ward sie auf einem Hügel wahrgenommen.
[173]
27.
Nun sieht Tancred nicht mehr, wo jener Wilde
Die grausenvolle Stirn gen Himmel kehrt;
Er lenkt sein Roß langsam durch die Gefilde
Und schaut empor, wo sie sich ihm verklärt.
Dann hält er still, gleich einem Marmorbilde,
Von außen kalt; doch innen kocht's und gährt.
Ihr Anblick ist ihm g'nug, und aller Schlachten
Scheint er für jetzt nur wenig mehr zu achten.
28.
Allein Argant, der Keinen wahrgenommen,
Von dem sich zeigt, er sei zum Streit bestimmt:
Aus Kampfbegier bin ich hieher gekommen,
Wer kämpft denn nun mit mir? ruft er ergrimmt.
Tancred indessen, ganz betäubt, beklommen,
Zeigt, unbeweglich, daß er nichts vernimmt;
Da sprenget Otto, mit entschlossner Schnelle,
Zuerst hervor auf die noch leere Stelle.
29.
Auch ihn ergriff vorhin schon das Verlangen
Zum Kampfe mit dem übermüth'gen Feind;
Doch wich er dem, der Allen vorgegangen,
Und ritt hinaus, mit Andern mehr vereint.
Jetzt, da Tancred von fremdem Wunsch befangen,
Zum Kampfe träg' und fast unwillig scheint,
Ergreift der Jüngling, kühn und schnell entschlossen,
Rasch die Gelegenheit, die ihm entsprossen.
[174]
30.
Und schneller nun, als Pardel oder Tiger
Durchstreifen oft der Wälder düstre Schlucht,
Rennt Otto muthig auf den fremden Krieger,
Der ihm entgegenstemmt des Speeres Wucht.
Nun wird Tancred erst der Betäubung Sieger,
Erwachend endlich nach der Träume Flucht.
Wohl ruft er nun: Der Kampf ist mein, verweile!
Doch schon zu weit führt den des Muthes Eile.
31.
Er hält demnach, und Zorn und Unmuth brennen
Im Busen ihm, und seine Wang' ist Glut,
Weil er als Schimpf und Schande muß erkennen,
Daß ihm ein Andrer kam zuvor an Muth.
Der Jüngling trifft indeß im Gegenrennen
Den Helm des Saracenen stark und gut;
Doch wird zugleich der Panzer ihm durchstochen
Vom spitzen Stahl, nachdem der Schild zerbrochen.
32.
Der Franke sinkt vom Roß herab zur Erde,
So heftig trifft ihn der gewalt'ge Stoß;
Allein Argant, gewohnter der Beschwerde,
Von höhrer Kraft, wird nicht im Sattel los.
Mit übermüthig höhnischer Geberde
Gebeut er dem Gefallnen, schonungslos:
Gieb dich besiegt; g'nug Ehre dem Verwegnen,
Daß ihm vergönnt, im Kampf mir zu begegnen.
[175]
33.
Nein, giebt ihm der zurück, im Christenheere
Senkt man so bald den Muth, die Waffen nicht.
Es rett' ein Andrer unsers Namens Ehre;
Rach' oder Tod, das ist nun meine Pflicht.
Entsetzlich, wie Alecto und Megäre,
Knirscht der Barbar, sprüht Flammen sein Gesicht.
So sollst du, spricht er, meine Stärke sehen,
Da dir's beliebt, die Milde zu verschmähen.
34.
Er spornt sein Roß, als hätt' er keine Kunde
Von allem, was ihm Ritterpflicht befahl.
Der Frank, ausweichend, schwenkt sich in die Runde,
Stößt in die Seite rasch ihm seinen Stahl
Und zieht – so arg und bitter ist die Wunde –
Das Schwert zurück, gefärbt mit blut'gem Maal.
Doch wozu hilft die Wunde, die nicht schwächer
Den Sieger macht, und grimmiger den Rächer?
35.
Rasch hemmt Argant, aufs höchste nun erbittert,
Des Rosses Lauf und wendet es so leicht,
Daß, ehe noch sein Feind die Schwenkung wittert,
Ihn unversehns der mächt'ge Stoß erreicht.
Der Athem geht ihm aus, der Schenkel zittert,
Der Geist verwirrt sich, das Gesicht erbleicht;
So heftig schüttelt ihm der Stoß die Glieder,
Und schwach und matt sinkt er zur Erde nieder.
[176]
36.
Argant, voll Wut, macht seines Rosses Füßen
Des Ueberwundnen Brust zum blut'gen Pfad:
So, ruft er aus, soll jeder Stolze büßen,
Wie dieser, den mein Roß zum Schemel hat.
Da bricht Tancred hervor, ihn zu begrüßen,
Von Zorn entflammt ob solcher Frevelthat,
Und will, daß seine Kraft durch hohe Werke
Den Fehler tilg' und strahl' in vor'ger Stärke.
37.
Er sprengt heran und ruft im schnellsten Laufen:
Elende Seel', im Siegen noch verrucht!
Was hoffest du für Ehre zu erkaufen
Durch Thaten, die auch ein Barbar verflucht?
In welcher Hord', in welchen Räuberhaufen
Hast du an solchen Freveln dich versucht?
Ha, fleuch das Licht, mit andern Ungeheuern
In Wäldernacht zur Wut dich anzufeuern!
38.
Er schweigt; Argant, der nie solch Wort vernommen,
Beißt sich vor Grimm und Zorn die Lippen wund;
Verworrne Töne, statt der Antwort, kommen,
Wie Thiergebrüll, hervor aus seinem Schlund;
Und wie ein Blitz, der in der Luft entglommen,
Hervorbricht aus verschlossner Wolken Grund,
So scheint das Wort, das er versucht zu sprechen,
Laut donnernd aus der Brust hervorzubrechen.
[177]
39.
Als Beide nun, wetteifernd, wild und heftig
Des Stolzes Grimm gespornt durch Droh'n und Schrei'n,
Da wenden sie die Rosse, gleich geschäfftig,
In weitem Ring, um Raum sich zu verleihn.
Hier stärk', o Muse, mir die Stimme kräftig,
Und hauche Wut, gleich jener Wut, mir ein;
Daß nicht der Thaten Ruf mein Lieb verhöhne,
Und im Gesang der Waffen Hall ertöne!
40.
Nun stemmt der Helden jeder, fest im Bügel,
Die knot'ge Stang' und richtet sie empor.
Nie war des Laufs, des Sprunges, nie der Flügel
Geschwindigkeit so ungestüm zuvor,
Nie Wut gleich der, womit, verhängt die Zügel,
Hier stürmt Tancred und dort Argant hervor.
Die Lanzen brechen an dem Helm, und tausend
Lichtfunken, Splitter, Spän' entfliegen brausend.
41.
Nur von des Stoßes mächt'gem Wiederhalle
Bebt rings die Erd' und das Gebirg erkracht;
Doch widersteht dem ungeheuern Pralle,
Nicht winkend nur, der stolzen Häupter Macht.
Die Rosse bringt der heft'ge Stoß zum Falle,
Und aufzustehn hat keins so schleunig Acht.
Das große Kämpferpaar, den Bügel lassend,
Zieht nun das Schwert, Fuß auf dem Boden fassend.
[178]
42.
Vorsichtig folgt dem Hieb des Andern Rechte,
Dem Schritt der Fuß, dem Blick das Auge nach.
Man dringt heran, weicht, kreist sich im Gefechte
Und wechselt Lag' und Stellung tausendfach;
Droht bald, als ob man hier zu treffen dächte,
Und wo man nicht gedroht, trifft man hernach;
Scheint bald, hier oder da, sich bloßzugeben,
Und sucht die List durch Gegenlist zu heben.
43.
Dem Heiden zeigt Tancred, im hitz'gen Streite,
Vom Schild und Schwert die Seite frei und bloß;
Der eilt zum Hieb, und läßt die ganze Breite
Der linken Hüft' indeß vertheid'gungslos.
Nun schlägt Tancred, abwehrend, auf die Seite
Des Feindes Stahl, und giebt ihm einen Stoß;
Schnell weicht er dann und setzt, nach diesem Schlage,
Sich wohl gedeckt in die gehör'ge Lage.
44.
Als nun Argant sich muß besudelt schauen
Vom eignen Blute, das der Wund' entquoll:
Da brüllt er laut, mit ungewohntem Grauen,
Von Grimm und Schmerz ganz übertäubt und toll,
Hebt mit der Stimme gleich das Schwert zum Hauen
Und stürzt sich, blind vor Ungestüm und Groll,
Auf seinen Feind, und muß verletzt sich finden
Durch Stich, wo Arm und Schulter sich verbinden.
[179]
45.
Wie im Gebirg ein Bär, wann er die Spitze
Der harten Lanze fühlt, von Wut verzehrt,
Entgegen stürmt den Waffen, schnell wie Blitze,
Und nicht mehr an Gefahr und Tod sich kehrt:
So wild entlodert des Circassers Hitze,
Da Wund' auf Wunde, Schmach auf Schmach sich mehrt;
Und voll Begier zu rächen die Beleid'gung,
Höhnt er Gefahr und denkt nicht an Vertheid'gung.
46.
Tollkühnen Muths, vor Ingrimm fast von Sinnen,
Und stark und unermüdlich von Natur,
Kreist er das Schwert mit solchem Wutbeginnen,
Daß rings der Himmel blitzt, erbebt die Flur.
Der Andre kann nicht Zeit zum Hau'n gewinnen,
Noch sich zu decken, kaum zu athmen nur,
Und keine Schutzwehr, die ihn sicher stelle
Vor des Circassers Riesenkraft und Schnelle.
47.
Lang' hat Tancred den großen Sturm gelitten,
Und hofft umsonst, er werde bald verziehn;
Jetzt wehrt er ab, sucht jetzt mit Meisterschritten
Und kluger Wendung sich zurückzuziehn;
Allein Argant fährt fort, wie er gestritten,
Und zwingt zu gleichem Rasen nun auch ihn,
So daß Tancred, erboßt, sein mächtig Eisen
Mit größtem Ungestüm beginnt zu kreisen.
[180]
48.
Vorsicht und Kunst läßt sich vom Zorn entraffen,
Und Beider Kräft' erzeugt und mehrt die Wut.
So oft das Eisen niederrasselt, klaffen
Ring' oder Blech, und jeder Streich ist gut.
Bedeckt mit Waffen ist das Feld, die Waffen
Mit Blut bedeckt, mit Schweiß vermischt das Blut.
Blitz ist im Flammen, Donnerhall im Schallen,
Und Wetterschlag das Schwert im Niederfallen.
49.
Die Völker beid', erfaßt von tiefem Schauer,
Sehn diesen Kampf, so graunvoll wunderbar,
Und schweben bald in Freude, bald in Trauer,
Wie Vortheil jetzt sich zeigt, und jetzt Gefahr.
Und doch erhebt sich in des Kampfes Dauer
Kein Wink, kein Laut bei so unzähl'ger Schaar;
Vielmehr steht Jeder still und ohne Regung,
Und nur das Herz bleibt zitternd in Bewegung.
50.
Wohl hätten Beid', erschöpft vom langen Streite,
Sich selbst, unzeitig, an das Ziel gebracht;
Schon aber hüllt das Nahe wie das Weite
Sich rings umher ins dunkle Graun der Nacht.
Ein Herold kam heran von jeder Seite,
Und diese trennten die gewalt'ge Schlacht:
Der Frank Arid, mit ihm Pindor, der jene
Ausfodrung bracht', ein schlauer Saracene.
[181]
51.
Kühn streckten Diese mitten in das Toben
Des wilden Kampfs ihr friedlich Scepter hin,
Mit jener Sicherheit, die sie erproben,
Allgültig, seit des Völkerrechts Beginn.
Ihr seid, o Krieger, beide gleich zu loben,
Begann Pindor, an Kraft und Heldensinn;
Drum laßt den Kampf, daß er nicht Eintrag thue
Dem heil'gen Recht der Nacht und ihrer Ruhe.
52.
Am Tag' ist Zeit zur Arbeit uns gegeben,
Doch Alles ruht, wenn Nacht herniedersteigt;
Und ein erhabnes Herz wird nimmer streben
Nach dunkelm Ruhm, der sich verbirgt und schweigt.
Argant versetzt: Den Zweikampf aufzugeben,
Weil's eben dunkelt, bin ich nicht geneigt.
Wohl wünscht' ich Tag zum Zeugen meiner Ehre;
Doch schwöre Dieser, daß er wiederkehre.
53.
Auch du, versetzt Tancred, mußt dies versprechen,
Und dein Gefangner werde mitgebracht;
Sonst hoffe nicht, den Kampf zu unterbrechen,
Und währt' er auch bis in die tiefste Nacht.
So schwuren sie. Die Zeit zum zweiten Stechen
Ward durch erwählte Herold' ausgemacht;
Um für die Wunden nach Gebühr zu sorgen,
Bestimmten sie des sechsten Tages Morgen.
[182]
54.
Den Heiden wie den Gläub'gen läßt das Schauen
Des wilden Kampfs so unerhörter Art
Ein tiefes Staunen eingeprägt, ein Grauen,
Das ihre Brust noch lange Zeit bewahrt.
Man rühmt die Kraft, den Muth, das Selbstvertrauen,
So jeder Held im Zweikampf offenbart;
Doch wem der Kranz gebühre von den Beiden,
Das hört man oft auf andre Weis' entscheiden.
55.
Und Jeder thut, erwartend, sich die Frage,
Welch Ende sei bestimmt dem rauhen Streit;
Ob Heldenkraft die Wut zu Boden schlage,
Ob Kühnheit weiche der Verwegenheit.
Doch mehr als Alle fühlt in dieser Lage
Erminia sich bedrängt von Sorg' und Leid,
Die ihres Wesens besten Theil, mit Bangen,
Sieht an dem ungewissen Kriegsglück hangen.
56.
Sie war die Tochter Kassans, der vor Jahren
Den Thron besaß im Antiochierland.
Als dieses ward ersiegt von Christenschaaren,
Fiel sie, mit andrer Beut', in ihre Hand.
Allein so menschlich war Tancreds Verfahren,
Daß sie bei ihm kein Ungemach empfand;
Und sie erhielt, bei ihres Reichs Verheerung,
Vom Sieger stets als Königin Verehrung.
[183]
57.
Er ehrte sie, bediente sie, und setzte,
Der edle Held, in Freiheit sie alsbald,
Und ließ ihr alles, was sie liebt' und schätzte,
Geschmeide, Gold, großmüthig in Gewalt.
Wie sie sich nun an solchem Hochsinn letzte,
Vereint mit Jugendblüth' und Wohlgestalt:
Da fesselt' Amor sie mit stärkern Banden,
Als jemals noch ein liebend Herz umwanden.
58.
So blieb, war gleich der Körper frei zu nennen,
Der Geist noch immer in Gefangenschaft.
Wohl war's ihr großer Kummer, sich zu trennen
Vom theuern Herrn und der geliebten Haft;
Allein, was nie großherz'ge Frau'n verkennen,
Der königlichen Würd' erhabne Kraft,
Zwang sie, sich in ein Land, wo Freunde leben,
Mit der bejahrten Mutter zu begeben.
59.
So kam sie nun zum Palästinerlande,
Wo Aladin ihr eine Freistatt bot;
Doch bald, umhüllt von schwarzem Leidgewande,
Betraurte sie der guten Mutter Tod.
Und dennoch riß, in so bedrängtem Stande,
Nicht dieser Gram, nicht der Verbannung Noth
Aus ihrer Brust den mächt'gen Drang der Liebe,
Noch tilgt' ein Fünklein nur so glüh'nder Triebe.
[184]
60.
Die Arme liebt und glühet, unbeachtet,
Und so durchaus ist hoffen ihr verwehrt,
Daß sie die stille Glut, in der sie schmachtet,
Mehr mit Erinnrung als mit Hoffnung nährt;
Und um je mehr sie ihn zu bergen trachtet,
Je heft'ger flammt der Brand, der sie verzehrt.
Doch neu erwacht die Hoffnung aus dem Trauern,
Als nun Tancred erscheint vor Zions Mauern.
61.
Den Andern wird, beim Nahn des unzählbaren
Siegreichen Volks, das Herz von Sorgen schwer;
Sie aber läßt nun Angst und Kummer fahren,
Und schaut mit heiterm Blick das stolze Heer,
Und späht begierig in der Krieger Schaaren
Nach dem ersehnten theuern Freund' umher.
Oft sucht sie ihn umsonst, und oft, ihn kenntlich
Gewahrend, ruft sie aus: Da ist er endlich!
62.
Ein alter Thurm, hart an der Mauerschwelle,
War aus der Königsburg empor gebaut,
Von dessen Gipfel man die Lagerstelle
Des Christenheers, und Berg und Ebne schaut.
Hier nun, vom ersten Blick der Morgenhelle
Bis dunkle Nacht die Erde rings umgraut,
Verweilet sie, schaut nach dem Heer der Franken,
Und seufzt und spricht mit ihren Gramgedanken.
[185]
63.
Hier schaute sie den Kampf; mit solcher Bängniß
Pocht' immerfort das Herz in ihrer Brust,
Daß es zu sagen schien: Der in Bedrängniß
Des Todes schwebt, ist deine süße Lust!
Sie sah des Kampfes zweifelhaft Verhängniß,
Vor Furcht und Angst kaum ihrer selbst bewußt,
Und immer, wenn Argant den Stahl geschwungen,
Fühlt sie ihr Herz von Schwert und Hieb durchdrungen.
64.
Doch als sie nun der Wahrheit Kund' empfangen,
Und daß sich soll erneu'n des Kampfes Wut:
Da faßt ihr Herz solch ungeheures Bangen,
Daß sie zu Eis erstarren fühlt ihr Blut.
Verborgne Seufzer stößt sie aus, die Wangen
Befeuchtet oft geheimer Thränen Flut;
Bleich und entstellt, in gänzlicher Bethörung,
Ist sie ein Bild des Grams und der Verstörung.
65.
Ein schreckliches Gesicht wähnt sie zu schauen,
Bald hier, bald dort, das alle Sinn' empört;
Und bänger ist ihr Schlaf als Todesgrauen,
Von schwarzen Träumen fürchterlich gestört.
Den theuern Mann, gepackt von Mörderklauen,
Blutig, zerfleischt, glaubt sie zu schau'n; sie hört
Um Hülf' ihn flehn; auf wacht sie mit Entsetzen
Und fühlt, daß Thränen Aug' und Brust benetzen.
[186]
66.
Und doch, die Furcht vor Leiden, die erst kommen,
Ist's nicht allein, die ihr das Herz zerreißt;
Die Wunden auch, die er im Kampf bekommen,
Sind ew'ge Marter dem geschreckten Geist.
Manch falsch Gerücht hat sie zugleich vernommen,
Das größer stets Entferntes, Fremdes weist;
Daher sie glaubt, der Ritter, ohne Labe,
Verschmachtet und erschöpft, sei nah am Grabe.
67.
Und da der Mutter sie verdankt die Kunde
Von jedes Krauts geheimster Wunderkraft,
Und welcher Zauberspruch die schlimmste Wunde
Der Glieder heilt, und Schmerzen Lindrung schafft
(Wovon nur in der Königstöchter Munde
Sich dort zu Land' erhält die Wissenschaft):
So mögte sie nunmehr mit eignen Händen
Den Wunden ihres Herrn Genesung spenden.
68.
Gern weihte sie dem Freunde Kunst und Kräfte,
Und muß, gezwungen, sie dem Feinde weihn.
Sie sinnt bisweilen, sich durch gift'ge Säfte
Von dem verhaßten Gegner zu befrei'n;
Doch will sich zu so böslichem Geschäfte
Die fromme, jungfräuliche Hand nicht leihn.
Sie wünscht zum mindsten, daß, bei solchem Brauche,
Der Sprüch' und Säfte Kraft fruchtlos verrauche.
[187]
69.
Auch würde sie es nicht für schrecklich achten,
Zum Feind zu gehn; denn oft und vielerwärts
Umhergewandert, sah sie Krieg' und Schlachten,
Und führt' ein Leben voll Gefahr und Schmerz;
So daß Gewohnheit längst zu kühnerm Trachten
Hob über die Natur ihr weiblich Herz,
Das nicht so schnell zu scheuer Angst sich neigte,
Wenn irgendwo ein Schreckenbild sich zeigte.
70.
Und mehr noch treibt der Liebe kühnes Feuer
Die Furcht hinweg aus ihrer zarten Brust;
Sie wär', umringt von allem Ungeheuer,
Das Libyen nährt, sich keiner Angst bewußt.
Doch, ist das Leben auch ihr nicht zu theuer,
So fürchtet sie des edlen Rufs Verlust;
Und feindlich kämpfen nun zwei mächt'ge Triebe
In dem zerrissnen Herzen, Ehr' und Liebe.
71.
Die Eine spricht: Du, die mit hohem Ruhme
Bis jetzt, o Jungfrau, mein Gesetz bewahrt;
Ich schützte dir, in Feindes Eigenthume
Den keuschen Leib, die Seele, rein und zart.
Und nun, als Freie, wirfst du weg die Blume,
Die du so treu als Sklavin aufgespart?
Weh mir! Wie ward dein zarter Busen offen
Für solchen Wunsch? was kannst du denken, hoffen?
[188]
72.
So wenig achtest du den Ruf der Ehre,
Giebst nun so leicht den Preis der Keuschheit hin,
Daß du, um Schmach zu suchen, willst zum Heere
Des Feindes gehn, als nächt'ge Bulerin?
Damit der stolze Sieger dir erkläre:
Mit deinem Reich verlorst du Königssinn;
Unwürdig bist du mein! und in die Hände
Der Andern dich als niedre Beut' entsende.
73.
Dagegen lockt, sanft schmeichelnd ihren Ohren,
Der Andern Rath mit holden Trügerei'n:
Du bist von keiner Bärin ja geboren,
O junges Kind, von keinem kalten Stein,
Daß Amors Pfeil und Fackel du verschworen,
Und müßtest jeder Freude dich verzeihn;
Noch ist dein Herz von Demant oder Eisen,
Daß Liebe wär' als Schmach dir zu verweisen.
74.
Auf, gehe nur, wohin dich Sehnsucht lenket!
Und warum denkst du ihn als rohen Feind?
Weißt du nicht mehr, wie ihn dein Leiden kränket,
Wie er bei deinem Schmerz und Jammer weint?
Feindlich bist du, die träge sich bedenket,
Eh sie dem Treuen dort zur Hülf' erscheint.
Tancred, der milde, schmachtet dort vergebens;
Und du, Hartherz'ge, wartest fremden Lebens!
[189]
75.
Ja, heil' Argant, damit er den erschlage,
Der dich erlöst von niedrer Knechtschaft Hohn;
So legst du deine Dankbarkeit zu Tage
Und spendest dem Befreier würd'gen Lohn!
Ist's möglich nur, daß nicht zur ärgsten Plage
So sehr dir werde der verruchte Frohn,
Daß Abscheu und Verdruß allein genügen,
Dich fortzutreiben mit den schnellsten Flügen?
76.
Welch schöner Dienst der Menschlichkeit hingegen,
Und welche Wonne, welche sel'ge Lust,
Wenn deine Hand, um heilend sein zu pflegen,
Sich dürfte nahn der tapfern Heldenbrust!
Wenn Rosen frisch sich auf der Wange regen,
Und du wärst seiner Heilung dir bewußt,
Und dürftest Reize, die jetzt traurig schmachten,
Aufs neu' erblüht, als dein Geschenk betrachten!
77.
Du würdest Theil an seinem Ruhme haben,
An jeder hohen, ehrenwerthen That.
Dann würd' er dich mit keuschen Küssen laben,
Als froher Gatte zärtlich dir genaht;
Dann, unter Latiums Frauen, hoch erhaben,
Gingst du einher auf ruhmgeschmücktem Pfad,
Dort, in Italiens heitern Regionen,
Wo wahrer Muth und wahrer Glaube wohnen.
[190]
78.
Geschmeichelt von so süßer Hoffnung, dachte
Die Thörin sich ein Glück, wie keines mehr.
Allein die Sorg' um ihr Entkommen machte
Durch tausend Zweifel nun das Herz ihr schwer;
Denn am Palast und auf den Mauern wachte
Der Hüter Schaar, und streifte rings umher;
Auch ward, in Kriegesnoth, zu keiner Stunde
Ein Thor geöffnet, als aus wicht'gem Grunde.
79.
Gar oft verweilt Erminia bei Clorinden,
Mit der sie längst im Freundschaftsbunde war.
Oft muß die Abendsonne dort sie finden,
Oft wird das Morgenroth sie dort gewahr;
Und oftmals auch, wenn alle Strahlen schwinden,
Empfängt Ein Bett das schwesterliche Paar;
Und kein Gedank' ist, außer dem der Liebe,
Der vor der Freundin Brust Geheimniß bliebe.
80.
Nur diesen hält Erminia ihr verborgen;
Und wenn sie manchmal vor Clorinden klagt,
So giebt sie andern Grund den herben Sorgen,
Und scheint vom Schmerz um ihr Geschick zernagt.
Nie wird daher am Abend noch am Morgen
Der Zutritt zu der Freundin ihr versagt,
Und kein Gemach, das sie nicht frei beschreite,
Clorinde sei nun dort, im Rath, im Streite.
[191]
81.
So kam sie einst, als ihre Freundin eben
Abwesend war. In Sorgen tief versenkt
Verweilt sie dort, der Seele ganzes Streben
Auf Mittel zur ersehnten Flucht gelenkt.
Indem nun wechselnd die Entschlüsse schweben,
Und sie noch immer Sichres nicht erdenkt:
Sieht sie Clorindens Wehr, dort oben hangend
Zusammt dem Waffenrock, und seufzt verlangend.
82.
Sie seufzt und spricht: O seltnes Glück des hehren,
Des tapfern Weibes! Wie beneid' ich's ihr!
Und nicht beneid' ich ihr des Ruhmes Ehren,
Die Schönheit nicht, der Frauen Preis und Zier.
Kein langer Rock darf ihrem Schritte wehren,
Kein eng Gemach hemmt ihres Muths Begier.
Nicht Furcht noch Schaam hält sie daheim; gerüstet
Geht sie hinaus, sobald es sie gelüstet.
83.
O warum hat so kräftig zu gestalten
Natur und Himmel nicht auch mich gewußt?
Den Schleier dann und des Gewandes Falten
Für Helm und Panzer gäb' ich hin mit Lust;
Dann hemmten Glut und Frost, und Sturmeswalten
Und Regen nicht den Flammentrieb der Brust.
Gewaffnet dann, allein und mit Geleite,
Bei Tag und Nacht, wär' ich in Feldesweite.
[192]
84.
Dann hätte nicht, Argant, mit dir Verwegnen
Mein theurer Herr den ersten Gang gemacht;
Voraus wär' ich gerannt, ihm zu begegnen,
Und hätt' ihn jetzt vielleicht in meiner Macht.
Wohl würd' er dann die süßen Bande segnen,
So ihm die milde Feindin zugedacht;
Und, o gewiß! durch seine Fesseln würde
Erleichtert mir und sanft der meinen Bürde.
85.
Allein hätt' Er, in blut'ger Kampfesstunde,
Geöffnet mir die Brust, durchbohrt das Herz:
Zum mindsten wäre dann der Liebe Wunde
Durch seinen Stahl geheilt von allem Schmerz.
Der müde Leib ruht' aus im kühlen Grunde,
Die Seele wär' entflohen himmelwärts;
Auch hätte dann der Sieger Asch' und Beine
Mit Thränen wohl geehrt und einem Steine.
86.
Doch weh! unmöglich ist mein Wunsch; ich jage
In thörichten Gedanken mich umher.
So bleib' ich hier in eitler Furcht und Klage,
Wie eine von der Frau'n gemeinem Heer?
Ich bleibe nicht! Mein Herz, vertrau' und wage!
Warum nicht nehm' auch ich einmal die Wehr?
Warum nicht tragen könnt' ich sie gemächlich
Auf kurze Zeit, obwohl nur zart und schwächlich?
[193]
87.
Ich kann es, ja! mich wird die Liebe rüsten
Mit hoher Kraft, die sie auch Schwachen leiht;
Der feige Hirsch, gespornt von ihren Lüsten,
Bewaffnet ja mit Kühnheit sich zum Streit.
Doch nicht im Kampf als Heldin mich zu brüsten,
Zu schlauem Trug sei diese Wehr geweiht.
Clorinde will ich sein; in ihren Waffen
Bin ich gewiß, mir Ausgang zu verschaffen.
88.
Den kühnen Schritt der Hehren zu beschränken,
Hat keine Wach' am Thore wohl den Muth.
Kein ander Mittel weiß ich zu erdenken,
Nur dieser Weg scheint offen mir und gut.
Glück möge Schutz unschuld'gem Truge schenken,
Und nehm' ihn Liebe, die ihn lehrt', in Hut!
Ich eile fort, eh diese Stund' entschwinde;
Beim König ist zur günst'gen Zeit Clorinde.
89.
Beschlossen ist's; von Liebeswut entglommen,
Von ihr gespornt, hält sie nicht länger ein.
Schon hat sie schnell die Rüstung abgenommen
Und trägt sie in ihr nah Gemach hinein.
Sie konnt' es wohl; denn als sie hergekommen,
Macht' Alles Platz und ließ sie ganz allein;
Auch war indeß die dunkle Nacht, verschwiegen,
Der Dieb' und Liebe Schutz, herabgestiegen.
[194]
90.
Und da schon hie und dort ein Stern zu schauen,
Und tiefres Dunkel deckt des Himmels Bahn,
So ruft sie heimlich die von ihren Frauen,
Die ihr mit Lieb' am treusten zugethan,
Sammt einem Knappen, dem sie darf vertrauen,
Und sagt, zum Theil, den Beiden ihren Plan.
Sie wolle fliehn, entdeckt sie; doch vom Grunde,
Der sie bestimmt, ertheilt sie falsche Kunde.
91.
Der treue Knecht besorgt sogleich die Pferde
Und alles, was er sonst für nöthig hält.
Sie legt nun ab die hemmende Beschwerde
Des Prachtgewands, das bis zum Fuße fällt.
So steht sie da mit reizender Geberde,
Im leichten Rock, die Lieblichste der Welt;
Und von den Frau'n bedient sie nur die Eine,
Die zur Gefährtin sie erwählt, sonst Keine.
92.
Den weichen Hals, vom goldnen Haar umflossen,
Drückt und verletzt des Helmes rauhe Wehr;
Die zarte Hand ergreifet, unverdrossen,
Den großen Schild, ihr unerträglich schwer.
So strahlt sie nun, vom Eisen rings umschlossen,
Und geht, sich zwingend, kriegerisch einher.
Voll Freude sah ihr Amor zu und lachte,
Wie einst, da er Alcid zum Weibe machte.
[195]
93.
O wie es ihr so schwer wird, auszuhalten
Die große Last! wie schleicht ihr matter Schritt!
Sie muß sich an die treue Freundin halten,
Die langsam vor ihr her den Weg betritt;
Doch stärkt den Geist der Lieb' und Hoffnung Walten
Und theilet Kraft den müden Gliedern mit.
So kommen sie zum Orte, wo indessen
Der Knappe harrt, und schnell wird aufgesessen.
94.
Verkleidet ziehn sie fort und wählen immer
Nur die geheimsten Wege, mit Bedacht;
Doch treffen sie auf vieles Volk, und Schimmer
Von hellen Waffen leuchtet durch die Nacht.
Allein sie aufzuhalten wagt man nimmer,
Man räumt den Weg und läßt sie außer Acht;
Denn diese weiße Tracht, das droh'nde Funkeln
Des Tigerhelms, erkennt man auch im Dunkeln.
95.
Obwohl nun mehr und mehr die Sorgen schwinden,
Glaubt noch Erminia nicht gedeckt den Pfad;
Noch immer fürchtet sie Verrath zu finden,
Und zittert selbst vor ihrer kühnen That.
Doch sucht sie sich am Thor zu überwinden,
Und spricht zu dem, der dort die Wache hat:
Clorinde bin ich, öffne sonder Weile!
Mich schickt der Fürst, und mein Geschäfft hat Eile.
[196]
96.
Die Weiberstimme, gleich genug den Tönen
Der Kriegerin, erleichtert den Betrug.
Wer denkt zu Roß sich eine von den Schönen
In voller Wehr, die niemals Waffen trug?
Auch eilt der Thorwart, dem Befehl zu fröhnen;
Die Andern ziehn hinaus im schnellsten Flug
Und wählen dann, zur Sicherheit der Reise,
Im tiefen Thal weit umgekrümmte Gleise.
97.
Erminia nun, da sie sich einsam findet
Und fern genug, hemmt ihren Lauf gemach;
Denn da die erste Noth so leicht verschwindet,
Befürchtet sie nicht mehr, man setz' ihr nach.
Doch was sie früher nicht bedacht, empfindet
Sie jetzt nicht ohne Sorg'; und allgemach
Dünkt schwerer ihr, als eiliges Verlangen
Vorhin gezeigt, ins Lager zu gelangen.
98.
Jetzt sieht sie ein, wie sehr es Thorheit wäre,
In Kriegestracht dem Feinde sich zu nahn;
Auch will sie Keinem sich vertrau'n im Heere,
Eh den Geliebten ihre Blicke sahn.
Geheim und unentdeckt, mit sichrer Ehre,
Als Freundin ihn zu suchen, ist ihr Plan.
Sie hält demnach, von besserm Rath geleitet,
Und spricht zum Waffenknecht, der sie begleitet:
[197]
99.
Du sollst, mein Treuer, mir als Bote frommen;
Doch sei behend' und klug, wie sich's versteht.
Ins Lager geh', und bist du aufgenommen,
Laß alsobald dich führen zu Tancred.
Sag', eine Jungfrau wolle zu ihm kommen,
Die Heil ihm bringt und ihn um Frieden fleht;
Um Frieden fleht, bekriegt vom Liebesdrange,
Damit er Heil, Erquickung sie erlange.
100.
So traue sie auf ihn, daß sie nicht zage,
In seinem Schutz, vor Schmach noch vor Gewalt.
Sag' ihm nur dies; auf irgend andre Frage
Antworte nicht, und komm zurück alsbald.
Ich wähl' indeß, denn dieses Ortes Lage
Scheint sicher g'nug, hier meinen Aufenthalt.
So redet sie; und wie mit Vogelschwingen
Eilt Jener fort, den Auftrag zu vollbringen.
101.
Er macht es klug, so daß man bei den Franken
Des Lagers Eingang freundlich ihm gewährt;
Man führt ihn gleich zur Ruhestatt des Kranken,
Der seine Botschaft heitern Blicks erfährt.
Und während Diesem zweifelnder Gedanken
Zahllose Menge durcheinander gährt,
Eilt Jener, mit der Antwort sie zu laben,
Sie solle frei und heimlich Zutritt haben.
[198]
102.
Doch sie, mit Mühe den Verzug ertragend,
Harrt ungeduldig seiner Wiederkehr,
Und zählt des Boten Schritt', im Stillen sagend:
Nun ist er da, tritt ein, kommt wieder her.
Schon däucht es ihr, und sie bemerkt es klagend,
Er sei so schnell, wie sonst gewohnt, nicht mehr.
Sie wagt zuletzt, den Hügel zu ersteigen,
Wo ihrem Blick die Zelte schon sich zeigen.
103.
Nacht war es, und den hellen Sternenschleier
Entfaltet sie, ohn' einer Wolke Spur;
Schon steigt der Mond herauf in stiller Feier
Und überthaut mit Perlen rings die Flur.
Das liebevolle Weib verhaucht nun freier
Der Flammen Füll' am Busen der Natur,
Und wagt, die alte Glut den stummen Auen
Und der gewognen Stille zu vertrauen.
104.
Sie schaut aufs Lager hin und spricht mit Beben:
Wie blickt ihr, Zelte Latiums, hold mich an!
Ich fühle Luft von euch herüber schweben,
Die mich erquickt, ermuthigt, euch zu nahn.
O mögte doch mein mühsam irres Leben
Vom Himmel jetzt so würd'ge Ruh' empfahn,
Wie ich nur such' in euch! Denn unter Waffen
Hoff' ich allein mir Frieden zu verschaffen.
[199]
105.
Nehmt mich denn auf und laßt mich hier empfangen,
Was Liebe mir versprach, des Mitleids Lohn;
Ach! wohl erhielt ich, fern von hier, gefangen,
Von meinem milden Herrn ihn früher schon.
Mich treibet nicht ehrsüchtiges Verlangen,
Von eurer Gunst erwart' ich keinen Thron;
Auch ohne den werd' ich beglückt mich glauben,
Will man in euch zu dienen mir erlauben.
106.
So ruft sie schwärmend aus und ahnet nimmer
Des nahenden Geschickes herbe Qual.
Sie stand an einem Ort, wo Mondesschimmer
Die glatte Rüstung trifft mit hellem Strahl,
So daß ihr weiß Gewand, der Waffen Flimmer,
Im Silberscheine leuchtet weit durchs Thal;
Und bei des Tigers Glanz, der wunderbarlich
Vom Helme strahlt, ruft Jeder: Sie ist's wahrlich!
107.
Nicht weit davon, im Hinterhalte, lagen
Der Franken viel; so wollt's Erminia's Stern.
Zwei Brüdern war die Führung übertragen,
Alkander ist ihr Nam' und Polyfern.
Ihr Auftrag war, die Heerden abzujagen,
Die man zur Stadt geführt von nah und fern;
Und kam der Knappe durch an dieser Stelle,
So dankt' er's einem Umweg und der Schnelle.
[200]
108.
Der junge Polyfern, vor dessen Blicken
Der Vater stürzte durch Clorindens Hand,
Glaubt hier die hohe Heldin zu erblicken,
Da er gewahrt ihr schimmernd Kriegsgewand.
Er kann des Zorns Aufwallung nicht ersticken,
Kommt mit den Seinen auf sie los gerannt
Und ruft im Ungestüm rachgier'gen Strebens:
Du bist des Tods! und wirft den Speer vergebens.
109.
Der Hindin gleich, die mit verlechzten Sinnen
Nach frischem Wasser rings den Wald durchzieht,
Und schon vom Felsen sah die Quelle rinnen,
Den klaren Fluß, der durch Gebüsche flieht,
Doch plötzlich nun, statt Labung zu gewinnen,
Im dichten Busch die Hunde lauern sieht,
Und schnell sich wendet, und vor Angst und Zagen
Vergißt der Hitze, der Ermüdung Plagen:
110.
So Diese, die, von Sehnsucht hingerissen,
Der Liebe Durst, der ihre Brust durchdrang,
Nun bald auf immer glaubt gestillt zu wissen
In des Geliebten fröhlichem Empfang;
Aufs neu' umringt von mächt'gen Hindernissen,
Geschreckt durch Droh'n und wilder Waffen Klang,
Giebt sie sich selbst und ihren Wunsch verloren
Und treibt voll Angst das Roß mit beiden Sporen.
[201]
111.
Erminia flieht, die Arme; durch die Fluren
Jagt, flücht'gen Hufs, mit ihr das schnelle Roß.
Die Andre flieht ihr nach, und ihren Spuren
Folgt jener Wilde mit dem ganzen Troß.
Die Nachricht, die sie leider nicht erfuhren,
Bringt jetzt zu spät der gute Kriegsgenoß;
Noch ungewiß, folgt er den flücht'gen Frauen,
Und so zerstreut die Furcht sie durch die Auen.
112.
Der andre Bruder, klüger von Betragen,
Der auch die fälschliche Clorinde sah,
Bleibt in der Stellung, ohn' ihr nachzujagen,
Denn jenem Vorgang war er minder nah.
Doch läßt er gleich die Kund' ins Lager sagen:
Kein Rinderzug noch Wollenvieh sei da,
Noch andre Beute sonst; vielmehr befinde
Sich vor dem Bruder auf der Flucht Clorinde.
113.
Und könn' er die Besorgniß nicht verhehlen,
Daß sie, die anführt, nicht bloß kämpft im Streit,
Nicht solche Zeit zum Auszug werde wählen
Um einen Anlaß sonder Wichtigkeit.
Doch Gottfried mög' entscheiden und befehlen,
Ihm zu gehorchen sei er stets bereit.
Die Nachricht kommt ins Lager, und erfahren
Wird sie zuerst von den Lateinerschaaren.
[202]
114.
Tancred, vorhin von Zweifeln noch beklommen,
Denkt, da die neue Botschaft ihm gebracht:
Sie ist zu mir gefällig hergekommen,
Für mich in Noth; nichts weiter wird bedacht.
Nachdem er einen Theil der Wehr genommen,
Steigt er zu Roß, eilt fort in stiller Nacht
Und jagt es, achtsam auf die neuen Spuren,
Im allerschnellsten Lauf durch Thal und Fluren.
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