Zweikampf

[641] Sie wollen mich, Verehrtester, befragen,

Wie ich mich eigentlich zum Zweikampf stelle?

Nun ja, ich sag' es rund heraus, ich schätze

Als Mensch von guter Bildung die Duelle.


Sie murmeln etwas vom Gebote Gottes?

Und daß geschrieben steht: Du sollst nicht töten?[641]

Die Hand aufs Herz, mein Bester, ohne Pathos,

Macht der Appell an Gott Sie nicht erröten?


Gebote Gottes! Unsre frommen Priester,

Die immer feine Unterschiede machten,

Sie sprechen je nachdem vom Gott des Friedens

Und von dem höchsten Lenker blut'ger Schlachten.


Es geht von alters her in Gottes Namen

Das herdenweise Morden, Sengen, Schinden.

Warum nicht, wenn sich zwei das Fell durchlöchern?

Läßt sich dafür kein frommes Sprüchlein finden?


»Du sollst nur töten, wenn die Fürsten pfeifen,«

Steht so geschrieben in der Christen Lehre?

Und dann, mein Herr, Sie dürfen nicht vergessen,

Das Höchste, was der Mensch hat, ist die Ehre!


Sie ist es wert, daß wir für sie das Leben

Und Gut und Blut und alles daran setzen.

Worin sie liegt? Das weiß kein Mensch zu sagen,

Man kennt sie erst, wenn andre sie verletzen.


Und wer sie hat? Das läßt sich nicht erklären;

Nur wer sie nicht hat, kann ich Ihnen sagen:

Die sich und andern täglich Brot verdienen

Und von der Arbeit wüste Schwielen tragen.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 641-642.
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