Die Nachtigall

[10] Es senkt wie ein Schwarm von Vögeln sich

All mein Erinnern hernieder auf mich,

Hernieder durchs gelbe Laub von den Zweigen,

Und gebeugt ist mein Herz, wie Erlen sich neigen,

Die sich spiegeln, wo das Wasser der Reue

Schwermütig gleitet in tiefer Bläue.

Sie senken sich, bis im wachsenden Wehen

Des Winds ihre bösen Stimmen vergehen,

Im Baume verklingen mit sterbendem Laut,

Dass Stille rings von den Zweigen taut.

Nur die Stimme, die sie, die fern ist, in Tränen

Verherrlicht, tönt, nur die Stimme voll Sehnen

Des Vögleins, das erste Liebe mir war,

Das heute noch singt, wie vor manchem Jahr.

Und in dem trauernden Mondenscheine,

Der bleich und feierlich strahlt, wiegt eine

Schwermütige Nacht der Sommerszeit

Voll tiefer Sehnsucht und Dunkelheit

Im Himmel in flüsternden Windesschauern

Das Zittern des Baums und des Vogels Trauern.


Quelle:
Verlaine, Paul: Ausgewählte Gedichte. Leipzig 1983, S. 10-11.
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