[231] Die Burg Friedheim.
Simon mit einer Fackel.
SIMON. Der Mond ist schon unter. – Er muß aufstehn, er mag wollen oder nicht, denn ich weiß es nun gewiß. – Er kann mir nun nichts mehr einwenden. Er pocht an eine Tür. Anton! Anton! Ermuntre dich!
ANTON inwendig. Wer ist da?
SIMON. Ich, Simon, dein Bruder, steh schnell auf, ich habe mit dir etwas Notwendiges zu sprechen.
ANTON. Stört dein Wahnsinn jetzt sogar die Ruhe der Mitternacht?
SIMON. Sprich nicht so, Bruder, es wird dich gereuen. – Ich glaube, er ist wieder eingeschlafen. – Auf! Auf! Ermuntre dich!
ANTON. Wirst du des Rasens nicht müde werden?
SIMON. Schimpfe, soviel du willst, nur steh auf. – Steh auf! Ich lasse dir doch nicht eher Ruhe, Bruder.
Anton tritt im Schlafkleide auf.
[231]
ANTON. Sage mir nur, was du willst.
SIMON. Bruder, ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können –
ANTON. Nun – ich schlief desto besser.
SIMON. Du siehst, daß jetzt meine Prophezeiungen oder Ahnungen, du magst es nennen, wie du willst, etwas mehr ein treffen als sonst.
ANTON. Deine Narrheit anzuhören, hab' ich also aufstehn müssen?
SIMON. Ich hab's vorhergesagt, daß unser Bruder die Tochter des Ritters Hans von Marlof entführt habe, und gestern abend war der alte Mann noch hier.
ANTON. Das konnte jedermann erraten.
SIMON. Und in dieser Nacht hab' ich unsre Schwester unaufhörlich weinen sehn, und ich habe mich beständig mit dem Blaubart herumgestochen.
ANTON. Und was folgt daraus?
SIMON. Sie ist in Lebensgefahr, ich versichere es dir, Bruder, der Blaubart ist ein Bösewicht, wie, kann ich nicht wissen, aber genug, daß er es ist. – Wenn aber nur die Möglichkeit nicht zu leugnen ist, so mußt du mich anhören, und die kannst du doch nicht leugnen, oder wenn du es tust, so bist du unsinnig.
ANTON. Gute Nacht, Bruder.
SIMON. Bruder, ist es nicht genug, daß du deine Schwester an einen solchen Verworfenen verschleudert hast? Willst du sie mm auch noch schändlicherweise in der höchsten Not ihres Lebens verlassen? Bist du bloß deswegen ihr Bruder, um ihr Verräter zu sein? – Anton, erweiche einmal dein brüderliches Herz, sie sieht jetzt vielleicht mit Sehnsucht aus dem Fenster des Schlosses nach der Gegend hierher, sie wünscht vielleicht, daß ihre tiefen Seufzer uns beide allgewaltig hinziehen könnten, sie klagt über uns. – Wir hätten sie überdies schon einmal besuchen sollen; – wir finden sie nachher vielleicht tot, blaß auf der Bahre ausgestreckt –
ANTON. Aber wie kommst du nur darauf?
SIMON. Meine ganze Phantasie ist von diesen betrübten Vorstellungen angefüllt; ich kann nichts Frohes denken und träumen; ich sinne nur Tod, ich habe keine Ruhe, bis ich diesen Peter mit dem Schwerte unter mich gebracht habe. – Komm, mich dünkt, ich höre unsre Schwester, so weit es auch ist. – Wie bald sind unsre Pferde gesattelt – wie bald können wir dort sein![232]
ANTON. Das Tollste bei der Tollheit, ist, daß sie vernünftige Menschen ansteckt.
SIMON. Du wirst sehn, daß ich mich nicht irre.
ANTON. Ich begreife selbst nicht, warum ich dir nachgebe.
SIMON. Zieh dich im, ich sattle indes die Pferde, diese Fackel leuchtet uns noch, bis die Sonne aufgeht. Nach verschiedenen Seiten ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Ritter Blaubart
|