Die Ruh' ist wohl das Beste,
Von allem Glück der Welt,
Mit jedem Wiegenfeste
Wird neue Lust vergällt,
Die Rose welkt in Schauern,
Die uns der Frühling giebt;
Wer haßt, ist zu bedauern,
Und mehr noch fast, wer liebt.
Es trübt den eignen Frieden
Mit seiner Gluth das Herz,
Das Kind ist nicht zufrieden,
Dem Mann bleibt nur der Schmerz.
Du hoffst umsonst vom Meere,
Vom Weltgetümmel Ruh';
Selbst Lorbeer, Ruhm und Ehre
Heilt keine Wunden zu.
Nun weiß ich auf der Erde
Ein einzig Plätzchen nur,
Wo jegliche Beschwerde
Im Schooße der Natur,
Wo jeder eitle Kummer,
Der mir den Busen schwellt,
In langen tiefen Schlummer
Wie's Laub vom Baume fällt.
Ein Plätzchen ach! so theuer,
Wie mich noch keins entzückt,
Wo Lieb' und liebend Feuer
Mein Herz einst nicht mehr drückt,
Wo's ruht in aller Stille,
Dem Sturme nicht mehr bloß,
Entbunden aller Hülle,
Ja frei und schicksallos.
[95]
So freundlich ist's und heiter,
Wenn du es kennen lernst,
Stets lieblicher und breiter,
Und doch voll hohem Ernst,
Der Vorwelt düstres Grauen
Hat's königlich geweiht,
Und weiße Steine schauen
In all' die Einsamkeit.
Die Pyramide düstert
Voll finstrer Pracht empor,
Aus jungen Bäumen flüstert
Ein Klagehauch hervor,
Es weht auf diese Gründe
Das grauste Alterthum,
Wenn irgendwo, so finde
Ich hier Elysium.
Es glänzt im Abendlichte
Umher die goldne Au',
Und himmlische Gesichte
Weckt mir das lautre Blau,
Das mit den reinen Fluthen
Dort auf des Berges Nacht,
In sanften Purpurgluthen,
Ein andrer Lethe, lacht.
Die Brüder selbst, sie stören
Hier meine Ruhe nicht,
Nur selten, daß sie hören,
Wie mir ein Ach entbricht,
Sie schlafen hier geschieden
Von aller Welt, allein,
O welch ein Glück, hienieden,
Kein Gläubiger zu sein!
1 Bekanntlich ist der Gottesacker der Protestanten am Thore St. Paolo, dicht an der schönen Pyramide des Cajus Cestius, und unweit vom Monte Testaccio. Es ist das ein Ort, wie geschaffen für die Schwermuth, immer still und öde, und nur im Oktober durch die Minenti oder Plebejer lebendig, welche am Testaccio ihre Feste halten.
Buchempfehlung
Die tugendhafte Sara Sampson macht die Bekanntschaft des Lebemannes Mellefont, der sie entführt und sie heiraten will. Sara gerät in schwere Gewissenskonflikte und schließlich wird sie Opfer der intriganten Marwood, der Ex-Geliebten Mellefonts. Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel ist bereits bei seiner Uraufführung 1755 in Frankfurt an der Oder ein großer Publikumserfolg.
78 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro