Berolina . . . Claire Waldoff

[171] Bei mir – bei mir –

da sind sie durchgezogen:

die Lektrischen, der Omnibus, der Willy mits Paket.

Und eh – se hier

schnell um de Ecke bogen,

da ham se 'n kleenen Blick riskiert, ob SIE noch oben steht.

Nu stelln die Hottentotten

mir in ein Lagerhaus;

ick seh mank die Klamotten

noch wie Brünhilde aus . . .

Ick stehe da und streck die Hand aus –

der Alexanderplatz, der is perdü!

Ick seh noch imma 'n Happen elejant aus,

Ick hab nur vorne hab ick zu viel Schüh . . . !

Ick laß se alle untern Arm durchziehn –:

ick bindet Wappen von die Stadt Berlin –!


Bei mir – bei mir –

da denk ick: Nu verzieht ich!

Mit meine Würde paß ick nich – in den modernen Schwof.

Denn fier – Berlin

da war ick jrade richtich:

pompös, verdreckt un anjestoobt und hinten 'n bisken doof.

Nu blasen die Musieker,

geschieden, das muß sein . . .

sogar die Akademieker,

die setzen sich für mir ein . . .

Ich stehe da und streck die Hand aus;

der Alexanderplatz, der is perdü!

Ick seh noch alle Tage elejant aus –

ick hab nur vorne hab ick zu viel Schüh!

Nu muß ick jehn. Nu wert a balde lesen:

Mir hamse injeschmolzn. Laßt ma ziehn!

Ick hab euch jern. Es wah doch schön jewesen:

als Wappen von die olle Stadt Berlin –!


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 27.08.1929, Nr. 35, S. 319.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 7, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 171.
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