Entschluß

[22] Sie kommt in diese stillen Gründe,

Ich wag es heut mit kühnem Mut.

Was soll ich beben vor dem Kinde,

Das niemand was zu Leide tut?


Es grüßen alle sie so gerne,

Ich geh vorbei und wag es nicht;

Und zu dem allerschönsten Sterne

Erheb ich nie mein Angesicht.


Die Blumen, die nach ihr sich beugen,

Die Vögel mit dem Lustgesang,

Sie dürfen Liebe ihr bezeugen;

Warum ist mir allein so bang?
[22]

Dem Himmel hab ich oft geklaget

In langen Nächten bitterlich;

Und habe nie vor ihr gewaget

Das eine Wort: ich liebe dich!


Ich will mich lagern unterm Baume,

Da wandelt täglich sie vorbei;

Dann will ich reden als im Traume,

Wie sie mein süßes Leben sei.


Ich will – o wehe! welches Schrecken!

Sie kommt heran, sie wird mich sehn;

Ich will mich in den Busch verstecken,

Da seh ich sie vorübergehn.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 22-23.
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