Geistergespräch

[49] Melida.


Wohin seid ihr entschwunden,

Ihr lieblichen, dämmernden Gestalten?

Bin ich allein erschienen? –

Vernehmt ihr nicht in euren Hainen,

Auf euren lichten Gewölken,

Im duftenden Schooß der Blumen,

Die süßen Töne, die euch rufen?


Schwebt auf lichtem Glanzgefieder

Her aus euren Felsenklüften,

Unter süßen Blumendüften

Sinkt aus bunten Wolken nieder!


[50] Chor von Sylphen und Sylphiden.


Wir kommen, wir kommen,

Wir haben vernommen,

In hohen Lüften,

In Felsenklüften,

Im einsamsten Thal,

Was der Herrscher befahl.


Chor der Geister.


Uns Sylphen und Sylphiden,

Mit buntem, gaukelndem Sinn,

Entfliehn im ew'gen Frieden,

Von Mensch und Welt geschieden,

Die tanzenden Stunden dahin.


Wir schwärmen im Hain,

Im Abendschein,

Und schlafen im Dunkeln,

Wenn Sterne funkeln,

In Büschen ein:[51]

Und die düstern

Wipfel flüstern

Schlafgesang. –


Im leuchtenden Morgenstrahle

Küßt der Sylphe der Sylphide,

Im blühenden Thale,

Den letzten Schlaf vom Augenliede.

Still und rein,

Wie Mondenschein,

Leuchtet uns die holde Liebe!

Liebe! Liebe! holde Liebe!


Ariel kömmt.


Welche Töne flüsterten durch das Gebüsch?

Welch leiser, lieblicher Nachhall zieht

So wonniglich durch die wankenden Blumen hin? –

Welche frohe Ahndung erfüllt mein Herz? –

O kehrt zurück mit euren Gesängen![52]

Und singt mir Trost,

Und singt mir Muth

In meine leere Seele! –

Ich irre rastlos,

Durch Busch, durch Thal,

Erklimme Felsen,

Und strecke mit pochender Brust

Die Arme sehnsuchtsvoll

Dem Frühlingsschein entgegen:

Doch abgewandt entfliehn die Freuden, –

Wohin ich wandle,

Neigt sich die lachende Rose abwärts,

Der Hain rauscht ernster,

Und seine bunten Sänger werden stumm.


Ach! wann wird doch enden

Die Sehnsucht, die mich quält?

Und welcher Gott kann senden,

Was diesem Herzen fehlt?


[53] Das Chor (in der Ferne).


Liebe! Liebe! holde Liebe!


Ariel.


Ha! enthüllet

Und gestillet

Ist dem Bangen

Sein Verlangen!

Liebe, Liebe fehlte meinem Herzen,

Darum, darum fühlt' ich diese Schmerzen. –

Die Götter enden,

Und schenken Ruh,

Die Güt'gen senden

Dem Armen die Geliebte zu!


(Melida kömmt ihm entgegen.)


Ariel.


O seel'ger seel'ger Augenblick!

Es ist gelungen,

Nun hab' ich errungen

Des Lebens wonnevolles Glück!


[54] Melida.


Ich drücke dich hier an mein Herz,

Daß ich ihn mindre,

Und kosend dir lindre

Den unglückseel'gen, bangen Schmerz.


Ariel.


Es öffnet pochend sich die Brust

Dem schönsten Glücke.


Melida.


Geliebter, ich drücke

Ans Herz dich nun mit Götterlust.


Beide.


Ha! wie Entzücken

Aus deinen Blicken

Zu meinem Geiste spricht!

Wahrlich, ich neide[55]

Den Göttern die Freude

Des Himmels nicht!


Chor der Geister.


Des Lebens May

Ist Lieb' allein:

Sie wandelt neu

Den grünen Hain;

Ihr Frühlingsschein

Lockt aus den Zweigen

Die Blüthen hervor;

Da endet das Schweigen,

Ein lautes Nachtigallenchor

Begrüßt den Lenz; die Wipfel neigen

Mit stiller Andacht sich hernieder,

Und säuseln in die süßen Lieder.


Wollüst'ge Töne schleichen

Durch Wälder, über'n Felsenhang,

Und tausendjähr'ge Eichen[56]

Stimmen in den jauchzenden Rundgesang.

Der Chorgesang schallt

Durch Thal und Flur,

Ueber die Felsen, dahin durch den Wald;

Laut klingen alle Saiten der Natur!

Und alles tönt in Einem allmächtigen Klang

Der hohen Liebe Lobgesang! –

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 3, Heidelberg 1967, S. 49-57.
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