Neue Zeit

[697] War es früher endlich Feierabend,

Ging man, gründlich von der Arbeit satt

Und behaglich seine Ruhe habend,

Auf dem Bürgersteige durch die Stadt.


Vom Geschäftlichen sich abzulenken,

Nahm man sich was Allgemeines vor,

Oder auch begann man nachzudenken

Über nichts, und sah dabei empor.


Frei im Äther ließ der Blick sich schweifen,

Nirgends stieß er auf ein Hindernis,

Wenn nicht etwa im Vorüberstreifen

Eine Schwalbe hoch herunterschiß.


Aber jetzt, wo eben der Propeller

Durch die Abendwolke wütend saust,

Geht man ängstlich und aus Vorsicht schneller,

Weil es einen unwillkürlich graust.


Aus der Welt entfloh uns das Behagen,

Das Idyll ist im Benzin ertränkt;

Oben Flieger, unten Autowagen!

Wer die Ruhe liebt, ist tief gekränkt.

Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 6, München 1968, S. 697.
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