[155] München. Saal im Schlosse.
Ludwig und der Burggraf treten im Gespräch auf.
LUDWIG.
Und welchen Eindruck macht der Kirchenfluch,
Den unter schnödem Vorwand Papst Johann
Auf mich gelegt?
BURGGRAF.
Die Schwachen sind geschreckt;
Doch eine Wache mächt'ger Geister steht
An Eurer Seite: was Johann von Gent,
Was Wilhelm Occam, was Marsilius schreibt,
Es greift um sich das freie Wort, und weit
Wird es noch wirken in der Zeiten Lauf.
Mit Recht hat Occam einst zu Euch gesagt:
»Schützt mich dein Schwert, so schützet dich mein Wort.«
Die kräftige Berufung auch, die Ihr,
Erlauchter Herr, ins Reich ergehen ließet,
Hat manchen Zweifel siegreich weggeräumt.
Zumal die Städte sind im Eifer stark:
Zu Regensburg, zu Landshut, wie Ihr wißt,
Versagte man den widerspenst'gen Brüdern
Das Opfer, bis der Hunger sie bewog,
Das heil'ge Amt zu halten nach Gebühr;
Zu Straßburg griff das Volk den Pred'germönch,
Der an die Kirchentür den Bannbrief schlug,
Und stieß ihn nieder in des Rheines Tiefen.
LUDWIG.
Den Eifer lob ich, aber nicht die Tat;
Doch gleicher Sinn belebt die Fürsten nicht:
Sie wanken. Was zu Rhense jüngst geschah,
Wißt Ihr Bescheid darüber?
BURGGRAF.
Leopold,
Die Vorhand nutzend, die ihm der Entsatz
Von Burgau gab, berief sogleich nach Rhense
Die Unzufriednen. Frankreichs und des Papsts
Gesandte, stets zu unsrem Unheil wach,
Erschienen, und gehandelt ward, daß Karl
Von Frankreich sollte Deutschlands König sein.
Da trat ein Mann hervor, Berthold von Bucheck,
Vom deutschen Haus zu Koblenz Kommentur,
Und edeln Zornes sprach er: »Wollt ihr den[156]
Zum König, der nicht unsre Sprache spricht
Noch die Gewohnheit unsres Lebens teilt?
Wenn Ludwig weichen soll, ist Deutschland jetzt
So arm an Männern, daß ihr auswärts blickt?«
Sie schwiegen, die Versammlung war gelöst.
LUDWIG.
Der hat gesprochen, wie ein Deutscher soll.
Ich muß ihn rühmen, wie es auch mich kränket,
Daß solche Männer meine Gegner sind.
BURGGRAF.
Die für Euch stehen, sind sie schlechtrer Art?
LUDWIG.
Die Guten kenn ich, und vor allen du,
Mein treuer Zollern, führst mit vollem Recht
Die Säul im Wappen, denn du bist bewährt
Als eine feste Säule meines Throns.
Auf deine Schulter lehn ich mich auch jetzt,
Und dir, dem Freunde, will ich anvertraun,
Was ich vor andern tief verschweigen muß:
Ja, wiß es! Seit der unglücksel'gen Stunde,
Da du in meine Halle tratst und mich
Zum Thron beriefest, ist kein froher Tag
Mir noch geworden, und des Sieges selbst,
Des heißerkämpften, hatt ich nicht Gewinn.
Der Feinde hab ich mehr noch als zuvor;
Die Kampfgenossen reißen gierig mir
Am Siegeskranz, und jeder will sein Teil;
Wer nicht bei mir den eignen Zweck erreicht,
Der kehrt sich ab und sucht ihn anderwärts.
Und der Gefangene, was hilft er mich?
Er ist mir, was dem Geizigen sein Schatz:
Ein freudenlos gefährlicher Besitz,
Des Tages Sorge und die Qual der Nacht.
O Zollern, Gutes kam mir stets von dir,
Nur damals nicht, als du die Königskrone
Mir aufludst. O wie oft schon sann ich nach,
Mich zu entlasten des unsel'gen Schmucks!
Ausbieten möcht ich sie der Welt und rufen:
»Will einer friedlos sein, der nehme hin!«
Ich weiß, was du mir sagen willst; ich weiß,
Jetzt eben in den Tagen der Gefahr
Und der Bedrängnis, die mich neu umgibt,
Die ich in deiner Tröstung selbst erkannt,
Darf ich nicht weichen und nicht lässig sein.[157]
Auch reift in mir seit kurzem ein Gedanke,
Davon du hören solltest, sah ich nicht
Die Ritter dort sich meiner Schwelle nahn.
Albrecht von Rindsmaul mit einigen Rittern wird in der Galerie gesehn.
Herein, ihr Herrn!
Sie treten ein.
Ihr seid ein seltner Gast,
Herr Albrecht! Seid von Herzen mir willkomm!
ALBRECHT.
Erlauchter Herr, ein böser Handel ist's,
Was diesmal mich nach München führt: man will
Mir an die Ehre tasten.
LUDWIG.
Wer will das?
ALBRECHT.
Entrüstet Euch darüber nicht! Ich hoff,
Es wird sich geben, wenn Ihr mich gehört.
LUDWIG.
Ich höre.
ALBRECHT.
Als wir in der Winterzeit
Vor Burgau lagen und mit wenigem
Erfolg das Sturmzeug um die Mauern stellten,
Da fror es manchen Ritter in die Zehe,
Und mißgemut darüber drohten sie,
Wenn in drei Tagen nicht das Tor sich öffne,
So gelt es des gefangnen Friedrichs Haupt.
Drei Tage schwanden und noch drei dazu,
Wir lägen, glaub ich, noch vor Burgaus Feste,
Hätt uns nicht Leopold den Weg gezeigt.
Nun biß es unsern Rittern weidlich aus,
Daß sie umsonst gedroht, und Leopold,
Der böse Spötter, sprach: »Es hat nicht not:
Der König Ludwig kann das Blut nicht sehn.«
Die Ritter murrten: »Kann er doch das Blut
Der Bayer sehn, das täglich für ihn fließt!
Warum nicht Friedrichs? Sollt ihm's wirklich so
Am Lösegeld gelegen sein, daß er
Um dessenthalb des Feindes Leben fristet
Und unsres opfert? Ward denn Friedrich nicht
Auf offner Tat ergriffen als ein Feind
Des rechten Königs und des Reichs? Warum
Soll er nicht bluten und durch seinen Tod
Uns Frieden schaffen?« Also murmeln sie,[158]
Und weil auch mir, dem Friedrich sich ergab,
Ein Teil des Lösegelds gebühren würde,
So werfen sie mir vor, ich sei von denen,
Die Euch das raten, daß man säuberlich
Den Herzog auf der Trausnitz heg und pflege.
Darum hab ich hieher mich aufgemacht
Und trete jetzt vor Euch mit diesen Rittern,
Die ich zu Zeugen mir erbeten habe:
Auf meinen Anteil an dem Lösegeld
Verzicht ich feierlichst. Gott sei's gedankt!
Ich habe noch zu leben ohne das.
Dies Schwert, das des gefangnen Friedrichs war,
Leg ich in Eure Hand. Mir ziemet nicht
Das Urteil, was hier besser sei zu tun;
Nach Eurer Weisheit mögt Ihr das ermessen.
Drum nehmt dies Schwert! Ob Ihr damit den Herzog
Enthaupten laßt, ob nicht, mir gilt es gleich.
Er leg das Schwert von sich.
LUDWIG.
Was meiner Ehre, was der Euren ziemt,
Es wird geschehn. Gefaßt ist mein Entschluß.
Herr Burggraf, macht Euch fertig und auch Ihr,
Herr Albrecht, einen Ritt mit mir zu tun!
Er geht durch eine Seitentür ab, die andern durch die Galerie.
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