Freude

[186] Wie über Matten

Die Wolke zieht,

So auch der Schatten

Vom Leben flieht.


Die Jahre eilen,

Kein Stillestand,

Und kein Verweilen,

Sie hält kein Band.


Nur Freude kettet

Das Leben hier,

Der Frohe rettet

Die Zeiten schier.
[187]

Ihm sind die Stunden

Was Jahre sind,

Sind nicht verschwunden

Wer so gesinnt.


Ihm sind die Küsse

Der goldne Wein

Noch 'mal so süße

Im Sonnenschein.


Ihm naht kein Schatten

Vergänglichkeit,

Für ihn begatten

Sich Freud' und Zeit.


Drum nimm die Freude

Und sperr' sie ein,

Dann müßt ihr beide

Unsterblich sein.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 2, Heidelberg 1967, S. 186-188.
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