[182] Wassermann hatte, mit der ihm beiwohnenden Rohheit des Gemüths, dem Hause, worin er so manche frohe Stunde verlebt hatte, entsagt, sobald der gewohnte Wohlstand daraus gewichen war. Albertine, die liebenswürdige Albertine ohne Vermögen,[182] war ihm nur ein gewöhnlicher Gegenstand seiner ungeordneten Sinnlichkeit, dem aber nachzustellen zu mühsam war. Indeß hatte er. doch einmal den Vorsatz gefaßt, durch eine Heirath reich zu werden, welches ihm die bequemste Art schien; denn sich in die Mühle des Staats einspannen zu lassen, wodurch er das Leben des Geschäftsmannes bezeichnete, dazu erschien er sich zu eminent. Er schaute unter den Töchtern des Landes umher, und siehe, es fand sich keine, die würdig gewesen wäre, die Frau des Magister Wassermann zu werden.
Indeß erschien ihm, während des phantasiereichen Zustandes zwischen Schlaf und Wachen, wo der unglücklich Liebende die Geliebte ätherisch umarmt, der Dichter den Stoff zu Sonnetten und der Philosoph oft zu seinen Systemen auffaßt, Antonie, die junge Wittwe, mit reinen 30,000 Thalern. Er rieb den Schlaf aus den Augen, über rechnete seine unermeßlichen Verdienste, seinen gelehrten Ruf, was dieser ihm noch in der Folge einbringen werde, wie die Potenzen[183] sich drängen würden, ihn an sich zu ziehen, und er beschloß, Antonien zu sich zu erheben.
Ein feindseliger Genius, der seinen Spaß mit unserm Magister zu haben schien, wollte, daß an eben diesem Morgen, in eben demselben Zustand zwischen Schlaf und Wachen, Wassermann Antonien in den gehässigsten Farben erschien. Immer noch hatte die an ihrer empfindlichsten Stelle tief gekränkte Antonie Rache in ihrem Herzen gekocht. An den Weibern nahm sie sie überall, wo nur Dampf aus einer Theemaschine aufbrodelte; auch war es ihr wirklich gelungen, Rosamundens Gesellschaft lächerlich zu machen, sie in einem öffentlichen Blatte als eine solche bezeichnen zu lassen, und derselben einige frisch angekommene Schöngeister zu entführen, so daß der schöne Kranz zerstiebte. Aber für Wassermann bereitete sie eine empfindlichere und vollständigere Rache.
Als sie ihren literarischen Anhang stark genug hielt, veranstaltete sie durch denselben[184] eine äußerst harte und beißende Recension eines der Wassermannschen Werke, worauf er, wie sie wußte, den höchsten Werth setzte, weil er, wie er sagte, sich ganz darin ausgesprochen hatte; und als das schöne Werk der Finsterniß an den Tag gefördert war, schickte sie es, von einem hämischen Briefe begleitet, an den unglücklichen Magister ab. Dies geschah an eben dem Vormittage, an dem er ihr die Ehre seiner Bewerbung angedeihen zu lassen beschlossen hatte. Als sein Knabe mit Gruß und Brief von Madame Spürhauß hereinkam, riß er ihm den Brief aus der Hand und rief triumphirend: »Ha! sie kommt mir zuvor! Sie kommt mir zuvor! Ich dacht's; sie kann mich nicht vergessen! Ich war meiner zu gewiß. Und bin ich denn nicht Wassermann?«
Wer schildert den Schreck, die Wuth des Magisters, als er den Brief und die bezeichnete Stelle, die ihn betraf, gelesen hatte! – Der rasende Roland müßte ein bloßer Stümper in tollen Geberden gegen unsern[185] Wassermann gewesen seyn. Er zertrümmerte die wenigen Habseligkeiten, die er besaß, und trieb es so toll, daß sein Knabe in der Angst zum Arzte lief, der ihn im hef tigsten Fieber fand, welches sich in einigen Tagen als ein hitziges Gallenfieber zeigte. Im Dämmrigschen Hause erfuhr man seinen Zustand, und Albertine war sogleich bereit, ihm auf die zarteste und schonendste Weise alle Arten von Erleichterung zukommen zu lassen, welches auch der edle Albert that, ohne daß der Kranke je erfuhr, von woher ihm so reichlicher Beistand gekommen war.