Vierte Szene

[163] Saal.

Ludwig und der Burggraf treten von der Seite auf.


BURGGRAF.

Wollt Ihr Euch keine Ruhe gönnen, Herr,

Nach dieser stürm'schen Reise? Heftig war

Das Nachtgewitter, das uns überfiel.

LUDWIG.

Die Seele, die auf Großes ist gespannt,

Erwehrt sich leicht des Anspruchs der Natur

Und achtet wenig auf den äußern Sturm.

Der Herzog kommt. Bereitet Ihr indes,

Was ich Euch anbefahl!


Der Burggraf ab.

Friedrich und Albrecht treten von der andern Seite ein.


LUDWIG zu Albrecht.

Laßt uns allein!


Albrecht ab.


Mein Vetter, wie erging es Euch? Ich hoffe,

Daß meine Diener keinen Anlaß Euch

Zur Klage gaben. Meine Weisung war,

Euch jegliche Bequemlichkeit zu schaffen,[163]

Die mit der Sicherheit verträglich sei.

Ihr schweigt?

FRIEDRICH.

Ha, sprich nur, sprich es aus!

Verbirg nicht länger unter glatten Mienen

Das Todeswort, das du im Sinne trägst!

Ich weiß, du lechzest längst nach meinem Blut;

Warum noch erst des Lebens mich versichern

Und hier mich hegen als ein Opfertier?

Hab ich gezaudert, als ich in der Schlacht

Dich zu erreichen hoffte? War ich träg,

Das Schwert zu bohren in des Gegners Brust?

Wenn du noch atmest, ist es meine Schuld?

Drum säum auch du nicht, rufe deine Henker!

Hier ist mein Haupt, sieglos, doch ungebeugt.

LUDWIG.

Man riet mir, Euch zu töten, es ist wahr,

Und wahr ist's, dieser endlos blut'ge Streit

Verhärtet auch des mildern Mannes Sinn;

Doch so ist noch der meine nicht verwildert,

Daß dieses schöne Haupt mir dürfte fallen,

Dies edle Haupt, der höchsten Krone wert.

FRIEDRICH.

Was ist es andres, das Euch hergeführt?

LUDWIG.

Weil es dahin gekommen zwischen uns,

Daß Liebe nichts mehr gilt, daß Freundesrede

Für Trug und Heuchelei geachtet wird,

So laßt mich das nur Euch vors Auge stellen,

Was Euer Vorteil und auch meiner heischt!

Es sei Euch unverhalten, schwer bedrängt

Bin ich von Feinden: mich gefährdet sehr

Des Papstes Fluch, die Rache Leopolds.

In solcher Not kann ich an niemand besser

Mich wenden als an Euch.

FRIEDRICH.

Ihr spottet mein.

LUDWIG.

Denn seht! je später sich mein Thron befestigt,

Je länger dauert Eure Kerkerhaft;

Je wilder mich der Gegner Wut bestürmt,

Je fester muß ich Eure Bande schmieden,

Und so verzehren wir uns beiderseits,

Ich, der ich Frieden will, in stetem Kampf,

Ihr, der nach Taten glüht, in ödem Gram.

Drum wenn uns beiden Hülfe werden soll,

So muß der eine zu dem andern stehn,[164]

Und deshalb komm ich her und ruf Euch auf:

Verbürget mir den Thron und werdet frei!

FRIEDRICH.

Was nennt Ihr, Euch den Thron verbürgen?

LUDWIG.

Dies

Sind die Bedingungen: entsagen müßt Ihr

Dem Königsnamen, müßt die Krone mir

Ausfolgen, die man für die rechte hält,

Müßt Eure Brüder zum Gehorsam bringen,

Die Feinde mir bekämpfen und auch den,

Der Papst sich nennt; was Ihr dem Reich entrissen,

Müßt Ihr zurück ihm stellen ...

FRIEDRICH.

Meine Burgen

Zum Pfand Euch übergeben, meinen Schatz

Als Lösegeld ...

LUDWIG.

Verkennt mich nicht! Das Eure

Soll Euch verbleiben, und was Ihr verlort,

Wird Euch zurückgegeben, Euer Lehn

Bestätigt, Lösegeld bezahlt Ihr nicht,

Und alle, die mit Euch gefangen wurden,

Sind mit Euch freigelassen. Unterpfand

Begehr ich keines: Eure Treue bürgt;

Nur Euer Wort verlang ich, daß, wenn Ihr

Nicht die Bedingungen erfüllen könnt,

Ihr Euch bis auf die nächste Sonnenwende

Unfehlbar in die Fängnis wieder stellt.

Auf die Entscheidung durch das Schwert habt Ihr

Das Recht zur Krone selbst uns ausgesetzt:

Mir fiel der Sieg, mein Recht nur sprech ich an.

FRIEDRICH.

Ob Eurer Gründe siegendes Gewicht,

Ob der geheime Zauber dieser Nacht

Mein widerstrebendes Gemüt bezwang,

Ich muß mich unterwerfen; nehmt mein Wort:

Was Ihr bedingt, erfüll ich, wenn ich kann;

Kann ich es nicht, so kehr ich auf die Zeit.


Handschlag.


LUDWIG.

Wohlan denn!


Gegen den Hintergrund rufend.


Herzog Friedrich wandelt frei.


Hinter der Szene wird eine Orgel angespielt.


FRIEDRICH.

Was soll das Orgelspiel?[165]

LUDWIG.

Der fromme Prior

Von Maurbach, Euer Freund und Beichtiger,

Der Lehrer unsrer Jugend ...

FRIEDRICH.

Ist er hier?

LUDWIG.

Er ist's. Ja, dieser echte Gottesknecht,

Ein Gegenbild zu dem von Avignon,

Ein Friedensbote, der im Heile nur

Und nicht im Fluch die Macht der Kirche zeigt,

Er ging von Euch zu mir, von mir zu Euch;

Zu trösten sucht' er, zu besänftigen,

Neu anzuknüpfen das zerrißne Band.

Auch diese Sühne, die wir jetzt vollbracht,

Wünscht er zu heil'gen: sein Begehren ist,

Daß wir auf unsern Bund die Hostie nehmen.


Gegen den Hintergrund.


Man öffne!


Die Flügeltür in der Mitte geht auf, und man sieht in die erleuchtete Schloßkapelle. Am Altar steht der Prior von Maurbach, an den Stufen des Altars Dietrich von Plichendorf, der Burggraf und Albrecht von Rindsmaul. Orgelspiel, das bis zum Ende des Aufzugs fortdauert.


Seht Ihr dort den edlen Greis?

Schon harret er auf uns am Hochaltar,

Und dort auch stehet Euer Plichendorf.

Mit Euch befreit, soll er uns Zeuge sein.

O möchte dieses heil'ge Mahl in uns

Die Funken alter Liebe neu erwecken!

Folgt mir! Die Orgel hallt, der Priester winkt.

FRIEDRICH.

Fürwahr, ein mächt'ger Wohlklang muß es sein,

Der meiner Seele tiefen Mißton lösen,

Ein kräft'ger Himmelsfriede, der die Brust,

Die stürmisch wallende, mir stillen soll.

Herabzusteigen von der Wünsche Gipfel,

Des Lebens höchstem Ziele zu entsagen

Und wie ein Aar, gebrochnen Fittiches,

Zum Himmel aufzublicken, o es ist

Ein großer Schmerz, und nicht entehret hier

Den Mann die Träne. Kommt! Ich bin bereit.


Sie gehen ab nach der Kapelle. Die Orgel verhallt.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 2, München 1980, S. 163-166.
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