[99] Die Lieb' ist wie die Sonne,
Verwegner Uebermuth,
Der schaudernd in der Wonne
Der heißen Lebensgluth,
Den Lichtquell zu ergründen,
In seine Tiefe blickt,
Muß da zuletzt erblinden
Wo sich sein Herz entzückt.
Doch wer nur still bescheiden
Das sanfte Licht genießt,
Woraus ein Meer von Freuden
Für alle Wesen fließt,
Wer nie die letzte Quelle,
Nur ihre Wirkung sucht,
Den labt die Sonnenhelle,
Der keine Thräne flucht.
So denk' ich oft und meine,
Daß ich wohl gut gedacht.
Doch wenn ich trostlos weine
Hinaus in all' die Nacht,[99]
Wenn sich mein Auge wendet
Zu Morgensternes Glanz,
Da fühl' ich's nicht geblendet,
Wohl aber blind es ganz.