[197] Burg Marlof.
Ritter Hans von Marlof; Brigitte, seine Tochter.
BRIGITTE. Aber Ihr kehrt doch bald zurück, lieber Vater?
HANS. Sobald es das Zeremoniell, der Wohlstand, die Ehre erlaubt, Kind. Es ist keine Kleinigkeit, meine Tochter; Agnes ist meine Pate, und Peter Berner, ein angesehener Rittersmann, wirbt um sie, und das muß ich jetzt, verstehst du[197] mich, vollends zustande bringen. Der Ritter hat sich noch nicht völlig erklärt, aber mir ein Sendschreiben zugesandt, worin er um mein Fürwort bei dem Fräulein und den Gebrüdern höflichst ansucht.
BRIGITTE. Mir ist bange, daß Ihr mich so allein laßt.
HANS. Dir sollte nicht bange sein, meine Tochter, denn mein Segen bleibt bei dir zurück. – Bleib nur fein fleißig in deinen Zimmern, ich habe auch dem alten Kaspar schon Aufträge darüber gegeben, er ist ein alter und ein überaus verständiger Mann. Geh also nicht aus, mein Kind, denn man kann manchmal nicht wissen, wie Unglück entsteht, es ist oft früher da, als wir es gewahr werden, und indem wir es gewahr werden, ist es gewöhnlich unmöglich, es zu vermeiden. Siehe, so lauten meine Grundsätze darüber!
BRIGITTE. Aber in den Burggarten darf ich doch kommen?
HANS. Das wird dir immer unverwehrt bleiben, meine Tochter, denn dort bist du völlig gesichert, dort kann dir niemand etwas anhaben. Ich bin sonst schon alt und schwach, aber ich habe denn doch die Vorsicht eines Vaters, und eine solche Vorsicht sieht weit; wenn ich aber abwesend bin, mußt du selbst hübsch vorsichtig sein.
BRIGITTE. Ich will es gewiß.
HANS. Der Leopold von Friedheim, er hat dir schon einigemal nachgestellt, hüte dich besonders vor ihm.
BRIGITTE. Warum? Ich sollte meinen, daß ich mich vor dem nicht zu hüten brauchte.
HANS. Du liebe Einfalt, gerade am meisten, Kind. Ja, was sag' ich, am meisten? Am allermeisten! – Du liebst ihn doch nicht? Du hast ihm doch nicht dein Herz gegeben? – Denn du weißt, daß diese Heirat gegen meinen Willen wäre.
BRIGITTE. Ach, lieber Vater, wie sollt' ich jemand anders lieben als Euch?
HANS. Ich will dir glauben, denn du hast mich noch nie betrogen. – Nun, so lebe denn wohl, meine Tochter, ich weiß nichts mehr, was ich dir noch sagen könnte. – Bleibe immer gehorsam, folgsam gegen deinen Vater, und es wird dir immer wohl auf Erden gehn.
BRIGITTE. Lebt wohl. Sie umarmen sich. Kaspar tritt auf.
HANS. Kaspar!
HANS. Kaspar, ist mein Pferd nunmehr bereit? Ist alles im gehörigen Zustande?
KASPAR. Ja, Herr.
HANS. Und sind alle die nötigen Sachen eingepackt? Und daß[198] nichts versehrt wird, wenn es etwa regnen sollte? Die goldnen Strumpfbänder, die seidenen Bänder? Die Gedichte?
KASPAR. Hab' alles selbst besorgt, Herr.
HANS. Nun, dann ist es gut. – Du hast die Schlüssel zu der ganzen Burg, Kaspar.
KASPAR. Ja, Herr.
HANS. Und du hast versprochen, auf meine Tochter ein wachsames Auge zu haben.
KASPAR. Das hab' ich, Herr.
HANS. Nun, so kann ich denn in Gottes Namen abreisen. – Das Abreisen wird mir doch sauer, Kaspar.
KASPAR. Ihr seid lange nicht aus Eurem Schlosse gekommen, Herr.
HANS. Sollt's das wohl sein, Kaspar? Mir ist so trübe vor den Augen.
KASPAR. Ihr seid gleichsam hier ganz eingerostet, Herr.
HANS. Und du glaubst an keine bösen Ahnungen, Kaspar?
KASPAR. Man kann eben nicht wissen, wie es damit ist, und darum glaub' ich halt nicht daran, Herr. Seht, das ist so mein Grundsatz darüber.
HANS. Hast recht, Kaspar, wenn man es sich genau überlegt. – Nun, so lebt wohl. – Ade, meine Tochter, denk fleißig an meine Lehren. – Komm, Kaspar, hilf mir zu Pferde. Sie gehen beide ab.
BRIGITTE allein. Vor Leopold soll ich mich hüten? – Nun, denn muß man sich gewiß vor allen Menschen hüten, denn er ist doch so gut und so unschuldig. Aber das Alter sieht alles mit ändern Augen an, und die Jugend weiß darüber nicht, was sie denken soll. Kaspar kommt zurück.
KASPAR. Nun, Fräulein, der alte Herr ist fort, ich soll auf Euch ein wachsames Auge haben.
BRIGITTE. So hat der Vater gesagt.
KASPAR. Es ist ein leichter Auftrag und ein schwerer, je nach dem Ihr es anfangen wollt.
BRIGITTE. Sei unbesorgt, Kaspar. Ein Knecht kommt.
KNECHT. Ein fremder Mann ist vor dem Tore.
KASPAR. Wer ist er? Was will er?
KNECHT. Ein Wandersmann, und da er müde und hungrig ist und sich weit und breit kein Schloß und Kloster findet, so bittet er, daß er sich hier erquicken dürfe.
KASPAR. Ich will ihn sehn. – Fräulein, wollt Ihr nicht auf Euer Zimmer gehn? Ab mit dem Knecht.
BRIGITTE. Ich bliebe gern, um den Fremden zu sehn, es kommen[199] gar wenig Fremde in die alten Mauern dieses Schlosses – aber ich glaube, es ziemt sieh nicht, und da ist es denn doch besser, daß ich gehe. Ab.
Leopold von Friedheim, als Minnesänger; Kaspar.
KASPAR. Wer seid Ihr, Eures Standes nach?
LEOPOLD. Ein armer Sänger, der den Leuten durch Lied und Spiel das Herz erfreut, der die Traurigen erheitert und die Fröhlichkeit der Glücklichen zu einer sanften Schwermut herabstimmt, damit sie auf die wahre Art glücklich sind. Ein armer Mann, ich habe mich auf meinem Wege verirrt, und da such' ich Schutz und Hilfe bei Euch.
KASPAR. Das muß sein, denn sonst liegt das Schloß hier so abseits, daß nur selten jemand einkehrt. – Nun kommt, ich will Euch eine Lagerstätte anweisen und dann Speise und Trank geben. Ab.
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