Prolet vor Gericht

[132] Stehst du in dem Menschenschrank?

Die da wolln dich strafen.

Du bist müde, bleich und krank;

die sind voller Tatendrang,

satt und ausgeschlafen.

Zum Justizwerk, wohl vertraut,

wird man sich vereinen:

Junge! Wehr dich deiner Haut!

Dreie gegen einen!


Der Direktor, fein mit Ei,

hackt mit kurzen Fragen.

Auf die schlimmste Pflaumerei

darfst du gar nichts sagen.

Spitzel kann mit Vorbehalt

unter Schutz erscheinen.

Protokoll und Staatsanwalt:

Fünfe gegen einen!


Staatsanwalt und Plädoyer,

Kommst du noch nach Hause?

Antrag. Die Justiz-AG

macht erst Frühstückspause.[132]

Vier Jahr Zuchthaus.

»Abführn den . . . !«

Leis zwei Frauen weinen.

Wirst du je sie wiedersehn?

Alle gegen einen –!


In Zellen bricht man euer Leben

für etwas, das ihr niemals saht:

Für Freiheit müßt ihr Tüten kleben,

ein jeglicher ein Volkssoldat.

Herauf ihr! Aus den Kohlenzechen!

Baut in Betrieben Stein auf Stein!

Es kommt der Tag, da wir uns rächen:

Da werdet ihr die Richter sein –!


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 02.06.1925, Nr. 22, S. 800, wieder in: Deutschland, Deutschland.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 4, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 132-133.
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