Sechstes Capitel.
Der letzte Schicksalsschlag.

[229] Während Joam Dacosta dieses Verhör bestand, erhielt Yaquita in Folge einer Anfrage Manoels Nachricht, daß sie und ihre Kinder noch an demselben Tage Nachmittags vier Uhr zu dem Gefangenen Zutritt haben sollten. Seit dem vorigen Tage hatte Yaquita ihr Zimmer nicht verlassen. Minha und Lina blieben bei ihr bis zu der Stunde, wo es ihr gestattet sein würde, den unglücklichen Gatten wieder zu sehen. Ob Yaquita Garral oder Yaquita Dacosta – jedenfalls sollte er in ihr das treuliebende Weib, die unerschrockene Genossin seines ganzen Lebens wiederfinden.

Gegen elf Uhr desselben Tages trat Benito an Manoel und Fragoso, welche auf dem Vordertheil der Jangada plauderten, heran.

»Manoel, begann er, ich hätte eine Bitte an Dich.

– Und welche?

– Auch an Sie, Fragoso.

– Ich stehe Ihnen zu Befehl, Herr Benito, antwortete der Barbier.

– Was meinst Du? fragte Manoel mit aufmerksamem Blicke auf seinen Freund, der durch seine Haltung verrieth, daß in seinem Innern ein unerschütterlicher Entschluß gereist sei.

– Ihr glaubt doch noch immer an die Unschuld meines Vaters, nicht wahr? fragte Benito.

– O, rief Fragoso, so fest, daß ich mich eher selbst jenes Verbrechens für schuldig halten könnte.

– Nun denn, heute gilt es das Vorhaben auszuführen, das ich gestern schon andeutete.

– Torres aufzusuchen?

– Ja, und von ihm zu erfahren, wie er den Zufluchtsort meines Vaters entdeckt haben kann. Hier liegen noch irgend welche Geheimnisse verborgen. Sollte er ihn schon früher gekannt haben? Das ist nicht möglich, denn mein armer Vater hat Iquitos seit mehr als zwanzig Jahren niemals verlassen, und[229] jener Schurke zählt selbst kaum dreißig. Dieser Tag geht aber nicht zu Ende, ohne daß ich darüber Aufklärung habe, oder wehe dem schändlichen Torres!«

Ueber Benitos Entschluß ließ sich nicht rechten, auch versuchten weder Manoel noch Fragoso, ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

»Ich ersuche Euch Beide also, fuhr Benito fort, mich zu begleiten. Wir brechen sofort auf, denn wir dürfen Torres nicht erst Zeit lassen, aus Manao zu entweichen. Sein Stillschweigen zu verkaufen hat er keine Aussicht mehr, so dürfte ihm dieser Gedanke doch bald kommen. Vorwärts also!«

Alle Drei gingen am Ufer des Rio Negro an's Land und schlugen den Weg nach der Stadt ein.

Manao war nicht so groß, als daß man es nicht binnen wenigen Stunden hätte durchsuchen können. Wenn es nicht anders ging, sollte Haus für Haus nach Torres geforscht werden; vorerst erschien es jedoch rathsam, sich an die Wirthe der Gasthäuser oder Lojas zu wenden, wo der Abenteurer vielleicht Unterkommen gesucht hatte. Wahrscheinlich mochte der vormalige Waldkapitän einen wahren Namen verheimlicht haben, aus wohlbegründeter Vorsicht, mit der Polizei nicht selbst in Berührung zu kommen. Befand er sich aber überhaupt noch in Manao, so konnte er den Nachforschungen der jungen Leute doch unmöglich entgehen. An die Polizei brauchte man sich deshalb offenbar nicht zu wenden, denn es war anzunehmen – wir wissen, daß diese Annahme völlig richtig war – daß die Denunciation des Schurken anonym erfolgt sei.

Eine Stunde lang liefen Benito, Manoel und Fragoso durch die Hauptstraßen der Stadt, fragten alle Kaufleute in ihren Läden, die Wirthe in den Lojas, selbst die ihnen Begegnenden, ohne daß jemand derselben sich erinnern konnte, eine Persönlichkeit, wie die von ihnen genau beschriebene, gesehen zu haben.

Sollte Torres Manao schon verlassen haben? Mußte man alle Hoffnung aufgeben, ihn wiederzufinden?

Vergebens sachte Manoel Benito, der in höchster Aufregung war, zu beruhigen. Dieser hatte nur den einen Gedanken, er mußte Torres haben!

Der Zufall begünstigte ihn, und Fragoso war es, der endlich die richtige Fährte entdeckte.

In einem Wirthshause der Straße Gottes des heiligen Geistes erfuhr er, auf seine Beschreibung des Abenteurers, daß ein Individuum, welches diesem Signalement entsprach, Tages vorher in der Loja eingekehrt sei.

»Hat er hier übernachtet? fragte Fragoso.[230]

– Ja, antwortete der Wirth des Hauses.

– Und befindet er sich auch jetzt noch hier?

– Nein, er ist ausgegangen.

– Hat er seine Rechnung abgemacht, als ob er abreisen wollte?

– Nein, nein, er verließ sein Zimmer vor etwa einer Stunde und wird jedenfalls zum Nachtessen wieder zurückkehren.

– Wissen Sie vielleicht, welchen Weg er eingeschlagen hat?

– Er soll durch die untere Stadt nach dem Amazonenstrome zu gegangen sein; dort könnten Sie ihn wohl antreffen.«

Fragoso wußte genug; bald nachher gesellte er sich wieder zu den beiden jungen Männern.

»Ich bin Torres auf der Spur! rief er.

– Er steckt in diesem Hause?

– Nein, er ist ausgegangen; man hat ihn nach dem Amazonenstrome zu wandeln sehen.

– So eilen wir ihm nach!« sagte Benito.

Die kleine Gesellschaft schlug also wieder den Weg nach dem Strome ein, den nächsten, der am Rio Negro hinführte.

Bald hatten Benito und seine Begleiter die letzten Häuser der Stadt hinter sich gelassen und folgten dem Ufergelände, wobei sie nur einen kleinen Umweg machten, um nicht in der Nähe der Jangada vorüberzukommen.

Die Landschaft war zu dieser Stunde menschenleer. Rings bot sich durch die Campine, wo angebaute Felder die Stelle früherer Urwälder eingenommen hatten, eine weitgestreckte Aussicht.

Benito sprach nicht – er hätte kein Wort hervorbringen können. Manoel und Fragoso ehrten sein Schweigen. So gingen sie alle Drei scharf dahin, spähten rings umher und gelangten so längs des Rio Negro-Ufers bis zum großen Strome. Dreiviertelstunden, nachdem sie Manao verlassen, konnten sie noch nichts sehen.

Mehrere Male trafen sie wohl Indianer, welche auf den Feldern arbeiteten; Manoel fragte auch diese und erfuhr von einem derselben, daß ein, dem Beschriebenen ähnlicher Mann vor Kurzem vorübergekommen sei, der sich nach dem Winkel, beim Zusammenflusse beider Ströme, begeben habe.

Ohne auf weitere Erklärungen zu warten, stürmte Benito, von unwiderstehlichem Drange getrieben, voraus, und seine Begleiter hatten alle Mühe, ihn nur nicht aus den Augen zu verlieren.


Torres war es und Benito. (S. 233.)
Torres war es und Benito. (S. 233.)

Da ward das linke Ufer des Amazonenstromes in[231] der Entfernung einer Viertelmeile sichtbar. Dort erhob sich eine höhere Uferwand, welche den Horizont theilweise verbarg und die Aussicht auf den Raum von wenigen hundert Schritten beschränkte.

Benito eilte vorwärts und verschwand bald hinter einem jener Sandhügel.

»Schneller! Schneller! sagte Manoel zu Fragoso, wir dürfen ihn nicht einen Augenblick allein lassen!«

Beide folgten derselben Richtung so schnell sie konnten, als sie plötzlich einen Ausruf hörten.[232]

Hatte Benito den Gesuchten gefunden? Hatte Torres auch ihn gesehen? Standen die beiden Feinde einander schon gegenüber?

Fünfzig Schritte weiter hin bemerkten Manoel und Fragoso, als sie um eine Ecke jener Strandhügel kamen, wie zwei Männer sich mit starren Blicken maßen. Torres war es und Benito. Einen Augenblick später standen Manoel und Fragoso an ihrer Seite. Bei dem hocherregten Zustande Benitos hätte man fürchten können, daß er nicht im Stande sein werde, sich zu beherrschen, wenn er sich dem Abenteurer Auge in Auge gegenüber sah.[233]

Doch nein, er ließ sich nicht übermannen.

Als der junge Mann einmal Torres' soweit habhaft geworden, daß er die Gewißheit hatte, das Entweichen desselben verhindern zu können, änderte sich sein ganzes Auftreten, seine fieberhaft schnellen Athemzüge wurden langsamer, er gewann die gewohnte Kaltblütigkeit und Herrschaft über sich selbst vollständig wieder.


»Elender Bube!« rief Benito. (S 235.)
»Elender Bube!« rief Benito. (S 235.)

Seit einigen Augenblicken sahen sich die Männer, ohne ein Wort zu sprechen, an.

Torres brach zuerst das Schweigen.

»Ah, Sie hier, Herr Benito Garral! begann er mit dem gewöhnlichen, unverschämten Ausdruck.

– Nein, Benito Dacosta! gab ihm der junge Mann zur Antwort.

– Ja freilich, fuhr Torres fort, Herr Benito Dacosta, in Begleitung des Herrn Manoel Valdez und meines Freundes Fragoso!«

Empört über diese unverschämte Bezeichnung, wollte sich Fragoso schon über den Abenteurer stürzen, um ihm eine handgreifliche Antwort zu ertheilen, als Benito ihn mit aller Gemüthsruhe zurückhielt.

»Was fällt Ihnen denn ein? rief Torres, einige Schritte zurückweichend. Es scheint mir gerathen, hier etwas auf seiner Hut zu sein!«

Bei diesen Worten zog er eine Manchetta aus seinem Poncho, jene zum Angriff wie zur Vertheidigung gleich dienliche Waffe, welche jeder Brasilianer stets bei sich führt. Halb zusammengebückt, legte er sich wie zum Kampfe aus.

»Ich kam allerdings nur, um Sie aufzusuchen, Torres, erklärte Benito vollkommen ruhig, ohne sich durch diese ungemein herausfordernde Stellung beirren zu lassen.

– Mich aufzusuchen? erwiderte der Abenteurer, nun, ich bin ja nicht so schwer zu finden. Was veranlaßte Sie aber dazu?

– Ich muß aus Ihrem Munde hören, was Sie von der Vergangenheit meines Vaters wissen.

– Wirklich?

– Gewiß! Mich verlangt es, zu wissen, wie Sie ihn wieder erkennen konnten, warum Sie in den Wäldern von Iquitos umherschweiften und weshalb Sie ihm in Tabatinga auflauerten...

– Nun, das liegt doch offenbar klar vor Augen, antwortete Torres höhnisch lächelnd. Ich wartete ihn ab, um mit an Bord der Jangada zu gehen,[234] und that das wiederum in der Absicht, um einen sehr einfachen Vorschlag zu machen... den er vielleicht Unrecht that, abzuweisen!«

In Manoel kochte es bei diesen Worten. Mit erbleichtem Gesicht und glühenden Augen trat er an Torres heran

Benito, der kein Mittel einer gütlichen Auseinandersetzung unversucht lassen wollte, stellte sich zwischen den Abenteurer und seinen Freund.

»Beruhige Dich, Manoel, bat er, ich muß mich ja auch beherrschen können!«

Dann fuhr er fort:

»So hören Sie, Torres, daß mir recht wohl bekannt ist, was Sie veranlaßte, auf der Jangada Unterkunft zu suchen. Als Besitzer eines Geheimnisses, welches Ihnen ohne Zweifel von anderer Seite anvertraut worden ist, wollten Sie einen Tauschhandel abschließen! Doch darum handelt es sich jetzt weniger.

– Und um was denn?

– Ich wünsche zu erfahren, wie Sie in dem Fazender von Iquitos den Joam Dacosta wiedererkennen konnten.

– Wie ich ihn wiedererkannte? antwortete Torres, ich dächte, das ginge mich allein an, und ich verspüre auch verteufelt wenig Lust, Ihnen darüber Rechenschaft zu geben. Die Hauptsache bleibt immer, daß ich mich nicht getäuscht habe, als ich in seiner Person den thatsächlichen Urheber jenes abscheulichen Verbrechens in Tijuco zur Anzeige brachte.

– Sie werden mir Rechenschaft geben, schrie Benito auf, dem allmählich die Galle überlief.

– Ich? Niemals! versetzte Torres. Joam Dacosta hat meine Vorschläge zurückgewiesen, hat es verweigert, mich in seine Familie aufzunehmen... Nun wohl! Jetzt, da sein Geheimniß offenbart und er in den Händen der Behörde ist, jetzt würde ich es abschlagen, in seine Familie, in die Familie eines Diebes, eines Mörders und eines zum Tode Verurtheilten, dessen der Galgen harrt, einzutreten!

– Elender Bube!« rief Benito, der jetzt auch eine Manchetta aus dem Gürtel zog und sich zum Angriff bereitete.

Gleichzeitig hatten auch Manoel und Fragoso die Waffen ergriffen.

»Drei gegen Einen, Schmach Euch! sagte Torres.

– Nein, Einer gegen Einen! gab Benito zurück.

– Wahrhaftig! Ich hätte mich von dem Sohne eines Mörders allerdings eher eines gemeinen Mordes versehen.[235]

– Torres! rief Benito, wehre Dich, oder ich schlage Dich nieder wie einen tollen Hund!

– Einen tollen Hund, meinetwegen! erwiderte Torres, aber ich beiße, hüte Dich vor meinen Zähnen!«

Er nahm die Manchetta näher an sich heran und setzte sich in Bereitschaft, auf seinen Gegner loszudringen.

Benito war einige Schritte zurückgewichen.

»Torres, begann er noch einmal, ruhiger als in der letzten Minute, Ihr wart der Gast meines Vaters, Ihr habt ihn bedrängt, verrathen, habt ihn denuncirt, einen Unschuldigen angeklagt – mit Gottes Hilfe werde ich das durch Euer Blut nun sühnen!«

Auf Torres' Lippen schwebte dabei ein teuflisches Lächeln. Vielleicht kam dem Schurken jetzt der Gedanke, einem Kampfe mit Benito womöglich auszuweichen, und er hätte einen solchen ja verhindern können. Er hörte ja aus Allem heraus, daß Joam Dacosta von dem Document mit dem materiellen Beweise seiner Unschuld nichts gesagt haben konnte.

Gestand er Benito, daß er, Torres, in Besitz desselben sei, so hätte er den Gegner gewiß augenblicklich entwaffnet. Abgesehen davon aber, daß er den letzten Moment abwarten wollte, jedenfalls um aus dem Handel den größtmöglichen Vortheil zu ziehen, so ließen ihn doch die beleidigenden Worte des jungen Mannes und der Haß, den er gegen alle Angehörigen desselben empfand, zuletzt selbst das eigene Interesse aus den Augen setzen.

Sehr gewöhnt an die Handhabung der Manchetta, deren er sich schon bei mehr als einer Gelegenheit bedient, glaubte sich der starke und gewandte Abenteurer gegen einen jungen Mann von kaum zwanzig Jahren, der weder seine Kraft, noch seine Geschicklichkeit besitzen konnte, in offenbarem Vortheil.

Noch einmal trat Manoel vor, um sich an Benitos Stelle mit dem frechen Burschen zu schlagen.

»Nein, lieber Manoel, antwortete der junge Mann kalt, nur mir kommt es zu, meinen Vater zu rächen, und da wir auch die gewohnten Kampfregeln nicht verletzen wollen, so wirst Du mir als Secundant dienen.

– Benito!...

– Und Sie, Fragoso, werden mir in diesem Augenblicke die Bitte nicht abschlagen, der Secundant dieses Mannes zu sein![236]

– Es sei, antwortete Fragoso, wenn dabei auch keine Ehre zu holen ist. Wäre ich an Ihrer Stelle, setzte er hinzu, ich hätte ihn wie ein wildes Thier niedergemacht!«

Der Ort, wo der Zweikampf vor sich gehen sollte, war ein flaches Stück Uferland von etwa vierzig Schritt Breite, gegen fünfzig Fuß über der Wasserfläche des Amazonenstromes, nach dem hin es schroff abfiel. Am Fuße des Abhanges strömte das Wasser nur ganz langsam und benetzte die Wurzeln der wilden Rosen, welche den Strand umsäumten.

In der Breite bot diese Stelle also sehr beschränkten Spielraum, und wer von den Kämpfern nach dieser Seite nur wenig zurückgedrängt wurde, der mußte unwillkürlich in die Tiefe hinabstürzen.

Manoel gab das Zeichen zum Beginn des Kampfes, und Torres und Benito drangen auf einander ein.

Benito beherrschte sich jetzt vollständig. Als Verfechter einer guten Sache gewährte ihm seine Kaltblütigkeit einen wesentlichen Vortheil gegenüber Torres, dem das böse Gewissen, wenn er sonst darauf auch noch so wenig achtete, in diesem Augenblicke doch das Herz schneller schlagen ließ.

Als Beide nahe genug waren, fiel von Benito der erste Schlag. Torres parirte denselben. Die beiden Gegner traten einen Schritt zurück, stürmten aber sofort wieder aufeinander zu und packten sich mit der linken Hand an der Schulter... Sie wollten einander nicht wieder loslassen.

Der an Kraft überlegene Torres hieb mit seiner Manchetta von seitwärts, ein Schlag, dem Benito nicht ganz ausweichen konnte, er traf vielmehr seine rechte Hüfte – der Poncho darüber färbte sich roth. Er ergab sich deshalb natürlich nicht, im Gegentheile gelang es ihm, Torres an der Hand leicht zu verwunden.

Noch mehrere Schläge wurden gewechselt, ohne zu einer Entscheidung zu führen. Benitos Blick bohrte sich in Torres' Augen wie eine Klinge in des Feindes Herz. Offenbar erlahmte der Schurke. Er wich allmählich zurück, gedrängt von dem unversöhnlichen Richter, dem es mehr am Herzen lag, den herzlosen Denuncianten seines Vaters in die Hölle zu schicken, als sein eigenes Leben zu vertheidigen. Nur schlagen, schlagen wollte Benito, während der Andere kaum Zeit gewann, des Gegners wuchtige Hiebe zu pariren.

Bald sah Torres sich nach dem Rande des Abhanges gedrängt, und zwar an eine Stelle, wo derselbe etwas vorsprang und bis über das Ufer hinaushing.[237] Er durchschaute die drohende Gefahr und versuchte noch einmal, die Offensive zu ergreifen und das verlorene Terrain wieder zu gewinnen... Seine Verwirrung steigerte sich – sein Blick erlosch fast unter den Augenlidern... Er mußte sich endlich beugen vor der Faust, die ihn bedrohte.

»So stirb Elender!« rief Benito.

Er stieß die Manchetta direct gegen des Feindes Brust, aber die Spitze der Waffe traf auf einen harten Körper, den Torres' Poncho überdeckte.

Benito drang mit verdoppelter Wuth auf den Schurken ein. Torres, dessen nächster Stoß den Gegner verfehlt hatte, fühlte sich verloren. Er mußte wieder zurückweichen. Da wollte er rufen – rufen, daß das Leben Joam Dacosta's an dem seinigen hänge... er gewann nicht mehr die Zeit dazu.

Ein zweiter Stoß der Manchetta traf das Herz des Abenteurers. Er sank rückwärts nieder – unter den Füßen fehlte ihm der Boden und mit ersticktem Schrei stürzte er den Abhang hinab. Mit den letzten Kräften versuchte er sich noch an den Rosenbüschen des Wasserrandes anzuklammern, vergebens – er verschwand in den Wellen des Stromes.

Benito hatte sich auf Manoels Schulter gestützt; Fragoso drückte ihm die Hand. Er ließ seinen Freunden kaum Zeit, seine Wunde, die er nur für leicht erklärte, zu verbinden.

»Nach der Jangada, rief er, nach der Jangada!«

Auf's Tiefste erregt folgten ihm Manoel und Fragoso nach.

Eine Viertelstunde später trafen Alle an der Stelle, wo die Jangada verankert lag, ein. Benito und Manoel eilten in das Zimmer Yaquitas und Minhas und theilten ihnen mit, was geschehen war.

»Mein Sohn! Mein Bruder!«

In demselben Augenblicke wurden diese Rufe laut.

»Jetzt nach dem Gefängniß! drängte Benito.

– Ja! Ja! Komm! Komm!« sagte Yaquita.

Gefolgt von Manoel, führte Benito seine Mutter fort.

Sie gingen an's Land, schlugen die Richtung nach Manao ein und standen eine halbe Stunde später vor dem Gefängnisse der Stadt.

Auf die von dem Richter Jarriquez ergangene Verfügung fanden sie sofort Einlaß und wurden nach der Zelle des Verhafteten geführt.

Die schwere Thür öffnete sich.

Joam Dacosta sah seine Gattin, seinen Sohn und Manoel eintreten.[238]

»Ach, Joam, mein Joam! schluchzte Yaquita.

– Yaquita, mein Weib, meine Kinder! rief der Gefangene, der die Arme ausbreitete und Alle an die Brust drückte.

– Mein Joam ist unschuldig!

– Unschuldig und gerächt!... setzte Benito hinzu.

– Gerächt? Was willst Du damit sagen?

–Torres ist todt, mein Vater, er fiel durch meine Hand!

– Todt!... Torres!... Todt!... rief Joam Dacosta. Ach, mein Sohn... Du hast mich in's Verderben gestürzt!«

Quelle:
Jules Verne: Die Jangada. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXIX–XL, Wien, Pest, Leipzig 1883, S. 229-239.
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