[46] Nach dem Wiedersehen mit Pierre in Moskau reiste Fürst Andrei nach Petersburg, in Geschäften, wie er seinen Angehörigen sagte, aber in Wirklichkeit, um dort Anatol Kuragin zu treffen, was er für unumgänglich notwendig hielt. Aber Kuragin, nach dem er sich sogleich nach seiner Ankunft in Petersburg erkundigte, war nicht mehr dort. Pierre hatte seinem Schwager mitgeteilt, daß Fürst Andrei auf der Suche nach ihm sei, und Anatol Kuragin hatte sofort von dem Kriegsminister die Weisung erhalten, sich zur Moldau-Armee zu begeben, und war dieser Weisung nachgekommen. Zu derselben Zeit war Fürst Andrei in Petersburg mit seinem ehemaligen Chef Kutusow zusammengetroffen, der ihm immer freundlich gesinnt gewesen war, und dieser hatte ihm den Vorschlag gemacht, mit ihm zur Moldau-Armee zu gehen, zu deren Oberkommandierendem der alte General ernannt war. Nachdem Fürst Andrei seine Zuweisung zum Stab des Hauptquartiers erhalten hatte, reiste er nach der Türkei ab.
An Kuragin zu schreiben und ihm zum Duell zu fordern, hielt Fürst Andrei für unzweckmäßig. Da kein neuerer Grund zum Duell vorlag, so fürchtete Fürst Andrei, durch eine derartige Forderung die Komtesse Rostowa zu kompromittieren, und suchte deshalb eine persönliche Begegnung mit Kuragin, in der Absicht, dabei einen neuen Grund zum Duell zu finden. Aber auch bei der Moldau-Armee gelang es ihm nicht, Kuragin zu treffen, der, unmittelbar nachdem Fürst Andrei dort eingetroffen war, die Rückreise nach Rußland angetreten hatte.[46]
In dem neuen Land und in den neuen Verhältnissen wurde es dem Fürsten Andrei leichter, das Leben zu ertragen. Nach dem Treuebruch seiner Braut, der ihn um so tiefer schmerzte, je sorgfältiger er dessen Wirkung auf sein Gemüt vor allen zu verbergen suchte, war ihm die ganze Lebenssphäre, in der er so glücklich gewesen war, gar zu drückend geworden und noch drückender die Freiheit und Unabhängigkeit, die er früher so hoch geschätzt hatte. Er hing nicht mehr jenen früheren Gedanken nach, die ihm zum erstenmal gekommen waren, als er auf dem Schlachtfeld von Austerlitz zum Himmel emporblickte, und die er gern im Gespräch mit Pierre weiter verfolgt hatte, und mit denen er seine einsamen Stunden in Bogutscharowo und dann in der Schweiz und in Rom ausgefüllt hatte; ja er mied es sogar, sich an diese Gedanken zu erinnern, die ihm eine unendliche, helle Fernsicht erschlossen hatten. Ihn interessierten jetzt nur die nächstliegenden praktischen Beschäftigungen, die mit seinen früheren in keiner Verbindung standen, und nach diesen Beschäftigungen griff er mit um so größerer Gier, je weiter sie von seinen früheren ablagen. Es hatte sich gewissermaßen jenes endlose, ferne, ferne Himmelsgewölbe, das über ihm gestanden hatte, in ein niedriges, eng begrenztes, ihn erdrückendes Gewölbe verwandelt, in welchem zwar alles deutlich sichtbar war, aber nichts Ewiges, Geheimnisvolles Raum fand.
Von den Tätigkeiten, die sich ihm darboten, war der Militärdienst die einfachste und ihm vertrauteste. In der Stellung eines diensttuenden Generals im Stab Kutusows widmete er sich den Geschäften mit hartnäckigem Eifer und setzte Kutusow durch seine Arbeitslust und Sorgfalt in Erstaunen. Nachdem er Kuragin in der Türkei nicht gefunden hatte, hielt Fürst Andrei es nicht für notwendig, ihm wieder nach Rußland nachzujagen; aber soviel wußte er: mochte es auch noch so lange dauern, bis er Kuragin[47] traf – trotz aller Verachtung, die er gegen diesen Menschen hegte, und trotz aller Beweise, die er sich selbst gegenüber dafür vorbrachte, daß er sich nicht dazu herabwürdigen dürfe, ihm als Gegner gegenüberzutreten, werde er, wenn er ihn einmal träfe, einem inneren Zwang gehorchend ihn fordern, gerade wie ein Hungriger nicht anders kann als sich auf die Speise stürzen. Und dieses Bewußtsein, daß die Beleidigung noch nicht gerächt war, daß der Grimm noch keinen Ausbruch gefunden hatte, sondern ihm auf der Seele lastete, vergiftete dem Fürsten Andrei die künstliche Ruhe, die er sich bei einer mühevollen, anstrengenden und bis zu einem gewissen Grade ehrgeizigen, ruhmsüchtigen Tätigkeit in der Türkei zu eigen zu machen suchte.
Als im Jahre 1812 die Kunde von dem Krieg mit Napoleon nach Bukarest gelangte (wo Kutusow zwei Monate lang gewohnt und alle Tage und Nächte bei seiner Walachin zugebracht hatte), richtete Fürst Andrei an Kutusow die Bitte um seine Versetzung zur Westarmee. Kutusow, der Bolkonskis bereits überdrüssig geworden war, da dessen eifrige Geschäftigkeit gewissermaßen einen Vorwurf für seine eigene Untätigkeit bildete, entließ ihn sehr gern und gab ihm eine Überweisung an Barclay de Tolly mit.
Bevor Fürst Andrei sich zur Armee begab, die sich im Mai in einem Lager an der Drissa befand, fuhr er nach Lysyje-Gory heran, welches dicht an seinem Weg lag, da es nur drei Werst von der großen Smolensker Landstraße entfernt war. Die letzten drei Jahre hatten im Leben des Fürsten Andrei so viele Umwälzungen mit sich gebracht, er hatte so vieles durchdacht, empfunden und gesehen (er war im Westen und im Osten herumgekommen), daß er sich ganz sonderbar überrascht fühlte, als er bei der Einfahrt in Lysyje-Gory wahrnahm, daß hier das Leben genau so wie früher, bis auf die geringsten Einzelheiten genau ebenso dahinfloß. Als er in die Allee und in das steinerne Tor[48] einfuhr, da hatte er die Empfindung, als komme er in ein verzaubertes, schlafendes Schloß. Dieselbe Ehrbarkeit, dieselbe Sauberkeit, dieselbe Stille herrschte in diesem Haus wie ehemals: da waren noch dieselben Möbel, dieselben Wände, dieselben Geräusche, derselbe Geruch und dieselben furchtsamen Gesichter, nur daß diese etwas älter geworden waren. Prinzessin Marja war noch ganz dasselbe schüchterne, unschöne, alternde Mädchen, das in Furcht und steten seelischen Leiden, ohne Nutzen und Freude, die besten Jahre ihres Lebens hinbrachte. Mademoiselle Bourienne war dieselbe selbstzufriedene, kokette Person, die jede Minute ihres Lebens heiter ausnutzte und für ihre eigene Zukunft die fröhlichsten Hoffnungen hegte; nur war sie, wie es dem Fürsten Andrei vorkam, noch sicherer und zuversichtlicher in ihrem Auftreten geworden. Der Erzieher Dessalles, den er aus der Schweiz mitgebracht hatte, trug einen Rock nach russischem Schnitt und sprach unter arger Entstellung der Sprache russisch mit der Dienerschaft; aber er war immer noch derselbe mäßig kluge, gebildete, tugendhafte, pedantische Erzieher. Der alte Fürst hatte sich körperlich nur insofern verändert, als an der einen Seite des Mundes das Fehlen eines Zahnes zu bemerken war; geistig war er ganz derselbe wie früher; nur zeigte er sich noch jähzorniger und glaubte noch weniger an die Wirklichkeit dessen, was in der Welt vorging. Nur Nikolenka war gewachsen und hatte sich sehr verändert: er hatte rote Wangen und dunkles, lockiges Haar bekommen, und wenn er vergnügt war und lachte, so zog er, ohne es selbst zu wissen, die Oberlippe seines hübschen Mündchens genau ebenso in die Höhe, wie es die verstorbene kleine Fürstin getan hatte. Er war der einzige, der in diesem verzauberten, schlafenden Schloß dem Gesetz der Unveränderlichkeit nicht unterworfen war. Aber obgleich äußerlich alles beim alten geblieben zu sein schien, hatten sich doch die inneren Beziehungen aller[49] dieser Menschen während der Zeit, wo Fürst Andrei sie nicht gesehen hatte, gar sehr verändert. Die Hausgenossen hatten sich in zwei Lager geteilt, die einander fremd und feindlich gegenüberstanden und nur jetzt, solange Fürst Andrei da war, um seinetwegen ihre gewohnte Lebensweise änderten und sich miteinander vertrugen. Zu dem einen Lager gehörten der alte Fürst, Mademoiselle Bourienne und der Baumeister, zu dem andern Prinzessin Marja, Dessalles, Nikolenka und alle Kinderfrauen und Wärterinnen.
Während der Anwesenheit des Fürsten Andrei in Lysyje-Gory aßen alle Hausgenossen zusammen zu Mittag; aber allen war unbehaglich zumute, und Fürst Andrei fühlte, daß er ein Gast war, um dessentwillen eine Ausnahme gemacht wurde, und daß er alle durch seine Gegenwart genierte. Am ersten Tag war Fürst Andrei, der das unwillkürlich fühlte, beim Mittagessen schweigsam, und der alte Fürst, der wohl merkte, daß der Sohn sich nicht frei und natürlich gab, beobachtete gleichfalls ein mürrisches Stillschweigen und zog sich gleich nach Tisch wieder auf sein Zimmer zurück. Als Fürst Andrei am Abend zu ihm ging und, um ihn ein wenig anzuregen, von dem Feldzug des jungen Grafen Kamenski zu erzählen anfing, da begann der alte Fürst unerwarteterweise mit ihm von der Prinzessin Marja zu sprechen und schalt auf sie wegen ihres Aberglaubens und wegen ihrer Lieblosigkeit gegen Mademoiselle Bourienne, die nach seiner Behauptung die einzige war, die ihm eine treue Hingabe bewies.
Der alte Fürst sagte, wenn er krank sei, so sei daran nur Prinzessin Marja schuld; sie quäle und reize ihn absichtlich; auch verderbe sie den kleinen Fürsten Nikolai durch Verhätschelung und durch törichte Redereien. Der alte Fürst wußte sehr wohl, daß er seine Tochter quälte und daß diese ein sehr schweres Leben[50] hatte; aber er wußte auch, daß er nicht anders konnte als sie quälen, und war der Meinung, daß sie das verdiente. »Warum sagt denn Fürst Andrei, der doch sieht, wie es steht, mir nichts von seiner Schwester?« dachte der alte Fürst. »Was denkt er denn eigentlich? Daß ich ein Bösewicht oder ein alter Narr bin und mich ohne Grund von meiner Tochter abgewandt und diese Französin an mich herangezogen habe? Er hat kein Verständnis dafür, und darum ist es nötig, daß ich es ihm erkläre und er meine Gründe hört.« Und so begann er denn die Gründe darzulegen, weshalb er das verdrehte Benehmen seiner Tochter nicht ertragen könne.
»Wenn Sie mich fragen«, erwiderte Fürst Andrei, ohne seinen Vater anzusehen (es war das erstemal in seinem Leben, wo er seinem Vater sagte, daß er ihm unrecht gäbe), »– ich hatte nicht reden wollen, aber wenn Sie mich fragen, so will ich Ihnen über alles dies aufrichtig meine Meinung sagen. Wenn zwischen Ihnen und Marja Verstimmung und Entfremdung bestehen, so vermag ich ihr in keiner Weise die Schuld daran beizumessen; ich weiß, welche Liebe und Verehrung sie für ihren Vater fühlt. Wenn Sie mich fragen«, fuhr Fürst Andrei erregt fort, wie er denn in letzter Zeit immer leicht in Erregung geriet, »so kann ich nur das eine sagen: wenn eine Entfremdung besteht, so ist die Ursache davon das nichtswürdige Frauenzimmer, das nicht die Gesellschafterin meiner Schwester sein dürfte.«
Der Alte hatte anfangs seinen Sohn mit starren Augen angeblickt und beim Lächeln in einer unnatürlich wirkenden Weise die neue Zahnlücke sichtbar werden lassen, an deren Anblick Fürst Andrei sich noch nicht hatte gewöhnen können.
»Gesellschafterin? Gesellschafterin, mein Teuerster? He? Du hast schon mit deiner Schwester davon gesprochen? He?«
»Lieber Vater, ich wollte mich nicht zum Richter aufwerfen«,[51] erwiderte Fürst Andrei in bitterem, hartem Ton; »aber Sie haben mich aufgefordert, und daher habe ich gesagt und werde ich immer sagen, daß Prinzessin Marja keine Schuld trägt; die Schuld tragen ... die Schuld trägt diese Französin ...«
»Ach, er spricht mich schuldig ... spricht mich schuldig!« sagte der Alte leise und, wie es dem Fürsten Andrei schien, verlegen; aber dann sprang er plötzlich auf und schrie: »Hinaus, hinaus! Laß dich hier nicht wieder blicken ...!«
Fürst Andrei wollte sofort abreisen; aber Prinzessin Marja bat ihn, noch einen Tag zu bleiben. An diesem Tag bekam Fürst Andrei den Vater nicht zu sehen, der nicht aus seinem Zimmer ging und niemanden zu sich hereinließ als Mademoiselle Bourienne und Tichon und sich mehrere Male erkundigte, ob sein Sohn schon abgereist sei. Am andern Tag ging Fürst Andrei vor seiner Abreise in die Zimmer seines Sohnes. Er nahm den frischen, gesunden Knaben, der von seiner Mutter das lockige Haar hatte, auf den Schoß und begann ihm das Märchen von Blaubart zu erzählen, versank aber, noch ehe er die Erzählung zu Ende geführt hatte, in seine Gedanken. Während er sein nettes Söhnchen auf dem Schoß hielt, dachte er nicht an das Kind, sondern an sich selbst. Er suchte in seinem Innern ein Gefühl der Reue darüber, daß er seinen Vater erzürnt hatte, ein Gefühl des Bedauerns darüber, daß er (zum erstenmal in seinem Leben) in Unfrieden von ihm ging, und gewahrte mit Schrecken, daß diese Gefühle in ihm nicht vorhanden waren. Und das Wichtigste war ihm, daß er auch die frühere Zärtlichkeit gegen seinen Sohn vergeblich in sich suchte, die er dadurch, daß er den Knaben liebkoste und auf den Schoß nahm, in sich zu erwecken gehofft hatte.
»Aber erzähle doch weiter!« sagte der Kleine.[52]
Fürst Andrei hob ihn, ohne zu antworten, von seinem Schoß herunter und ging aus dem Zimmer.
Sowie Fürst Andrei seine tägliche Beschäftigung aufgegeben hatte, und namentlich sowie er wieder in die früheren Lebensverhältnisse eingetreten war, in denen er damals gelebt hatte, als er noch glücklich war, hatte ihn sogleich wieder der Lebensüberdruß mit der alten Kraft gepackt, und er beeilte sich nun, möglichst schnell von diesen Erinnerungen wegzukommen und recht bald wieder eine Tätigkeit für sich zu finden.
»Wirst du wirklich abreisen, Andrei?« fragte ihn seine Schwester.
»Gott sei Dank, daß ich fort kann«, erwiderte Fürst Andrei. »Es tut mir sehr leid, daß du es nicht kannst.«
»Warum redest du so!« rief Prinzessin Marja. »Warum redest du so, jetzt, wo du in diesen schrecklichen Krieg gehst und der Vater so alt ist! Mademoiselle Bourienne sagt, er habe nach dir gefragt ...«
Sobald sie hiervon zu sprechen anfing, begannen ihre Lippen zu zittern und die Tränen zu fließen. Fürst Andrei wendete sich von ihr ab und ging im Zimmer hin und her.
»Ach, mein Gott! Mein Gott!« sagte er. »Und wenn man bedenkt, wodurch und durch wen ... durch was für nichtswürdige Kreaturen Menschen unglücklich gemacht werden können!« stöhnte er mit einem Ingrimm, über den Prinzessin Marja erschrak.
Sie verstand, daß er mit den nichtswürdigen Kreaturen nicht nur Mademoiselle Bourienne meinte, durch die sie unglücklich geworden war, sondern auch den Mann, der ihm sein Glück zerstört hatte.
»Andrei, um eines bitte ich dich, flehe ich dich an«, sagte sie, indem sie seinen Ellbogen berührte und ihn mit leuchtenden Augen durch ihre Tränen hindurch anblickte. »Ich verstehe dich« (Prinzessin Marja schlug die Augen nieder). »Glaube nicht, daß[53] Menschen dir Leid bereitet haben. Die Menschen sind nur Seine Werkzeuge.« Sie blickte ein wenig über den Kopf des Fürsten Andrei hinweg, mit dem sicheren, gewohnten Blick, mit dem man nach dem bekannten Platz eines Porträts hinsieht. »Das Leid kommt von Ihm, nicht von Menschen. Die Menschen sind nur Seine Werkzeuge; sie tragen keine Schuld. Wenn es dir scheint, daß sich jemand gegen dich vergangen hat, so vergib und vergiß. Wir haben kein Recht zu strafen. Dann wirst du die Wonne des Verzeihens kosten.«
»Wenn ich ein Weib wäre, so würde ich das tun, Marja. Das ist eine Tugend für Frauen. Aber ein Mann kann und soll nicht vergeben und vergessen«, erwiderte er, und obwohl er bis zu diesem Augenblick nicht an Kuragin gedacht hatte, stieg plötzlich der ganze noch nicht durch Rache gestillte Ingrimm in seinem Herzen wieder in die Höhe.
»Wenn Prinzessin Marja mir schon zuredet, zu verzeihen«, dachte er, »so folgt daraus, daß ich ihn schon längst hätte bestrafen müssen.« Und ohne ihr zu antworten, malte er sich jetzt den frohen, furchtbaren Augenblick aus, wo er mit Kuragin zusammentreffen werde, der, wie er wußte, sich bei der Armee befand.
Prinzessin Marja bat ihren Bruder inständig, doch noch einen Tag zu warten; sie sagte, sie wisse, wie unglücklich der Vater sein werde, wenn Andrei abreise, ohne sich mit ihm versöhnt zu haben; aber Fürst Andrei erwiderte, er werde wahrscheinlich bald wieder von der Armee zurückkommen; jedenfalls werde er an den Vater schreiben; je länger er jetzt noch bliebe, um so mehr werde sich der Zwist verschärfen.
»Adieu, Andrei. Halte dir gegenwärtig, daß das Leid von Gott kommt und die Menschen nie daran schuld sind«, das waren die letzten Worte, die er von seiner Schwester hörte, als er von ihr Abschied nahm.[54]
»Ja, so muß es zugehen!« dachte Fürst Andrei; als er aus der Allee von Lysyje-Gory hinausfuhr. »Sie, dieses schuldlose, bedauernswerte Wesen, bleibt den Peinigungen des geistesschwach gewordenen alten Mannes ausgesetzt. Dieser selbst fühlt, daß er sich versündigt, ist aber nicht imstande sich zu ändern. Mein Knabe wächst heran und freut sich seines Lebens, in welchem er ein ebensolcher Mensch werden wird wie alle: ein Betrüger oder ein Betrogener. Ich reise zur Armee, ich weiß selbst nicht, warum, und wünsche jenen von mir verachteten Menschen zu treffen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mich zu töten und sich über mich lustig zu machen!« Die Lebensverhältnisse des Fürsten Andrei waren früher dieselben gewesen; aber damals hatten sie alle unter sich eine Verbindung und einen Zusammenhang gehabt, jetzt war alles auseinandergefallen. Nur sinnlose Erscheinungen ohne alle Verknüpfung boten sich eine nach der andern seinem geistigen Auge dar.
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