Ostern

[206] Endlich ist der Schmerz gelößt,

Und in Thränen der Rührung

Badet die Freude den jungen Fittig,

Und schwingt sich jubelnd der ewigen Liebe entgegen.

Kein Herz, das nicht schneller klopfte,

Kein Auge, das nicht heller glänzte.


Nur wer es empfand und lebte

Kann es wissen und aussagen,

In welche Wonne, in welche seel'ge Leiden,

Die Kunst vereint, verbrüdert,

Die Seele tauchte.

Wie das große, edle Gebäu,

Von den hehren Wänden die Bilder gottbegeistert,

In der Luft die Musik sich wiegend,[207]

Alle Töne Engel,

Die Farbenschöpfung Himmel,

Das irdische Herz erfaßten,

Gefangen führten,

In Leid verklärten,

Zur Lust neu schufen.


Endlich klingt der Trompetenton,

Der Kanonendonner hallt,

Das Bild am Altar ist frei,

Das Te-Deum erschallt,

Und die Auferstehung wird verkündigt.


Draussen segnet der fromme Greis

Die Tausende, die unter ihm knien,

Vom blauen Himmel bedeckt,

Vom Frühling mild gestärkt.


Ja wohl bist du, Rom,

Noch heut die Königin der Welt.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 3, Heidelberg 1967, S. 206-208.
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