Lied eines Armen

[13] Ich bin so gar ein armer Mann

Und gehe ganz allein.

Ich möchte wohl nur einmal noch

Recht frohen Mutes sein.
[13]

In meiner lieben Eltern Haus

War ich ein frohes Kind,

Der bittre Kummer ist mein Teil,

Seit sie begraben sind.


Der Reichen Gärten seh ich blühn,

Ich seh die goldne Saat:

Mein ist der unfruchtbare Weg,

Den Sorg und Mühe trat.


Doch weil' ich gern mit stillem Weh

In froher Menschen Schwarm

Und wünsche jedem guten Tag,

So herzlich und so warm.


O reicher Gott! du ließest doch

Nicht ganz mich freudenleer:

Ein süßer Trost für alle Welt

Ergießt sich himmelher.


Noch steigt in jedem Dörflein ja

Dein heilig Haus empor;

Die Orgel und der Chorgesang

Ertönet jedem Ohr.


Noch leuchtet Sonne, Mond und Stern

So liebevoll auch mir,

Und wann die Abendglocke hallt,

Da red ich, Herr, mit dir.


Einst öffnet jedem Guten sich

Dein hoher Freudensaal,

Dann komm auch ich im Feierkleid

Und setze mich ans Mahl.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 13-14.
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